Anathapindika
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2007-01-12


Es war etwa zweieinhalb Jahre nach der Erleuchtung des Buddha. Er hatte inzwischen schon zahlreiche Schüler und sein Ruhm verbreitete sich schnell. Während der Zeit des Monsunregens, als Regen, Schlamm und Überschwemmungen das Umherwandern nahezu unmöglich machten, verbrachte er seine Zeit im Bambushain nahe der Stadt Rajagaha. Ein reicher Kaufmann aus der Stadt war sehr beeindruckt von der ruhigen und achtsamen Weise, in der die Anhänger des Buddha auftraten und wollte ihnen gerne helfen. Also bat er den Buddha um Erlaubnis, für die Mönche Unterkünfte bauen zu lassen, damit diese nicht bei Wind und Wetter im Freien leben mussten. Der Buddha stimmte zu, die Hütten wurden gebaut, und die Mönche wurden zu einem zeremoniellen Festmahl eingeladen, wobei ihnen die Hütten förmlich übergeben werden sollten.

Die Frau dieses Kaufmanns hatte einen Bruder mit Namen Anathapindika, was "Ernährer der Bedürftigen" heißt. Dieser war ein ebenso reicher wie großzügiger Bankier in der Stadt Savatthi. Er traf in Rajagaha am Tag vor der Zeremonie an. Er sah, wie eifrig sein Schwager war, seine Angestellten anzuweisen, was noch alles im Rahmen der Festvorbereitungen zu erledigen war.

Die Vorbereitungen waren von solcher Intensität, das Anathapindika annahm, es müsse eine Hochzeit bevorstehen, ein großes Opferfest oder ein Besuch des Königs mit seinem Gefolge. Normalerweise hätte sein Schwager alles stehen und liegen gelassen, um seinen Gast angemessen zu begrüßen, aber heute ging er völlig in den Festvorbereitungen auf. Schließlich waren alle Anweisungen erteilt und alle Arrangements ausgeführt. Nun endlich nahm sich der Kaufmann Zeit, Anathapindika zu begrüßen, der neugierig war zu erfahren, was denn da vorbereitet wurde.

„Oh, nein“, erklärte der Kaufmann, „da ist weder eine Hochzeit noch ein Staatsbesuch, aber morgen werden der Buddha und seine Anhänger meine Gäste sein.“

Anathapindika war höchst überrascht: „Hast du gesagt: der Buddha?“, fragte er wieder und wieder.

Allein das Wort „Buddha“ beeindruckte Anathapindika; er wurde sehr aufgeregt und wollte den Buddha sofort aufsuchen, aber sein Schwager überzeugte ihn schließlich, dass jetzt nicht die Zeit dafür sei, denn es war schon recht spät. Aber er versprach ihm, dass er den Buddha am nächsten morgen definitiv sehen würde. Anathapindika akzeptierte schließlich, dass er bis zum nächsten Tag warten musste. Er ging ins Gästezimmer und begab sich ins Bett, aber sein Geist fand keine Ruhe.

„Morgen früh werde ich den Buddha treffen, einen Erleuchteten“, freute er sich. Vor Aufregung konnte er nicht schlafen und stand drei Mal auf, weil er jedes Mal glaubte, den ersten Schein der Dämmerung gesehen zu haben. Beim dritten Mal schließlich zog er sich an, denn er war überzeugt, dass es jetzt jeden Moment hell werden müsste, aber es war noch mitten in der Nacht.

Das Stadttor war geschlossen und der Torwächter war eingeschlafen, aber all das konnte Anathapindika nicht aufhalten. Wie von Geisterhand öffnete sich das Tor und Anathapindika ging auf den Bambushain zu, in dem der Buddha sein musste. Aber sobald er die sichere Stadt verlassen hatte, umschloss ihn die schwarze Nacht. Angst stieg in ihm auf, und er wollte schon zurück zur Stadt rennen, denn er vernahm gespenstische Geräusche. Doch dann gelang es ihm, seine Furcht und Panik in die Grenzen zu verweisen, und er setzte seinen Weg fort.

Der Buddha war ein Frühaufsteher, er war gerade bei seiner morgendlichen Gehmeditation im Bambushain. Als er Anathapindika bemerkte, rief er ihn beim Namen und lud ihn ein, sich zu ihm zu setzen. Anathapindika warf sich vor dem Buddha nieder, dann nahm er an seiner Seite Platz. Als er neben dem Erhabenen saß, mit ihm die frühen Morgenstunden verbrachte, die ungeheure Kraft der Präsenz des Buddha spürte, seine Worte hörte und seine tiefe Freundlichkeit und sein Mitgefühl spürte, eröffnete sich für Anathapindika eine neue Vision über die Existenz und gleichsam ein Universum von Verständnis überwältigte ihn. Er bekannte sich zum Buddha und zum Dharma und nahm ihn als seinen Lehrer an.

Einen Tag später bereitete Anathapindika ein Mahl für den Buddha und die Mönche und lud sie ein, in Savatthi die Zeit bis zum Ende der Regenzeit zu verbringen. Er erklärte, dass er persönlich dafür sorgen würde, dass alle Bedürfnisse der Sangha befriedigt würden.

Nachdem Anathapindika seine Geschäfte in Rajagaha erledigt hatte, kehrte er nach Savatthi zurück, und wen immer er auf dem Weg traf, dem erzählte er vom Buddha, und veranlasste die Menschen, diesen willkommen zu heißen, wenn er die Straße entlang ging. Sobald er in seiner Heimatstadt zurück war, schaute er sich nach einem geeigneten Platz für den Buddha und seine Schüler um.

Schließlich fand er einen wunderschönen Park, der hierfür ideal war, und der einem Prinzen namens Jeta gehörte. Also ging er zum Prinzen, um ihm den Park abzukaufen. „Der Park  ist nicht zu verkaufen, es ei denn für mindestens 100.000 Golddukaten, mit denen der Park auszulegen ist“, sagte der Prinz, denn er war sicher, dass niemand willens und in der Lage sei eine solch astronomische Summe zu zahlen.

„Gekauft“, sagte Anathapindika.

„Unmöglich“, antwortete der Prinz, „dieser Park ist nicht zu verkaufen.“

Aber Anathapindika bestand darauf, dass zwei übereinstimmende Willenserklärungen geäußert worden seien und damit ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Die Sache wurde gerichtsanhängig und das Gericht entschied, dass der Kauf rechtskräftig sei, wenn Anathapindika den Park tatsächlich mit Goldstücken bedecken könnte. Anathapindika ließ Wagenladungen voll Gold ankarren und Diener begannen, den Park damit auszulegen. Schließlich war nur noch ein kleiner Teil des Parkes nicht von Goldmünzen bedeckt, und Anathapindika wollte schon Anweisung geben, noch mehr Wagenladungen von Gold zu holen. Der Prinz Jeta jedoch bemerkte, dass hier etwas ganz Ungewöhnliches vorging, und er sagte: „Es ist genug, der Rest sei mein Geschenk an den Buddha." Anathapindika war froh, wieder einen Unterstützer des Buddha gewonnen zu haben und akzeptierte das Geschenk. Der Prinz aber ließ dort ein Tor zu Ehren des Buddha errichten.

Der Buddha kam nach Savatthi und in den nächsten vierzig Jahren verbrachte er zahlreiche Regenzeiten im Jetahain. Anathapindika war den Rest seines Lebens ein ebenso ehrfürchtiger wie großzügiger Freund und Förderer des Buddha. Als eines Tages seine Geschäfte jedoch schlecht gingen, und er nach herben Verlusten richtig arm wurde, bedauerte er nur, dass er jetzt nicht mehr so viel spenden konnte. Er ging in die Geschichte ein als einer der größten Laienanhänger des Buddha.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.