Der wunderschöne Mangohain
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2004-01-25


Es war die dreizehnte Regenzeit nach seiner Erleuchtung und der Buddha war mit seinem Gehilfen Meghiya, einem jungen Mönch, in Chalika. Eine Tages ging Meghiya in ein nahegelegenes Dorf auf Almosengang. Auf dem Rückweg schlenderte er am Ufer des Flusses Kimikala entlang, dort gelangte er zu einem wunderschön schattigen Mangohain, ein Wohlgeruch lag in der Luft, es war ein friedvoller und wirklich angenehmer Platz. „Dies“, sagte sich Meghiya, „ist der ideale Platz zum Meditieren, der perfekte Ort um zur Erleuchtung zu kommen.“ Er sah sich unter einem Baum sitzend eine freudvolle Meditation genießen.

Als er zum Buddha zurückkehrte, war er in einem Gefühl des Überschwanges und der freudigen Erregung. Meghiya erzälte dem Buddha von dem wunderschönen Mangohain, den er entdeckt hatte, und bat um seine Erlaubnis, dahin zurückzukehren und nach Erleuchtung zu streben.

„Du solltest warten“, sagte der Buddha, „ich bin hier allein. Warte bis andere Mönche kommen.“ Aber Meghiyas Herz hing an seinem Plan in den Mangohain zu gehen. Er war zu ungeduldig um die Bedenken des Buddha ernst zu nehmen. Daher fragte er den Buddha ein zweites Mal und dieser bat ihn abermals abzuwarten. Unbeugsam wandte er sich ein drittes Mal mit seiner Bitte an den Buddha, indem er sagte: „Herr, Ihr habt bereits alles erreicht, was erreicht werden muss, ich aber muss mich noch bemühen, das Ziel des spirituellen Lebens zu erreichen.“ Der Buddha sah, dass sein junger Schüler nicht mit Argumenten erreicht werden konnte und lenkte ein: „Nun gut, Meghiya. Wenn du wirklich so eifrig nach Erleuchtung streben willst, ist es wohl besser, wenn du gehst.“

Meghiya kehrte sofort zu dem wunderschönen Mangohain zurück, setzte sich an den Fuß eines Baumes und begann zu meditieren. Er war sicher, dass die Erleuchtung nicht mehr fern war, und erwartete nunmehr mühelos in die höheren Sphären der Meditation vordringen zu können. Diese Sphären erwiesen sich jedoch als höchst flüchtig, und schon bald fand sich Meghiya in Gedanken der Wollust, des Hasses und der Grausamkeit. Er bemühte sich wieder und wieder dagegen anzukämpfen und sich davon zu befreien, jedoch erfolglos. Von seinem Versagen enttäuscht setze er sich nieder und dachte über die Ironie des Schicksals nach, dass ihm dies jetzt widerfuhr, nachdem er alles Weltliche hinter sich gelassen habe, um sich dem spirituellen Pfad zu widmen. Er hatte sich dem einfachen Leben gewidmet, hatte diesen optimalen Ort gefunden, sich zur Meditation niedergesetzt und das alles nur um zu entdecken, dass sein Geist von solcherlei Gedanken erfüllt war!

Demütig kehrte er noch selbigen Abends zum Buddha zurück und erzählte ihm, was sich ereignet hatte. Der Buddha antwortete ihm freundlich aber fest: „Wenn der Geist noch unreif ist, Meghiya, gibt es fünf Hilfsmittel, ihn reifen zu lassen.

Ein Mönch, der einen guten Freund hat im heiligen Wandel, wird Ethik und angemessene Gespräche entwickeln und so Kraft aufbauen und schließlich Einsicht erlangen.“

Als Meghiya dem Buddha zuhörte, stiegen in ihm Demut auf und Einblick in seine frühere Arroganz und Naivität. Es wurde im klar, dass Erleuchtung ihm nicht in den Schoß fallen würde wie eine reife Frucht, während er in einem wunderschönen Mangohain saß, sondern dass er eine Menge harter Arbeit würde tun müssen. Es überkam ihn eine ungeheure Dankbarkeit, als er bemerkte, dass der erste entscheidende Schritt für ihn in greifbarer Nähe war, das erste und unabdingbare Hilfsmittel da war: ein spiritueller Freund und Lehrer, der zwei wunderbare  Eigenschaften hatte: Weisheit und Freundlichkeit.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.