Tante O´huahua kauft eine Lampe
Stand: 2000-10-16
Inzwischen ist über die Hälfte der Zeit seit der Geschichte von der Großen Mutter vergangen. Die O´huahuas haben noch immer ihre Höhle, meist wohnen sie jedoch in Holzhütten in der Nähe des Flusses, an dem Diana vor mehr als 5000 Jahren einen Luchs erlegt hatte.

Die Stelle ist gut geeignet für die Produktion von Töpfen aus Ton, denn dort, wo der Fluss eine Biegung macht, befindet sich eine Tongrube. Bereits seit mehr als 1000 Jahren produzieren die O´huahuas Tontöpfe, doch der Durchbruch kam es vor einigen Jahrzehnten: damals war es Kunda, dem Töpfer, gelungen mittels einer Glasur aus Salz und Ziegenblut und einer speziellen Brenntechnik Töpfe wasserdicht zu bekommen. Dies hatte den Vorteil, dass nun auch feuchte Dinge in Töpfen aufgehoben werden konnten, ja dass man sogar Wasser in Töpfen erhitzen konnte, wenn man glühende Steine hineinwarf. Dies hatte die Kochkunst revolutioniert. Inzwischen verstanden sich die beiden Köchinnen darauf, raffinierte Speisen zu bereiten, und wenn abends die Jäger heimkamen, gab es immer erlesene Gerichte.

Es gingen jetzt nur noch drei Männer und ein Junge zur Jagd, denn erstens brauchte man nicht mehr so viel Fleisch, weil der Speisezettel reichhaltiger geworden war, zweitens war die Jagd viel einfacher geworden, seit die Jäger auf dem Vollmondmarkt die neuen Eschenbogen mit doppelter Hirschsehne erstanden hatten. Die übrigen Männer und ein Teil der Frauen arbeiteten jetzt in der Töpferei. Frauen durften sich daran beteiligen seit Iris diese merkwürdige Idee hatte: mit Mustern und bunten Farben verzierte hohe Töpfe zu produzieren, die eigentlich ganz unnütz waren. Doch Iris hatte sie mit zum Vollmondmarkt genommen und schöne Frühlingsblumen hineingestellt. Sie nannte das neue Produkt "Vase" und die Frauen der anderen Sippen waren ganz wild darauf, auf dem Vollmondmarkt solche Vasen zu kaufen. So war dank der Töpferkunst Wohlstand bei den O´huahuas eingekehrt, dabei hatte alles so schlimm begonnen.

"Großmutter, erzähl doch noch mal die schreckliche Geschichte", bat Kikeriki die weißhaarige Frau. Diese strich dem kleinen über seinen feuerroten Haarschopf, der nicht zu bändigen war und wie der Kamm bei einem Hahn in die Luft stand, und setzte sich das Kind auf den Schoß.

"Als ich noch ein junges Mädchen war", begann die alte Frau und augenblicklich versammelten sich auch die anderen Kinder um sie, "gab es nur Töpfe, durch die das Wasser durchfloss. Es floss nicht schnell durch, aber es floss durch. Damals war Kaundaunda der Ziegenhirt. Er war etwas wunderlich, denn er hatte ein ganz schiefes Gesicht und konnte nicht sprechen. Und besonders wunderlich war er immer dann, wenn er von dem vergorenen schäumenden Traubensaft getrunken hatte, er tanzte dann um das Feuer und schlug auf eine kleine Trommel, das gab eine schöne Melodie. Wir Kinder und jungen Mädchen fanden ihn sehr lustig, aber Mutter sagte immer, ich sollte mich lieber von ihm fernhalten.

Eines Tages, die Jäger hatten schon tagelang kein Wildbret mehr erlegt, hieß der Häuptling ihn eine Ziege schlachten. Kaundaunda wollte erst nicht, doch als er in das wütende Gesicht des Häuptlings sah, wusste er, dass Widerstand zwecklos war. Er trank sich etwas Mut an mit dem vergorenen Traubensaft, dann nahm er einen der Töpfe, um das Blut der Ziege darin zu fangen und Blutwurst herzustellen. Am nächsten morgen fanden wir Kaundaunda sturzbesoffen neben dem Feuer und im feuer lag unser Salztopf, er war entzwei, das Salz war blutig. Es stellte sich heraus, dass der einfältige Ziegenhirt, den erstbesten Topf genommen hatte, um das Blut aufzufangen, und das war der, in dem das Salz war. Hinterher hat er dann das Blut gerührt und ist dabei, betrunken wie er war, um das Feuer getanzt. Das hatte ich noch gesehen. Irgendwann muss er dann wohl umgefallen sein, der Topf auf die Feuersteine, wo er zerbrach, und Kaundaunda selbst eingeschlafen.
Als dies die Frau des Häuptlings sah, nahm sie den Besen und jagte den Trunkenbold davon. Der nahm den kaputten Topf mit an den Fluss, um ihn auszuwaschen. Ich schlich mich an und sah ihm dabei zu. Bald war der Topf, der zwar oben kaputt aber insgesamt noch einigermaßen zu gebrauchen war, sauber, aber der Hirt war durstig und er schöpfte Wasser aus dem Fluss, um zu trinken, dann stellte er den noch halbvollen Topf ab und schlief erneut ein. Wie er so schlief und schnarchte dachte ich mir, es sei eigentlich ein sehr schöner Tag zum Schwimmen. Flugs zog ich mich aus und sprang ins Wasser. Ich muss eine lange Zeit geschwommen sein, denn als ich aus dem Wasser stieg, war die Sonne ganz oben am Mittel, es musste schon Mittag sein. Ich zog mich an und ging zu dem Hirten. Und was soll ich euch sagen: der Topf war noch immer halbvoll. Erstaunt nahm ich ihn hoch: kein bisschen Wasser außen am Topf oder unter dem Topf. Ein Wunder, dachte ich, und lief mit dem Topf nach Hause und erzählte, was ich gesehen hatte. ´Die spinnt!´, sagten manche und lachten mich aus.
Nur mein Vater war sehr interessiert. Ich musste ihm die ganze Geschichte dreimal erzählen, mit allen Einzelheiten. Dabei sah er immer wieder den Topf an, aus dem noch immer kein Wasser leckte. ´Da ist ein böser Dämon drin`, sagten manche, ´man sollte den Topf in der Mitte des Flusses versenken.`
Aber mein Vater hatte etwas anderes vor. Er besorgte sich Salz und begann zu experimentieren. Zwei Vollmonde später hatte er das richtige Zusammenspiel von Salz, Ton, Blut und Brennvorgang heraus. Und er begann die wasserundurchlässigen Töpfe zu produzieren.

Einmal kam ein Wanderer aus einem fernen Gebirge vorbei, der Feuersteine anbot, wir kauften ihm einige Feuersteine gegen zwei Töpfe ab und er machte sich auf den Weg. Da wussten wir noch nicht, dass das ein Fehler war. Denn zwei Tage später wurde der Wanderer überfallen, man fand bei ihm die wunderlichen Töpfe und ließ nicht von ihm ab, bevor er nicht verraten hatte, woher er sie hatte.

Drei Tage später begann der entsetzlichste Tag, den wir je erlebt hatten. Die Männer waren zur Jagd, da kamen schreckliche Gesellen an in wilder Kriegsbemalung, ihr Anführer mit feuerrotem Haar, sie waren bewaffnet und rissen sogleich die Töpfe an sich, der Häuptling und die beiden alten Männer, die auch hier waren, hatten keine Chance. Zwar kämpfte der Häuptling tapfer, doch die Angreifer waren in der Überzahl, sie töteten alle drei Männer, dann stürzten sie sich auf uns Frauen, der Ziegenhirt kam und wollte uns helfen, doch der Anführer mit den wilden roten Haaren durchbohrte  auch ihn, dann stürzte er sich auf mich."

"Dich hat er aber nicht umgebracht", sagte Kikeriki. "Nein, das nicht", antwortete die Großmutter und strich dem kleinen Kikeriki über seinen roten Haarbüchel, "das nicht."

"Und was hat ihr dann gemacht?" fragte Kmeschise, ein junges Mädchen mit großen verängstigten Augen. "Nun," antwortete die Großmutter ;" nachdem wir die Toten bestattet hatten und mein Onkel Wotan zum Häuptling gewählt worden war, diskutierte der Rat, was zu tun sei. Die einen sagten, die Töpferei sei schuld, ein Dämon habe die Töpferkunst erfunden und dem Trunkenbold Kaundaunda gebracht, um ihn in sein Totenreich zu holen, also müssten alle Töpfe vernichtet werden, und sicher hätte der Rat so entschieden, wenn nicht mein Vater sie noch hätte überzeugen können."

"Was hat er denn gesagt", fragte Kmeschise.

"Großer Häuptling, tapfere Männer, fleißige Frauen", begann er seine kurze Rede, "es ist bekannt, dass wir wasserundurchlässige Töpfe haben. Der Wanderer wird die Kunde in alle Welt tragen. Außerdem haben die Räuber die Töpfe auch und sie werden damit prahlen, wo immer sie hinkommen. Groß ist die Gier der Menschen, ihr habt es an den Räubern gesehen. Und es werden wieder welche kommen, um Töpfe zu holen. Was aber geschieht, wenn wir keine Töpfe haben? Sie werden wütend sein und ihre Wut an uns auslassen. Hass aber ist noch schlimmer als Gier, Hass tötet. Am schlimmsten aber ist verblendeter Hass, Hass der die Wirklichkeit nicht mehr wahrnimmt und nur noch zuschlägt, darum lasst uns Hass vermeiden, Verblendung gar nicht erst entstehen lassen und die Gier der andern klug nutzen."

"Deine Worte klingen weise", antwortete der junge Häuptling, "aber wie willst du Hass vermeiden, Verblendung gar nicht erst entstehen lassen und die Gier der andern klug nutzen?"

"Habt ihr," fragte mein Vater,  "jemals vom Mondmarkt gehört? Immer bei Vollmond findet der Mondmarkt statt, zwei Tagesreisen von hier. Bisher waren wir niemals dort, wir hatten ja alles was wir brauchen. Wenn wir dort die Töpfe anbieten, nutzen wir die Gier der anderen klug und können gar noch etwas eintauschen, was für uns nützlich ist. Da die Gier der anderen befriedigt wird, brauchen sie nicht aus Enttäuschung Hass gegen uns zu entwickeln."

"Das ist richtig", antwortete der Häuptling, "aber in vier Tagen ist Vollmond. Bis dahin haben wir keine Töpfe. Aber auf dem Vollmondmarkt wird viel getratscht, bestimmt wissen dann alle, dass wir die Töpferkunst perfektioniert haben, und weil wir niemals auf dem Vollmondmarkt waren, denken sie, dass wir auch weiter nicht kommen werden und genau wegen dieser falschen Annahme werden sie uns angreifen."

"Richtig, großer Häuptling," antwortete mein Vater, "genau diese Verblendung dürfen wir gar nicht erst entstehen lassen. Deshalb müssen welche von uns zum Vollmondmarkt und allen erzählen, was geschehen ist, und mitteilen, dass wir vom nächsten Monat an immer unsere Töpferwaren dort anbieten werden. Dann wird allen klar sein, dass sie nur zu warten brauchen. Uns tot zu schlagen bringt nichts: Tote töpfern nicht."

"Und warst du auch einmal auf dem Vollmondmarkt," fragte Kmeschise? "Ja", antwortete die Großmutter, "ich durfte schon beim allerersten Man dabei sein und war vielleicht 100 Mal insgesamt dort, aber das sind andere Geschichten. Du aber, Kmeschise, bist jetzt so alt wie ich damals, deshalb ist es an der Zeit, dass du den Markt kennenlernst. Nächste Woche ist Vollmondmarkt und deine Tante möchte eine neue Lampe kaufen, ihre ist zerbrochen, ich glaube du solltest sie begleiten."

Kmeschise war ganz aufgeregt. Tagelang packte sie zusammen, was sie mitnehmen wollte, fragte die älteren Frauen, was man denn so trägt auf dem Vollmondmarkt und probierte alle ihre Kleidungsstücke mindestens zweimal an. Sie änderte hier etwas und änderte da etwas, schnürte ihr Hirschlederkleid so eng es ging, dass es ihre jugendliche Figur betonte und wusch sich zweimal täglich das Haar mit Avoliare, einer Pflanze, die Haare weich, geschmeidig und glänzend werden lässt.

Endlich war der Tag des Abmarsches gekommen. Schon früh am morgen hatten Vendinstan, der Töpfer, und Korte, der Jäger, die drei Esel bepackt. Tante O´huahua und Kmeschise brachten ihr Gepäck (die Tante einen, Kmeschise drei Bündel mit Kleidung und anderen Utensilien), dann ging der Marsch los. Vorne der Jäger, dann die Esel, hinten der Töpfer, die beiden Frauen mal bei dem einen, mal bei dem anderen, am liebsten war Kmeschise aber bei den Eseln, die fand sie so klug.

Man hatte eine Strategie ausgehandelt, wie man auf dem Vollmondmarkt vorgehen wollte: die beiden Männer bauen den Stand mit den Töpfen auf und tauschen, was immer ihnen gut erscheint. Die Frauen bringen erst die Esel auf die Weide und verhandeln dann mit dem Lampenverkäufer, welcher Topf denn wohl angemessen sei im Tausch gegen die Lampe, oder ob er lieber eine Vase möchte.

Am Abend des zweiten Tages kamen sie auf dem Vollmondmarkt an. Viele Händler schlugen ihr Nachtlager auf, suchten Weideflächen für Ihre Esel oder Pferde und Kmeschise war ganz verwirrt, hatte sie doch noch nie so viele Leute auf einem Platz gesehen. Am nächsten Tag stand sie mit dem ersten Sonnenstrahl auf, ging zum Fluss, um sich zu waschen, und zog ihr Hirschlederkleid eng geschnürt an, sie befestigte einen kleinen Blumenkranz in ihrem Haar und zog sich die guten Rehlederschuhe mit Eichelhäherfedern an. Außerdem trug sie den ledernen Armschmuck und eine Muschelkette. Als sie zurück am Lager war, stand auch Tante O´huahua auf. Inzwischen hatte Kmeschise eine schöne bunte Vase, einen Kochtopf und eine Henkelkanne aus dem Angebot ihres Standes genommen. Tante O´huahua hingegen war schlecht gelaunt: nur ein einziger Lampenhändler, war da, noch dazu einer, den sie nicht kannte, ein junger Mann aus den Bergen hinter den Bergen.

Sie gingen gemeinsam zu dem Lampenhändler und sahen sich um. Zwei Lampen fand Tante O´huahua besonders geeignet, eine Henkellampe zum Tragen oder Abstellen mit lang nach vorne gezogenem Docht und großem Ölbehälter und eine Hängelampe. die man sowohl aufhängen konnte als auch tragen, sie hatte einen einmaligen Vorteil: sie konnte wahlweise mit einem oder zwei Dochten betrieben werden. Im Zweidochtbetrieb erhellte sie Räume wesentlich besser, so dass man sogar exakte Handarbeiten bei Licht durchführen konnte, andererseits war dann der Ölverbrauch doppelt so hoch. "Mein bestes Stück", sagte der junge Lampenverkäufer, "ein ausländisches Modell, dafür müsst ihr mir schon ein besonderes Angebot machen."

Doch als Kmeschise ihre drei Gefäße vorzeigte lachte der freche Kerl nur laut auf: "Selbst wenn du mir alle drei zusammen anbietest, würde ich dir nicht die schäbigste Lampe dafür geben, Töpfe brauche ich nicht, habe ich schon, und das Ding, das du Vase nennst ist das Albernste und Überflüssigste, was ich je gesehen habe." Kmeschise war ebenso enttäuscht wie entrüstet und wollte schon gehen, aber Tante O´huahua hatte es nicht so eilig. "Was brauchst du denn", fragte sie ihn. "Die zweidochtige Lampe gebe ich nur gegen einen tochastischen Ledersattel her, die andere kannst du meinetwegen für ein paar feste Bergstiefel haben."

Das war hart. Feste Bergstiefel waren teuer und von diesem merkwürdigen Sattel hatte sie noch nie gehört. Also erkundigte sie sich bei anderen Leuten mit Pferden. Sättel, erfuhr sie, gab es bei den Volksstämmen im Süden, die würden das Reiten vereinfachen, aber von einem tochastischen Ledersattel hatte absolut noch niemand gehört. Also wird es wohl nichts mit der zweidochtigen Superlampe, sagte sich Tante O´huahua, aber die andere Lampe ist ja auch nicht schlecht, also suchte sie jetzt Bergstiefel. Es gab zwei Händler, die mit Schuhen handelten, an dem einen jedoch gab es nur leichtes Schuhwerk, vor allem für Frauen. Kmeschise wollte sich hier noch umsehen, aber Tante O´huahua sagte, dafür sei noch Zeit, wenn die Lampe gekauft sein. Also zum anderen Schuhhändler. Den kannte Tante O´huahua schon, sie hatte bei ihm vor zwei Monden eingekauft und insgesamt mit drei Töpfen und zwei Vasen gezahlt. Sie erfuhr, er habe bei seiner Sippe Ärger bekommen, was er denn mit so viel Töpferwerk wolle, daher habe er diesmal wieder einen Topf und eine Vase mitgebracht, um sie weiter zu tauschen, nein, für weitere Töpfe hätte er leider keinerlei Verwendung.

"Und was willst du für die Bergstiefel?" fragte Kmeschise. Das sei sein bestes Schuhwerk antwortete der Schuster, ein Meisterwerk. Würde er selber wandern, würde er sie selbst anziehen, aber so. Naja, eine Perlenkette und ein junges Schwein, nicht all zu klein, müsste er schon dafür bekommen. Die Sache mit dem Schwein ließ sich gut an. Sie erhielten ein ganz passables Schwein für einen verzierten Henkeltopf. Damit war der erste Tag des dreitägigen Vollmondmarktes vorbei. Am Abend saßen die Händler zusammen, aßen, tranken und feierten die Geschäftsabschlüsse. Kmeschise sah keinen Grund zum Feiern, zumal die Tante ihr eröffnet hatte, dass sie sich vorläufig vor allem um das Schwein zu kümmern habe. Sie stand abseits und sah das Schwein wütend an. Blödes Schwein! Keiner will ein Schwein, außer dem blöden Schuhhändler. Und jetzt steht sie hier mit einem Schwein herum, anstatt sich mit den anderen jungen Frauen aus anderen Sippen zu unterhalten, und das in ihren besten Kleidern. "Na, ihr beiden Süßen," hörte sie und spürte einen Klaps auf ihrem Hintern. Wütend drehte sie sich um. Natürlich dieser unverschämte Lampenhändler, was fiel dem überhaupt ein, dachte sie und wollte ihm eine Ohrfeige geben, er aber wich geschwind aus. "Wenn du so wütend bist, siehst du noch süßer aus als dein Schweinderl", sagte er und ging lachend von dannen auf eine Gruppe junger Frauen zu. Kmeschise war wütend. Sie wusste nicht, auf wen sie am meisten wütend war. Auf den frechen Kerl, was der sich einfach herausnahm, auf die Tante, die sie hier mit einem Schwein stehen ließ, oder auf den blöden Schuhhändler, der schließlich schuld war, dass sie nun ein Schwein hatte. Am meisten, so kam es ihr vor, war sie auf sich selbst wütend, weil sie dort so blöd rumstand und weil sie es eigentlich gar nicht als unangenehm empfand, als sie den Klaps bekam - aber trotzdem!

Den nächsten Vormittag verbrachte Kmeschise damit, das störrische Schwein auf die Weide zu bringen und irgendwie anzubinden. Zwar hatte sie sich extra ein etwas einfacheres Kleid angezogen, aber schließlich hatte sie nur ihre besten Sachen mitgebracht. Bis sie das Schwein endlich dort hatte, wo sie wollte, war ihr kurzes Rehkleid ebenso verdreckt wie ihre Beine. Sie ging in den Fluss um zu baden und dabei gleich ihr Rehkleid zu reinigen so gut es ging. Der Schmutz ging raus, aber der Schweinegeruch haftete immer noch an dem Kleid an, das ihren Körper jetzt, wo es nass war, ganz eng umspannte. Nass wie sie war, ging sie zum Lager um sich umzuziehen. Und ausgerechnet dieser Mensch begegnete ihr jetzt wieder! "Na heute ohne vierbeinigen Begleiter, knackige Schönheit?" Schell bückte sie sich, nahm etwas Lehm und warf nach ihm. Natürlich traf sie nicht. Statt sich zu ärgern, lachte er nur und ging pfeifend zu seinem Stand. Kmeschise aber hatte wieder schmutzige Hände - alles war so ungerecht. Nachdem sie sich so gut es ging gesäubert und umgezogen hatte, ging sie wieder zur Tante. Diese verhandelte mit dem Schmuckhändler. Nein Perlenketten hätte er keine, nur Korallenketten oder Perlenarmbänder. Also zurück zum Schuhhändler. Nein, ein Armband habe seine Frau schon, es müsse eine Kette sein. Eine Korallenkette sei aber nicht so gut, wie eine Perlenkette, dann müsse sie schon noch einen Jagdbogen dazu geben, einen von den neuen aus Eschenholz mit doppellagiger Hirschsehne und Pfeilen mit Eichelhäherfedern. Also zum Bogenhändler. Nein, zweilagige Hirschsehnen habe er nicht mehr da, jedenfalls nicht bei Eschenbogen, bei Pinien ja, aber nicht bei Esche. Den restlichen Tag verbrachten Kmeschise und  Tante O´huahua mit Pendelverkehr zwischen den beiden Waffenhändlern und dem Schuster und entsprechenden Verhandlungen. Am Abend wollte Kmeschise nur noch in ihr Nachtlager, sie wusste gar nicht, dass Marktwirtschaft so anstrengend war.

Im Laufe des nächsten Vormittags hatten sie den Eschenbogen bekommen (allerdings nur mit einlagiger Sehne, weshalb der Schuhhändler noch einen Köcher dazu wollte, möglichst aus Büffelleder. Sie erhielten den Köcher auch gegen zwei Rinderblasen Sonnenblumenöl, die sie gegen die Ziege eingetauscht hatten, welche sie für zwei Vasen bekommen hatten. Nun fehlten also nur noch die Pfeile mit Eichelhäherfedern. Der Pfeilverkäufer wollte dafür ein Hirschlederkleid. Tante O´huahua verhandelte nun mit
Kmeschise über die Herausgabe ihres Hirschlederkleides, wozu die aber keine Lust hatte, der Hirschlederkleidverkäufer hatte leider kein Interesse an Töpferwaren. Der Handel ging angestrengt weiter, bald würde der Markt schließen, die Sonne sank immer weiter. Kmeschise war inzwischen alles egal. Um nicht auf ewig von der Tante Vorwürfe zu bekommen willigte sie ein, das Kleid zu tauschen. Jetzt hatten sie endlich alles, was sie brauchten, um die Lederstiefel zu bekommen, die sie für die Lampe brauchten. Strahlend gingen sie zum Schuster. "Die Lederstiefel," das tut mir aber leid, "die habe ich soeben an Knut, den jungen Lampenhändler, verkauft." Tante O´huahua war einer Ohnmacht nahe, Kmeschise rannte weg, um sich auszuheulen: ihr Lieblingskleid weg, wegen nichts und wieder nichts, das einzige was sie haben ist ein dreckiges Schwein!

Sie legte sich auf ihr Lager und heulte und heulte und heulte. Von ferne hörte sie die Abschiedsfeier der anderen.

"Kmeschise", sagte Tante O´huahua, "als sie wiederkam, komm doch noch mit auf die Abschiedsfeier." "Was sollten wir denn feiern", fragte Kmeschise, "vielleicht das Schwein?" "Das auch," sagte die Tante, "das habe ich heute morgen schon abgeklärt, es wird gerade gebraten und wird bald gar sein, aber ich meine eigentlich das da." Und Tante O´huahua zeigte Kmeschise die Lampe. Das konnte doch nicht wahr sein. Es war die einzigartiger zweidochtige Lampe. "Woher hast du den tochastischen Sattel denn?" fragte Kmeschise.

"Einen Sattel brauchte ich nicht, ich habe nur meine Vermittlung angeboten," sagte Tante O´huahua, "ich geh´ schon mal vor, komm du einfach dem Schweinebratenduft nach." Ungläubig kleidete sich Kmeschise an: da stand tatsächlich die Wunderlampe.

Am großem Lagefeuer saß Tante O´huahua. Kmeschise setzte sich daneben und sah die Tante fragend an. Da ausgerechnet kam dieser Lampenhändler Knut wieder, mit einem Bündel über dem Arm. Frech setzte er sich auf die andere Seite der Tante. "Ja", sagte Tante O´huahua, "meine Vermittlung ist folgendes: ich soll ein gutes Wort einlegen und beim deinem Vater um deine Hand anhalten." "Doch nicht etwa für den da?" fragte das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen. Knut stand auf und entrollte das Bündel, es war Kmeschises Hirschkleid. "Das stand dir so gut, das muss unbedingt bei dir bleiben, und damit wird es noch besser sein," sagte Knut und legte Kmeschise das Perlenarmband um. "Tja", sagte die Tante, "und von mir kriegst du diese Korallenkette, ich brauche sie ja jetzt nicht mehr zum Tausch." Plötzlich war Kmeschise Knut fast gar nicht mehr böse.

Kuss

Schluss



Trotz des Happy End zeigt die Geschichte doch die Probleme der Tauschwirtschaft Ware gegen Ware.

Daneben wird deutlich, wie die Warengesellschaft das Leben der O´huahuas verändert hat. Verlangen nach zuvor unbekannten Gütern ist eingezogen. In einem Fall hat die übersteigerte Gier sogar zu einem Raubkrieg geführt. Die Sippe produziert inzwischen nicht mehr für den Eigengebrauch, sondern für den Markt. Das beginnt auch die Besitzverhältnisse innerhalb der Sippe zu verändern. Tante O´huahua will eine Lampe für sich kaufen nicht für die Sippe. Statt der gemeinsamen Höhle wird in einzelnen Hütten gewohnt. Es beginnt sich Privateigentum zu entwickeln: das Perlenarmband und die Korallenkette sind ganz selbstverständlich Eigentum einer Person geworden. Manche handeln gar als einzelne, nicht mehr als Gruppenmitglieder, der Wanderer z.B., auch über Knuts Gruppenzugehörigkeit erfahren wir nichts.

Überlegt bitte jetzt, was die Arbeitsteilung innerhalb der Sippe (manche Leute produzieren Töpfe für den Markt, andere tauschen diese dort und erwerben Privateigentum) für die Beziehungen der Gruppenmitglieder innerhalb der Sippe der O´huahuas bedeutet.



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