Aufruf des INEB
Für eine buddhistische Kultur der Gewaltlosigkeit und der Be-wahrung der Menschenrechte
Im Herbst 1998 feiern die Vereinten Nationen den 50. Jahrestag der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte". Das Internationale Netzwerk Engagierter Buddhisten (INEB) möchte zu diesem Anlass jeden dazu einzuladen, sich für eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Menschenrechte und deren globale Verwirklichung einzusetzen.

Buddhismus und Menschenrechte

Die Idee menschlicher Rechte leitet sich ab von ethischen Prinzipien. Zwischen der buddhisti-schen Ethik und der aktuellen Menschenrechtsdiskussion existiert eine große Übereinstim-mung. Das gilt vor allem für die gemeinsame Haltung zu Fragen der Verantwortung und der Untrennbarkeit gegenseitiger Abhängigkeit. Die buddhistische Idee der Nichtdualität führt zu einer Ethik der gegenseitigen Verantwortung, genannt Bodhicitta - was S. H. der Dalai Lama 'Universale Verantwortung' nennt. Im Theravada-Buddhismus gibt es den Begriff Sammasankappa oder Rechtes Denken, wel-ches zu Bodhi, zum Erwachen führt. Dieser Grundsatz ist im alltäglichen Sprachgebrauch ausgedrückt durch die Lehren von Achtsamkeit, Gewaltlosigkeit, Mitgefühl und Verant-wortung. Für Mönche und Nonnen ist die Lehre niedergelegt in den Regeln des Vinaya, für die Laien im Sigalovada Sutta und für die Regierenden im Dasarajadhamma Sutta.

Alle Menschen sind nach der Lehre des Budd-hismus gleich und alle haben das Potential, durch eigenen Willen und eigene Anstrengung die Wahrheit zu verwirklichen und anderen bei der Verwirklichung zu helfen. Im Buddhismus stehen jedem Menschen die gleichen unteilba-ren Rechte und die gleiche innere Würde zu. Die Lehre Buddhas betont, dass alle Menschen mit Vernunft und Gewissen ausgestattet sind. Sie betont auch die universale Geschwister-schaft. Es sind die "drei Gifte" von Gier, Hass und Unwissenheit, die für die Gewalt in dieser Welt verantwortlich sind. Eine Veränderung kann nur dann geschehen, wenn wir Menschen die Ursachen tief in uns erkennen und uns nicht mehr von ihnen beherrschen lassen.

Für die von Buddha einst vorgefundene Gesell-schaft wurden die von ihm formulierten ethischen Grundsätze (Silas) als ausreichend betrachtet. Deshalb wurde es als nicht notwendig erachtet, entsprechende Rechte zu formulieren. In den modernen, differenzierten Gesellschaf-ten, in denen die Erfüllung von Verantwortung nicht durch die unmittelbare Gemeinschaft garantiert wird, sind diese Leitsätze oder hilfreichen Mittel (Upaya) durch entsprechende Rechte ergänzt worden. Diese werden von den Staaten und internationalen Organisationen spezifiziert und geschützt. In weiten Teilen legitimieren sich diese Einrichtungen durch ihre Förderung und Verteidigung der Men-schenrechte. Ein Staat, der nicht dafür sorgt, dass seine Bewohner in den Genuss der Men-schenrechte kommen, verliert seinen Anspruch auf Legitimität.

Der Buddhismus wird für gewöhnlich als die toleranteste aller religiösen Traditionen angesehen. Buddhistische Länder wie Sri Lanka, Burma und Kambodscha gehören jedoch zu den Staaten mit der größten religiösen und ethnischen Intoleranz. Sie wird dort von Menschen unterstützt und geschürt, die sich Budd-histen nennen. An anderen Orten sind es umgekehrt vor allem die Buddhisten, die vom Staat verfolgt werden, weil er deren Einfluss auf die Bevölkerung ablehnt. In Burma, Bangladesch, Tibet und Vietnam z. B. werden Tausende von Buddhisten (insbesondere Mönche und Nonnen) verfolgt. Zahlreiche Fälle von Folterungen und Hinrichtungen sind dokumentiert. In Tibet sind heute die meisten Klöster zerstört.

Die Auffassung, dass Rechte eine Erfindung des Westens seien, ignoriert die Verflechtung von Rechten mit Pflichten und ethischen Nor-men. Die Grundwerte aller Gesellschaften sind die gleichen. Alle ethischen Systeme fordern die Menschen auf, sich gegenseitig zu respek-tieren, und lehnen Töten, Gewalt usw. ab. Rechte sind als Mittel dazu geschaffen, die Verwirklichung dieser Grundwerte zu unterstützen.

Die Menschenrechtsdiskussion ist in den letz-ten 50 Jahren vorangeschritten und hat die meist individualistischen Prinzipien der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte", die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 angenommen und proklamiert wurde, erweitert und bereichert. Zum Beispiel kann die Dialektik von Universalität und kulturellem Relativismus sowohl als kreativer Prozess, wie auch als Ursache zahlreicher Konflikte betrachtet werden. Die Bemühungen seit 1982 um die Rechte der indigenen Völker (Gruppenrechte) ist ein weiterer wichtiger Fortschritt. Die kulturelle, soziale und politische Entwicklung einer Nation ist ein dynamischer Prozess. Ein Prozess sollte sich jedoch nicht nur an den eigenen Wurzeln und Traditionen orientieren, sondern auch innovative neue Ideen aufnehmen. Kulturelle Vielfalt ist ein Faktor, der die moderne Idee der Menschenrechte eher bereichert, als dass er die universale Anerkennung und Befolgung der Menschenrechte verhindert.

Buddhistische Verpflichtung für die Menschenrechte

S. H. der Dalai Lama äußerte einmal: "Ich glaube fest daran, dass jeder Einzelne die Gesellschaft verändern kann. Zeiten des grundlegenden Wandels wie die gegenwärtige sind eher rar in der Menschheitsgeschichte. Deshalb liegt es an jedem von uns, unsere Zeit dafür einzusetzen, um die Welt ein wenig glücklicher zu machen."

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