Der Hochmütigste
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2007-01-12


In Savatthi lebte damals ein Brahmane, der von allen „der Hochmütigste“ genannt wurde, weil er immer derart von sich selbst und von seiner Wichtigkeit überzeugt  war, dass er auf alle anderen herabblickte. Er weigerte sich sogar seiner Mutter den obligatorischen Respekt zu zollen, eben so dem Vater, dem Lehrer und dem älteren Bruder, statt dessen verlangte er Respekt von diesen.

Eines Tages lehrte der Buddha in Savatthi und war von einer großen Menschenmenge umgeben. Der Hochmütigste machte gerade einen Spaziergang. Er sah diese Leute vor sich und dachte: "Da ist der berühmte Wanderer Gotama und lehrt vor einer großen Menge. Ich werde hingehen und mich in seine Nähe setzen. Wenn er mich anspricht, dann werde ich ihm frohen Herzens erwidern, aber wenn er mich nicht anredet, werde ich mit Sicherheit kein Wort an ihn verschwenden."

Der Hochmütigste bahnte sich seinen Weg durch die Menge und setzte sich in der Nähe des Buddha nieder, aber dieser nahm keinerlei Notiz von ihm und fuhr mit seiner Lehrrede fort. Der Hochmütigste wartete zunächst ruhig, so wie er sich das vorgenommen hatte, aber allmählich langweilte es ihn, dass er ignoriert wurde. „Dieser Wanderer Gotama hat ja von nichts eine Ahnung, wenn er einen wie mich ignoriert“, dachte er und beschloss zu gehen.

Der Buddha allerdings bemerkte sehr wohl, was im Geist des Hochmütigsten vor sich ging, und gerade als dieser im Begriff war zu gehen, sah er ihn an. Er sprach den Hochmütigsten direkt an, mit fester aber freundlicher Stimme: "Es ist nicht gut, wenn man seinen Stolz pflegt, mein Freund. Sollte es hier jemanden geben, den Du aufsuchen wolltest, wäre es angebrachter, ihm Respekt zu erweisen.“

Der Hochmütigste sah, dass der Buddha seine Gedanken gelesen hatte. Der Schock dieser wenigen Worte erschütterten seine zerbrechliche Selbstgefälligkeit. Er warf sich vor dem Buddha nieder, küsste seine Füße und gab seine Identität preis: „Ich bin der Hochmütigste, Herr Gotama, ich bin der Hochmütigste.“

Die Menge war aufs Äußerste überrascht. Die Leute konnten nicht glauben, was sich da vor ihren Augen abspielte. „Das ist doch der Hochmütigste, der noch nie jemanden Respekt gezollt hat, nicht einmal Mutter, Vater, dem Lehrer oder dem älteren Bruder. Schaut ihn euch jetzt an. Seht nur, wie er sich vor dem Buddha niederwirft und erniedrigt.“

Der Buddha sagte: „Das ist genug, Brahmane, das reicht jetzt. Stehe auf und nimm hier an meiner Seite Platz.“ Der Hochmütigste tat, wie ihm gesagt wurde, und setzte sich nieder - ein sichtlich völlig veränderter Mann. Etwas später, als er sich wieder gefasst hatte und kurz über das reflektiert hatte, was da eben vor sich gegangen war, wandte er sich an den Buddha. Als er sprach, gestand er die Dummheit seines früheren Verhaltens, und dass er jetzt klar sehen könnte, wie richtig es ist, Respekt zu zeigen vor Eltern, Lehrern, dem älteren Bruder und mehr noch, wie wichtig es sei, dem Erleuchteten mit Respekt und Verehrung zu begegnen.

Er bat dann den Buddha, ihn als seinen Laienanhänger zu akzeptieren – von diesem Tag an und für den Rest seines Lebens.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.