Wunder
- und Gott

erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2007-01-12


Einst weilte der Buddha in Nalanda. Dort kam ein Familienvater namens Kevaddha zu ihm und sagte: „Herr, dies ist eine große wohlhabende Stadt und Ihr habt bereits eine Menge Anhänger hier. Es wäre doch gut, wenn Ihr einen Eurer Mönche anwieset ein Wunder zu vollbringen, so dass noch mehr Bewohner Nalandas gewonnen werden könnten, und die Leute noch größeres Vertrauen in Euch gewönnen.“

Der Buddha antwortete: „Kevaddha, dies ist nicht die Art, wie ich meine Mönche auffordere, die Lehre zu verbreiten. Ich sage ihnen nicht, sie sollen hinausgehen und Wunder vollbringen um die Bevölkerung zu beeindrucken.“

Kevaddha aber wollte wirklich ein Wunder sehen und versuchte weiter den Buddha zu überzeugen, dass ein Mönch ein Wunder wirken möge. Der Buddha widersprach erneut und als Kevaddha seine Forderung ein drittes Mal vorgebracht hatte, sagte er:

„Hör zu, Kevaddha, es gibt drei Arten von Wunder, über die ich aus eigener Erfahrung sprechen kann. Da gibt es zunächst das Wunder der übernatürlichen Kräfte, durch die man vielfache Körper ausbilden kann, durch Wände oder über Wasser gehen und sogar in die Sphären der Götter vordringen kann. Die zweite Art von Wundern ist, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Und das dritte ist das Wunder der Lehre.

Wenn eine der ersten beiden Arten von Wunder nur deswegen ausgeübt wird, um die Leute zu beeindrucken, dann besteht keinerlei Unterschied zur Kunst eines Magiers, und damit ist es ohne jeden spirituellen Wert. Dergleichen billige Zauberei verachte ich, und damit will ich nichts zu tun haben.

Das Wunder der Lehre ereignet sich dann, wenn ein heiliger Mann den Menschen Führung darin anbietet, wie sie ihr Leben am besten organisieren sollen. Wenn ein Buddha in der Welt erscheint und durch sein unmittelbare Vision und das direkt erfahrene Wissen die Natur der Dinge erkennt, und wenn er dann den Pfad lehrt, sodass die Schüler, die dies anwenden, dieselbe Vision und dasselbe Wissen erlangen, das ist das einzig wahre Wunder.“

Dann erzählte der Buddha Kevaddha die Geschichte eines Mönchen, der in der Lage war Wunder, der ersten beiden Arten zu vollbringen, aber diese Kräfte halfen ihm am Ende nicht bei der Suche nach der Wahrheit:

Da gab es einst einen Mönch, der beschäftigte sich dauernd mit einer bohrenden Frage, zu der er eine Antwort suchte. Diese Frage war: ´Wo enden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft , so dass nichts von ihnen übrig ist?` Er versank in tiefe Meditation, und die göttlichen Sphären öffneten sich vor ihm. So gelangte der Mönch ins Reich der Vier Großen Könige. Da er glaubte, hier eine Antwort zu finden, stellte er den Göttern die Frage.

„Wir wissen es nicht“, antworteten die Götter, „aber sicher werden es die Vier Großen Könige wissen. Gehe hin und frage diese.“

Doch auch die Vier Großen Könige konnten ihm keine Antwort geben, und sie verwiesen ihn an die höheren Gottheiten des Tavitimsa-Himmels. Er begab sich empor in diese hohen Sphären, aber auch dort waren die Götter nicht in der Lage, ihm eine Antwort zu geben. Und so stieg der Mönch immer höher empor durch die große Anzahl himmlischer Sphären, bis er schließlich in den Brahma-Himmel gelangte, den Himmel der allerhöchsten Götter.

Auch dort stellte der Mönch seine Frage, und abermals wurde er enttäuscht. „Wir wissen die Antwort auf Deine Frage nicht“, sagten sie, „aber es gibt den Großen Brahma, jenes unübertroffen großartige Wesen, den allwissenden, allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde, Meister all dessen, was da existiert und was existieren kann, der viel größer ist als wir. Er wird sicher Deine Frage beantworten können.“

„Wo kann ich den Großen Brahma finden, Freunde?“

„Nun, zur Zeit ist er nicht da, und wir wissen auch nicht, wann der Große Brahma kommt oder geht, aber wir können dir sagen, wenn er unterwegs hierher ist, denn es gibt ein großes Leuchten, kurz bevor er erscheint.“

Der Mönch wartete also, schließlich erschien auch dieses wunderbare Licht, und dann kam der Große Brahma selbst. Der Mönch näherte sich dem Großen Gott und stellte seine Frage: „Wo enden die Vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft endgültig, sodass nichts von ihnen übrig ist.?“

„Ich bin der Große Brahma, jenes unübertroffen große Wesen, der allwissende und allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde und der Meister all dessen, was da existiert oder existieren kann.“

Verblüfft von dieser unerwarteten Antwort, aber keineswegs entmutigt, sagte der Mönch: "Mein Lieber, das war nicht ganz, wonach ich gefragt habe. Was ich wirklich wissen möchte ist, wo die Vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft endgültig enden, sodass nichts von ihnen übrig ist.“

Da antwortete Brahma abermals: „Ich bin der große Brahma, jenes unübertroffen große Wesen, der allwissende und allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde und der Meister all dessen, was da existiert oder existieren kann.“

„Aber Brahma, das ist doch nicht das, wonach ich dich gefragt habe!“ Und der Mönch stellte ihm seine Frage erneut. Nunmehr nahm Brahma ihm am Arm und ging mit ihm zur Seite: „Weist Du, die Götter hier glauben, dass ich allwissend sei, daher kann ich in ihrer Gegenwart nicht antworten. Aber im Vertrauen: ich habe keine Ahnung, wo diese Vier Elemente enden. Du tätest besser daran, zur Erde zurückzukehren und den Buddha zu fragen, aber pass genau auf, was er Dir sagt.“

Also begab sich der Mönch aus den himmlischen Sphären zurück und stellte seine Frage dem Buddha.

„Die Frage ist falsch gestellt“, antwortete der Buddha, „die richtige Frage lautet: `Wo finden Erde, Wasser, Feuer und Luft keine Grundlage mehr?` Und die Antwort darauf lautet: dort, wo das Bewusstsein ohne Merkmale, ohne Grenzen und erleuchtet ist.“

Kevaddha blieb zurück, um über diese Geschichte nachzudenken und belästigte den Buddha nicht mehr damit, dass seine Jünger Wunder wirken sollten. So wuchs sein Vertrauen in den Buddha und wurde immer mehr gefestigt und Kevaddha erlangte Einsicht, die ihn irreversibel auf den Pfad zur Erleuchtung brachte.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.