Kenneth Kraft:

The Wheel of Engaged Buddhism

Zum ersten Mal erscheint im BuddhaNetz-Info eine Buchbesprechung - und dann auch noch eines Buches in englischer Sprache. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Kritik dieses Bändchens durchaus hierher gehört, nicht nur, weil das Thema genau das Thema des BNI ist, nämlich der engagierte Buddhismus. Auch der Ansatz ist zumindest im Westen ungewöhnlich: es wird ein bildnerischer Ansatz gewählt. Zwar hat die bildnerische Darstellung im Buddhis-mus eine große Tradition, gerade in Mandalas und Rädern, denken wir nur an das Rad der Lehre oder das Lebensrad. Eine solche Darstel-lung eines zeitgenössischen Themas, eben des engagierten Buddhismus und nicht dazu aus westlicher Sicht, sollte schon eines Augenmer-kes wert sein.
Kenneth Kraft und sein Illustrator J. C. Brown stellen das Rad des engagierten Buddhismus - es ziert das Titelbild dieses BNI - als Zusam-menwirken von zehn Pfaden zusammen. Im Zentrum des Rades, als Radnabe steht der sich öffnende Lotus (siehe Abbildung oben). Er stellt gewissermaßen die Grundentscheidung des engagierten Buddhisten: das Sich-in-die-Welt-begeben dar. Nicht der zurückgezogene in der Einsamkeit lebende Mönch ist Träger des Gedankens des engagierten Buddhismus, son-dern die Person, die sich bewusst handelnd in die Welt begibt.

Was diese Person in der Welt nun im einzelnen tut, wird in drei Ringen um die Radnabe herum dargestellt. Der innere Ring steht ganz stark  in der buddhistischen Tradition, er stellt gewis-sermaßen die Grundlage, das Fundament, die Basis dar, auf der sich jedes weitere Engage-ment aufbaut. Dieser innere Ring, der zweite Pfad des zehnfachen Pfades des Engagierten Buddhismus ist die Achtsamkeit oder genauer ein besonderer Aspekt spezieller Achtsamkeit: die Entfaltung der Achtsamkeit im täglichen Leben. Dargestellt wird dies durch eine Hand, die ein Glas Wasser trägt, einem alltäglichen Vorgang also, auf den wir unsere Achtsamkeit richten können, ja richten sollen - ebenso wie auf die anderen Tätigkeiten im täglichen Leben (Abbildung S. 29).
Im mittleren Ring finden wir die Felder der Praxis. Oben rechts sehen wir eine große Hand, die sich in helfender Partnerschaft um eine kleine schließt: eine erwachsene Person die Verantwortung für einen kleinen Menschen trägt. Es handelt sich um die Annahme des Übungsfeldes Familie (vgl. nebenstehende Abbildung). Dies scheint zunächst unge-wöhnlich, denn Sakyamuni selbst, der spätere Buddha, verließ seine Familie, um den Weg zur Überwindung allen Leides zu finden. Aber gerade hierin zeigt es sich, dass das Verlassen des Hauses und der Familie nicht mehr nötig ist. Der Weg ist gefunden und vom Buddha dargetan. Den Achtfältigen Pfad des Buddha aber kann man auch als Mitglied einer Familie gehen. Daher empfiehlt der Autor die Annahme des Übungsfeldes Familie als Praxis. Dem traditionell eher monastischen Ansatz des Buddhismus wird also ein bewusst anderes Verständnis gegenüber gestellt.

Unten rechts findet sich ein ganz ähnliches Bild, wieder sind es zwei Hände, die einander partnerschaftlich ergreifen, aber diesmal die zweier Erwachsener (vgl. Abbildung Seite 15). Wäre der Illustrator ein Deutscher, hätte es sicher nicht dieses Bild gewählt, denn es erin-nert fatal an das Parteiemblem der SED. Dies ist eigentlich nicht verwunderlich, denn der Grundgedanke ist ähnlich: es geht um Solidarität und gemeinsames Handeln, dieser Händedruck steht für „soziales Handeln“, auch für Zusammenarbeit, z. B. in Betrieben des Rech-ten Lebenserwerbs.

Unten links findet sich zwei Hände, die eine Taube entlassen, eine Taube, die am Zweig im Mund als Friedenstaube zu erkennen ist(vgl. Abbildung Seite 22). Zwar ist die Friedenstaube ein biblisches Symbol (eine Taube hatte Noah einen Zweig gebracht als die Arche auf dem Berg Ararat gelandet war, so dass Noah erkennen konnte, dass die Sintflut zurück ge-gangen war und Gott wieder Frieden mit den Menschen geschlossen hatte), dies ist jedoch keineswegs störend, denn in unserer von christlichen Einflüssen geprägten Kultur, hat sich die Friedenstaube von diesem historischen Ballast weitgehend befreit und wird von allen Men-schen gleich welcher Religion oder Weltan-schauung als Friedenssymbol akzeptiert. Die Hände, die die Taube entlassen, kehren in vielen Pfaddarstellungen dieses Rades wieder, sie stehen für aktives Handeln, mithin für ein Wesensmerkmals des engagierten Buddhismus. Dieses Symbol steht für politisches Engage-ment. Sicher ist gerade im Deutschland des Jahres 2000 politisches Engagement wegen der moralischen Fehlleistungen vieler Politiker verpönt, aber gerade darum sollte es ja ein Aktionsfeld moralisch handelnder Menschen, z. B. der engagierten Buddhisten sein. Kenneth Kraft stellt hier als Beispiel die engagierte Buddhistin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi als Beispiel vor (vgl. BNI 4), verweist aber auch auf Buddhadhasa und andere hin.

Oben links in diesem Ring sehen wir eine Hand, die einer Blume Wasser gibt (vgl. Abbil-dung Seite 12). Diese Mudra, diese Geste, steht für ökologisches Engagement, für den „Pfad sich um die Welt zu kümmern“.
Um diesen Ring der vier Felder buddhistischen Engagements schließt sich ein äußerer Ring, der sich mit den Arten engagierten Handelns auseinandersetzt, die Modi erläutert. Da ist zunächst ganz oben eine Hand die eine Blume hält (vgl. Abbildung auf Seite 32), dies steht für karuna, für die Ausstrahlung mitleidvollen Handelns, also gewissermaßen dem Boddhi-sattva-Ansatz im buddhistischen Handeln.

Rechts außen findet sich eine Brücke über einen Fluss (vgl. Abbildung auf Seite 16). Dies soll an Boddhidharma erinnern, der durch die Überquerung des Jangtse den Ch´an-Buddhismus (Zen) von Indien nach China brachte. Dies steht für den Ansatz „neues Land erforschen“, was sicher nicht in erster Linie räumlich gemeint ist, sondern bedeuten soll, dass man bereit ist sich neuen, unkonven-tionellen Herausforderungen und Problemen zu stellen.

Im äußeren Ring ganz unten sehen wir zwei Hände in Meditationmudra gehalten inmitten eines Feuers, das aus einem Lotus entspringt, wie ich finde eine sehr schöne, plastische Dar-stellung, dessen, was es ausdrücken soll (vgl. Abbildung auf Seite 11). Es steht für „Leichtigkeit inmitten aller Aktivität und stellt die in Meditation entwickelte Ruhe bei allem Enga-gement von uns Buddhisten dar.

Links im äußeren Ring finden wir ein Symbol, bei dem keine handelnde Hand eingreift: aus einem Lotus entspringen unzählige Blumen und verbreiten sich (vgl. Abbildung auf Seite 14). Dies steht natürlich für die Ausbreitung von Metta, von liebender Güte, in alle Richtungen, wie wir sie in der Meditation der Metta Bhavana einüben.

Damit schließt sich der Kreis der vier Aktionsmodi.

Auch wenn man nun anfangen könnte über weitere Modi nachzusinnen, warum finden sich Metta (liebende Güte) und Karuna (Mitgefühl) als einzelne Modi, warum nicht Mudita (Mitfreude) und warum findet sich Uppekha auch nur angedeutet wieder, auch wenn man fragen könnte ob nicht andere Handlungsfelder zu den hier genannten treten sollten, finde ich den Ansatz, die traditionelle buddhistische bildliche Darstellung in Rädern aufzugreifen und dem Rad der Lehre und dem Lebensrad ein weiteres, das des engagierten Buddhismus zur Seite zu stellen gut und richtig, denn es wertet den engagierten Buddhismus und damit das Han-deln in der Welt und zugunsten der Wesen auf.

Der Ansatz ist gut, richtig und wichtig und wer über gute Englischkenntnisse verfügt und bereit ist den Preis von DM 27,80 (bei Hugendubel) für das doch recht dünne Bändchen zu zahlen, dem kann das „Wheel of Engaged Buddhismus“ nur empfohlen werden.

Bert Brauns


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