Öko-Abenteuer heute

von Santikaro Bhikkhu


Während unserer Diskussion, während der abendlichen Teezeit, kurz vor der Dämmerung, teilte uns einer der hier untergebrachten Thai-Mönche mit, daß ein LKW außerhalb unseres Tores parkte und das Geräusch von splitterndem Holz vom Hügel her zu hören sei, dort wo der seltene Jand-Pah wächst. Also gingen er, ich und ein anderer Mönch nachsehen. Ich hörte die Geräusche auch. Auf Verdacht rief ich: "Die Polizei ist da, die Polizei ist da!" Sofort erstarben die Geräusche.

Als ich über die spitzen Felsen an der Seite des Hügels kletterte, traf ich auf ei-nen jungen Mann, gefolgt von fünf oder sechs Kindern von vielleicht 12 bis 14 Jahren. Er trug eine große Machete in der einen Hand und eine Handvoll Allerweltsblumen in der anderen.

"Zeig her, was Du da hast," rief ich ihn an. Er händigte mir einen Strauß aus und enteilte zum LKW. Jedes der Kinder über-gab mir noch einige Pflanzen und ver-schwand auch. Ich folgte ihnen zum LKW, wo die beiden anderen Mönche warteten.

"Was wollt ihr damit," fragte ich.

"Die Pflanzen sind hübsch," erwiderte der Anführer.

"Ihr habt doch nicht irgendwelche Bäume gefällt?"

"Aber nein, nur das da." Da man diese Blumen mit blanker Hand aus dem Boden ziehen kann, fragte ich mich schon, wofür die Machete sein sollte. Ich gab die Blu-men zurück und erklärte, daß wir verschiedentlich ungebetene Besucher hatten, sogar Polizisten, die gekommen waren, den Jand-Pah zu fällen. Da dieser seltene Baum allmählich vom Hügel verschwindet, versuchen wir ihn zu schützen.

"Bitte fällt hier keine Bäume!"

"Aber nein," antwortete er und fuhr weg. Der LKW war blau und trug die Auf-schrift "Schulbehörde". Dann stiegen wir hoch, um nachzusehen, was sie wirklich gemacht hatten. Auf dem spitzen Kalk-stein-Fels, auf dem der Jand-Pah wächst, fanden wir acht frisch abgeschnittene Jand-Pah-Wurzeln. Man konnte auch die Trümmer früherer Attacken erkennen. Zwei kleine Jand-Pah-Bäume waren geblieben, aber die meisten der stärkeren Wurzeln (etwa armdick), die über den Felsen hin-gen, waren abgehackt. Wir sind nicht sicher, ob die kleineren Wurzeln (daumen-dick), die verblieben sind, die Bäume erhal-ten werden; sie wirken kränkelnd. Und falls auch die kleinen Wurzeln kommerziellen Wert haben, kann man die Bäume verloren geben.

Wir trugen die Wurzelstücke zurück zu unserer Wohnung. Morgen werden wir die Polizei informieren, aber ich zweifle, ob die irgend etwas unternehmen. Unser Dorfpo-lizist, der ein Freund von mir ist, sagt, daß die Dörfler den Jand-Pah Zuhause an-pflanzen. Ich glaube, er hat auch Angst. Denn er weiß genau wie wir, daß ein arm-dickes Stück Jand-Pah in Bangkok ungefähr 10.000 Baht (ca. DM 500,--) bringt. Es wird für Ornamentzwecke in teuren Hotels und vornehmen Häusern verwendet. Es steht außerdem auf der Artenschutzliste, aber das heißt in diesem Land nicht viel. Wenn unser Polizist die falschen Leute in ihrem Geschäft stört, sind er uns seine Familie in Gefahr. Dieser Dorfpolizist ist ein netter Kerl, aber so sind nicht alle.
Wir haben also jemanden bei einem Geschäft von 80.000 Baht gestört. Als er wegfuhr hatte er Angst. Wenn die Angst verraucht ist, wird er vielleicht wütend. Wenn er nur der Handlanger eines ande-ren war, ist jetzt vielleicht ein Mächtiger sehr wütend auf uns. Und (der Landkreis) Chaiya ist nicht bekannt für die Herrschaft des Gesetzes - obwohl es ein großes Gerichtsgebäude gibt, direkt gegenüber der Polizeidienststelle.

Eigentlich sympathisiere ich mit den kleinen Kerlen, die oftmals die Dreckarbeit machen, während jemand anderes groß absahnt, denn so geht es üblicherweise vor sich, wenn die Bäume geschnitten werden. Wo doch die Behördenleiter selbst und die Politiker sich gierig bereicherten und aus dem ökologischen Trog fraßen, wie können wir erwarten, daß die kleinen Leute nicht auch etwas abhaben wollen. Ich wünschte wir könnten ihnen einen klei-nen Anteil lassen, aber das wäre das end-gültige Aus für die Wälder. Andererseits, wenn es uns gelänge, die einfachen Leute auf die Seite der Wälder zu ziehen, wie es ja vielerorts geschieht, dann könnten die großen Übeltäter vielleicht gestoppt werden. Aber unser Abt erlaubt uns nicht, das zu versuchen. Sicher hat er Angst.

Und noch eine andere Anmerkung zur Korruption, die das Herz einer ehemals buddhistischen Kultur anrührt. Mit einer modernen Erziehung, die die Geister tötet, und mit einem Kapitalismus, der die Tu-gend tötet, was bleibt dann, um die Wälder zu schützen, die Kultur, die Leute? Nicht mehr viel. Wir sind in einer schlechten Verfassung. Einige wenigen Wunden an meinen Füßen (vom Klettern auf dem Kalkfel-sen, DM) bleiben und die Möglichkeit, daß mir der Kopf eingeschlagen wird von einem wütenden Wilderer. Nicht viel im Vergleich zu dem, was Phra Prachak (vgl. Buddha-NetzInfo Nr.1) und seine Gefährten erdulden mußten. Und nicht viel im Vergleich zu den Feuern in Indonesien. Aber ein kleines bißchen Risiko müssen wir schon tragen für einen lebendigen Planeten, ein bißchen Unbequemlichkeit für die Natur und ein bißchen Bemühung für den Dhamma.


Update zu unserem Öko-Abenteuer:

Wir fanden heraus, daß der Mann, der die schmutzige Arbeit machte, Lehrer an einer örtlichen Schule ist, die Kinder sind seine Schüler. Er erklärte, er hätte den Jand-Pah nur pflanzen wollen, um die Schule zu verschönern. Vielleicht weniger schlimm, als einfach den Stoff verkaufen zu wollen, aber immer noch egoistisch. Warum diese Zerstörung? Warum nicht nur ein oder zwei nehmen und davon Setzlinge ziehen? Ach ja, das hätte ja Denken vorausgesetzt und Arbeit bedeutet.

Und noch ein interessanter Aspekt der Preisbildung des Jand-Pah. Vielleicht ist es ja weniger die Schönheit, vielmehr ist der Jand-Pah schwierig zu finden - oder jeden-falls glaubt man das, denn er wächst auf Klippen. Dies macht die Sache mystischer und mehr macho-mäßig. (...)

Schließlich ist noch anzumerken, daß ich den Abt gebeten habe, eine Konferenz mit den Mönchen abzuhalten, die gewöhnlich auf den örtlichen Beerdigungen und bei anderen Gelegenheiten reden. Ich hoffe, wir können in deren Reden Hinweise auf die Waldproblematik und andere ökologische Belange einflechten. Für mich gibt es eine ganz klare Verbindung zwischen der Vergänglichkeit des Menschen und der eines Ökosystems, von dem wir letztend-lich abhängen.
 



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