Horst,
der
Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum Wohl
aller Wesen – Geschichte eines
europäischen Buddhisten - Stand
Szene 106 - Liebe, Verblendung und Amitabha
Selbstverständlich gehört diese Geschichte zu meinen Begegnungen mit dem Transzendeten, dennoch habe ich sie nie zuvor aufgeschrieben, wollte mich nicht zu ihr bekennen, denn es zeigt mich in einem recht ungünstigen Licht. Man könnte den Eindruck bekommen, ich würde die Kräfte des Transzendenten benutzen, um eine Frau zu „erobern“. Darum ging es aber im Kern nicht – allenfalls könnte man mir gemischte Motive unterstelle, also solche, die teilweise von Großzügigkeit, von Gebefreude, von Hilfsbereitschaft aber teilweise auch von Eigennutz geprägt waren. Ich gehe jetzt einfach das Risiko ein und erzähle sie doch, nachdem ich mehrere Jahre mit mir gerungen habe.
Im Nachtrag 2022 zur Geschichte „Wie ich einmal starb?“ habe ich darauf hingewiesen, dass ich durch eine Verkettung äußerst merkwürdiger Umstände ins Frankfurter Ostend kam. Dort sind jedoch diese Umstände nur vage angedeutet. Hier folgt also die ganze Geschichte.
Im Oktober 2003, am Abend vor meiner Abfahrt zu einer Einzelklausur in Guhyaloka (vgl. Abschnitt „Geheimer Ort - Guhyaloka“), war eine sehr junge Frau – ich nenne sie hier Sandra - bei meinem Medtationsabend aufgetaucht: sie war offen, rezeptiv, hörte zu, erzählte auch viel von sich und hielt dabei beständig Augenkontakt. Sie ging mir nicht aus dem Kopf, und belastete in den ersten Tagen meiner Einzelklausur meine Meditationen. Erst als ich nach drei Tagen darüber reflektierte, erkannte ich, dass in mir die Sehnsucht war, nach jemandem (1) mit der ich offen kommunizieren kann, auch und gerade über den Dharma, (2) nach Zärtlichkeit und auch (3) nach Sexualität – und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ich hatte mich entschlossen, nach meiner Einzelklausur nach so jemandem zu suchen.
Also hatte ich mich nach meiner Rückkehr von Guhyaloka für drei Monate bei Parship angemeldet. Sandra sah ich zwar ein oder zweimal monatlich bei den Offenen Meditationsabenden, mir war aber damals klar, dass diese junge Frau wegen des Altersunterschiedes nicht die richtige sein konnte. Leider stellte sich die Suche nach einer Partnerin über Parship als sehr unbefriedigend heraus.
Im Februar hatte ich einen Meditations-Workshop in Frankfurt, wo Sandra wohnte, und ich fragte sie, ob wir uns am Abend treffen könnten, vielleicht irgendwo in Frankfurt etwas essen könnten. Sie sagte zu, und wir trafen uns erstmals. Sie erzählte von sich, sie lebte bei ihren Eltern, hatte zuvor in London studiert und dort auch einen Freund, zu dem sie alle paar Monate fliegt. Es war ein netter Abend, wir waren erst in einem Lokal, dann im Kino, oder umgekehrt. Und wir verabredeten uns für den nächsten Meditationsabend, dem 11. März, vor der Meditation zu einem gemeinsamen Essen bei mir zuhause.
Ich überlegte: meine Versuche eine Partnerin über Parship zu finden waren nicht erfolgreich, mir machte es auch keinen Spaß, mich mit irgendwelchen Leuten zu treffen. Sandra hatte einen Freund, den sie allerdings nur alle paar Monate sah. Wenn man allerdings schaute, wonach ich suchte, so ging es mir in erster Linie um jemanden, mit dem ich offen kommunizieren kann, auch über den Dharma. Dazu war sie sicher eine geeignete Person, sie hatte sogar indische Philosophie studiert und eine Dissertation über einen Leerheitsapsekt in der Philosophie Nagarjunas geschrieben. Sexualität kam natürlich nicht in Frage, sie hatte ja einen festen Freund. Zärtlichkeit? Nun es gibt Zärtlichkeit in Worten, vielleicht könnte man auch Hand in Hand spazieren gehen? Mir fing an die Sache zu gefallen. Ich erinnerte mich daran, wie ich früher oft mit meiner Tochter unterwegs war, wie wir gemeinsam Urlaube verbrachten. Eine solche Beziehung schwebte mir vor! (Und tatsächlich war Sandra gleich alt wie meine Tochter, mit der ich früher viel unterwegs war.) Ja, das könnte eine gute Beziehung werden.
Am 11. März 2004 besuchte sie mich, wie wir das verabredet hatten, vor dem Meditationsabend. Ich hatte etwas gekocht, hatte den Tisch mit Blumen und Kerzen dekoriert und auch ein kleines Geschenk für Sandra, denn es war, wie ich ihr eröffnete, ihr 27 ½. Geburtstag. (Bei unserem Kinobesuch hatte ich ihren Personalausweis gesehen.) Sie war begeistert, noch nie hatte jemand ihren halben Geburtstag mit ihr gefeiert!
Wir trafen uns jetzt öfter und waren uns auch näher gekommen. Es stellte sich allerdings heraus, dass ihr Freund in England nicht Teil der Lösung ihrer Probleme war. (Ihre Probleme waren ein stark dementer Vater, um den sie und ihre Mutter sich kümmerten und das Messi-Problem ihrer Mutter, das Sandra versuchte in Griff zu bekommen, sowie verschiedene andere Dinge, die Folge davon waren. Insgesamt erinnerte mich das was ic da hörte stark an das, was ich bei Horst Eberhard Richter über Familienneurosen gelesen hatte.) Vielmehr war dieser Freund auch Teil ihrer Probleme. Er versuchte sie zu kontrollieren. Allabendlich musste sie mit ihm zwei Stunden telefonieren und genau Rechenschaft über ihren Tagesablauf geben.Auch als wir im Kino waren, musste sie für ihn eine andere Geschichte erfinden. Er versuchte ständig sie zu kontrollieren. Und auch wenn sie bei ihm war, müsse sie sich im Auto verstecken, weil er nämlich noch verheiratet war.
Inzwischen fand ich die Idee mit ihr eine Beziehung wie mit meiner Tochter zu haben nicht mehr angemessen. Ich hielt es für besser, wenn sie die Beziehung mit dem Engländer löste, einem Mann der älter war als ich und in ihr in erster Linie ein Sexobjekt zu sehen schien. Insofern war die Tatsache, dass sie im April für zehn Tage zu ihm fuhr, der Flug war seit Monaten gebucht, alles andere als verlockend, zumal sie sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher war. Bevor sie abflog, verabschiedete sie sich unter Tränen von mir, es wäre ihr lieber, sie hätte diese Reise nie gebucht).
Ich versuchte auf meine Art, eine Trennung zwischen ihr und ihrem Bob herbeizuführen. Ich machte mehrmals täglich ein Ritual, in dem ich Amitabha, ein Aspekt des Transzendenten, der für Liebe und Gnade steht, anrief, ihm von der Lauterkeit meines Ansinnens berichtete und um Unterstützung bat. Außerdem versuchte ich mit ihr mentalen Kontakt zu halten, was allerdings dazu führte, dass ich nicht schlief. Erst in der vierten Nacht überkam mich der Schlaf. (Sandra berichtete mir, dass sie in den ersten drei Tagen nicht mit Bob schlafen konnte und viel weinte. Danach allerdings hätten sie sich versöhnt und sie haben gemeinsam ihren nächsten Besuch nur sechs Wochen später bei ihm verabredet und den Flug gebucht.)
Während
sie
in England war., habe ich ihr ein Märchen geschrieben, die
„Prinzessin mit den goldenen Stäben“.
In diesem Märchen geht es
um die Prinzessin Amanda. In diesem Märchen gibt es einen
fernen
Magier, der sie von ihrem strengen Vater wegholt. Der Magier
schenkt
ihr zum Abschied einen goldenen Stab und sagt dem Mädchen, das
sie
diesen küssen könne, dies würde sie in Verbindung mit ihm dem
Magier bringen und d´es gäbe noch ein Geheimnis, dass sich ihr
aber
erst entschlösse wenn er weg sei. Und in der Tat durch den
goldene
Stab kann de Magier mit ihr sprechen, aber nur einen Abend
lang. Das
Mädchen sehnt sich nach der Verbindung mit dem Magier und so
sendet
er ihr täglich einen neuen Stab. Allmählich sammeln sich
jedoch
viele goldene Stäbe an und sie werden zu einem Käfig aus
Amanda
aner wird ein Vögelchen in einem goldenen Käfig. Schließlich
erscheint ein alter Einsiedler und zeigt Amenda, wie sie sich
befreien kann. Soviel zu dem Märchen.
Und obwohl sich die Beziehung zwischen Sandra und mir nach ihrer Rückkehr immer mehr stabilisierte, flog sie Anfang Juni erneut nach London. Und ich führte wieder meine Rituale durch, diesmal allerdings mit einem etwas anderen Ziel. Ich teilte Amitabha mit, dass ich möchte, dass sie sich von Bob, der Teil ihres Problems sei löst und statt dessen vorübergehend eine Beziehung mit mir eingeht. Ich sei davon überzeugt, dass ich sie in anderthalb bis maximal zwei Jahren soweit beeinflussen könnte, dass sie ihre Probleme in den Griff bekommt und dass ich sie dann weiterziehen ließe zu einem Mann, der für sie vom Alter her geeignet wäre und mit dem sie eine Familie gründen könnte, was ihrem mittelfristigen Wunsch entsprach. Ich schlug den Kräften des Transzendeten also eine Art Geschäft vor: ich bringe sie mit Hilfe des Dharma auf den richtigen Weg, dazu brauche ich den starken Einfluss, den nur ein Partner auf jemandem haben kann. Aber ich halte sie nicht fest (wie Bob), sondern gebe sie, sobald mir die Transformation ihrer Person geglückt ist, also in maximal zwei Jahren, frei, gegebenenfalls würde ich sie sogar ermutigen, sich einen anderen – jüngeren – Partner zu suchen.
Und
dieses
Versprechen erneuerte ich täglich während der zehn Tage, die
sie Anfang Juni bei Bob war. Dennoch wartete ich etwas verzagt
auf
ihre Rückkehr. Doch meine Bedenken zerstreuten sich schnell,
sie
lief fröhlich auf mich zu, sagte mir, wie sehr sie sich freue,
wieder bei mir zu sein. Wir verabredeten ein gemeinsames
Wochenende
in Bamberg – wir waren plötzlich ein Liebespaar.
Allerdings
hatte
der Ausflug nach Bamberg ein Nachspiel. Als wir zurückkamen
gingen wir noch in meinem damaligen Wohnort Großauheim in ein
Restaurant, dort bekam Sandra eine Migräne, und sie hatte
Bedenken
noch nach Hause zu fahren. Ich bot ihr an, bei mir zu
übernachten.
Mein Haus hatte ich inzwischen meiner Ex-Frau, die unsere
eheliche
Gemeinschaft von Tisch und Bett vor acht Jahren aufgekündigt
hatte,
überschrieben, ich hatte jedoch noch ein Nießbrauchrecht für
die
Mansardenwohnung, in der ich nunmehr wohnte. Bereits Monate
zuvor
hatte ich meine Ex gefragt, ob es ein Problem gäbe, wenn ich
gelegentlich eine Freundin mit in meine Wohnung brächte, was
sie
verneinte, unsere eheliche Beziehung sei ja inzwischen so
viele Jahre
vorbei.
Sandra
übernachtete
also bei mir und ich fuhr – Sandra schlief noch - am
nächsten Tag früh zur Arbeit nach Gelnhausen, wo ich
Berufsschullehrer war. Dort erhielt in der Pause die
Mitteilung vom
Sekretariat, ich solle dringend bei dieser Telefonnummer
anrufen. Es
war Sandras Nummer. Ich rief an und erreichte meine völlig
aufgelöste, weinende Freundin. Sie berichtete, meine Ex hätte
ihr
auf der Treppe aufgelauert, sie aufs Übelste beschimpft und
sie
angeschrien, wir sollten uns gefälligst eine eigene Wohnung
suchen.
Ich beruhigte Sandra, versprach ihr eine Lösung zu finden, und
sagte
ihr, ich würde mich nach der Schule bei ihr melden.
Nachdenklich durchquerte ich das Lehrerzimmer, an der Tür hing eine Anzeige – so etwas gab es dort noch nie – auf ihr stand: Schöne Wohnung im Frankfurter Ostend zu vermieten, im 7. Stockwerk eines Solitär-Hochhauses mit Blick auf die Skyline, zwei große Zimmer, Warmmiete 440 €. Das war ausgesprochen günstig! Ich hatte vor meine Meditationsabende demnächst in Frankfurt (statt in Großauheim) anzubieten, hatte allerdings nichts Passendes zu einem akzeptablen Preis gefunden – und jetzt das!
Ich suchte den Kollegen, der die Anzeige aufgegeben hatte, machte mit ihm einen Besichtigungstermin am Nachmittag aus, dann rief ich Sandra an: wir könnten am Nachmittag unsere neue Wohnung besichtigen, im Frankfurter Ostend, an der gleichen U-Bahn-Linie, an der auch ihre Eltern wohnten.
So fügte sich alles in schönster Harmonie, gerade so, als habe eine unsichtbare Hand eingegriffen. Wir hatten eine schöne Wohnung mit einem großen Zimmer für uns, einen Meditationsraum und eine fertig eingerichtete Küche. Und außerdem ergab sich dadurch die Chance, die Ostend-Garage zu finden die in meiner „Reinkarnations-Meditation“ von 1996 mitmachte.
Im
Sommer
renovierten wir die Wohnung und von da an war Sandra
abwechselnd eine halbe Woche bei ihren Eltern und eine halbe
Woche
bei mir. Ab Oktober wurden die Meditationsabende von den
„Freunden
des Westlichen Buddhistischen Ordens, Rhein-Main“ hier
abgehalten,
zdie Weihungszeremonie nahm Jnanacandra vom Buddhistischen
Zentrum in
Essen vor. Sandra und ich hatten die Wände mit Symbolen aus
dem
upanisa-sutta des Buddha bemalt. Dies fand ich als besonders
hilfreich, um mit Sandra den Dharma zu sprechen.
Allerdings
zeigten
sich bei ihr bald Widerstände, es schien als sei ihr
unbewusst klar, dass sie sich in vielen Punkten ändern muss.
Ich
befürchtete, diese Widerstände würden wachsen, wenn ich zu
rigoros
vorging.
Es
gibt
im sog. Tibetischen Lebensrad das Bild von den sechs
Geisteszuständen, in denen wir sein können. Auf Sandra trafen
drei
diese Zustände zu. Der erste dieser Zustände ist der der
wütenden
Kämpfer, hier bringt ein Buddha den Kämpfern das Schwert der
transzendente Weisheit, was bedeuten soll, dass man man seinen
Geist
schulen muss, um mit geister Schärfe und Klarheit die Dinge zu
erkennen, wie sie sind. Und aus diesem Grunde wollte ich mit
Sandra
all das besprechen, was ihren Geist trübte und sie wütend
mache.
Aber in ihr steckte auch etwas von einem Hungergeist, einem
Wesen mit
neurotischem Verlangen und es steckte etwas vom gepeinigten
Höllenbewohner. Dem Hungergeist bietet ein Buddha aber als
Ausweg
Nahrung von der Art, die für ihn hilfreich ist, an, und den
Höllengeister bringt er Ambrosia, Göttertrank, um ihre Leiden
zu
lindern. Ich zog für mich den Schluss, dass ich erst Sandras
Schmerzen mit dem süßen Ambrosia und der Nahrung, die für
ihren
neurotischen Hungergeist nötig ist, versorgen muss, und das
Schwert
der transzendenten Weisheit nur seltener zu bemühen. Und in
der Tat
schwanden so allmählich ihre Widerstände.
So wurde im Laufe der Zeit klarer, dass es zwar einige Fortschritte gab, diese allerdings nicht so rasch umsetzbar waren, wir ich das erhofft hatte. Das 2-Jahres-Ziel war mithin illusorisch. Ich fragte mich, ob ich nun Rituale machen müsse, um das Amitabha zu erklären, entschied mich allerdings dafür, davon abzusehen, denn sich sagte mir, die Kräfte des Transzendenten würden sehen, was ich mach, würden wissen, warum ich es mache, und es schien mir absurd, ihnen das erklären zu müssen. Heute bin ich der Meinung, dass das falsch war. Ich schien diese Kräfte für allwissend zu halten – aber dann hätte es auch des früheren Rituals nicht bedurft. So versäumte ich es, Amitabha anzurufen und mein Handeln zu erklären.
Ich sah aber Fortschritte, Sandra war lange nicht mehr so besessen von den Dämonen, die auch ihre Mutter quälten. Im Mai 2006 kam sie zweimal von den mehrtägigen Aufenthalten bei ihrer Mutter zurück und sagte: „Diese Frau ist verrückt, sie ist wirklich verrückt!“ Ich freute mich: dies würde mir ermöglichen jetzt im Sommer während unseres Aufenthalts im Wohnmobil in Griechenland Schritte zur weiteren Lösung der familienneurotischen Bindungen durchzuführen.
Doch dazu kam es nicht mehr in der ersten vollen Juni-Woche des Jahres 2006, genau zwei Jahre nach meinem Pakt mit Amitabha, hatte Sandras Vater ein Unfall,. Er wurde daraufhin aus dem Pflegeheim zurückgeholt und sollte laut Ärzten nur noch wenige Wochen zu leben haben. Sandra aber wurde von ihrer Mutter zurückgerufen, sie kümmerte sich mit ihrer Mutter volle acht Jahre um ihren Vater und die familienneurotische Beziehung packte sie völlig. Binnen Wochen entglitt sie mir. Und nach einiger Zeit fiel mir auf, dass die entscheidende Weichenstellung auf die Woche genau zwei Jahre nach meinem Pakt mit Amitabha erfolgte. Amitabha hat mir meine Begrenzung aufgezeigt – und ich hatte versäumt dieser hilfreichen Kraft meine Motive, Wünsche, Bedenken zu erläutern und ihn um Unterstützung zu bitten. Dies war einer der ganz großen Fehler in meinem Leben.
Die Prinzessin mit den goldenen Stäben
Zurück
zu Der
verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum Wohl aller Wesen.
Zurück
zur Heimatseite