Horst Gunkel: Die Jesus-Trilogie - Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96 - Kapitel 8 letztmals bearbeitet am 01.09.2025
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8 - Gleichnisse
Sowohl der Buddha als auch Jesus sprachen gern in Gleichnissen, der Buddha hatte gesagt, dass einem verständigen Menschen Sachverhalte durch Gleichnisse deutlicher gemacht werden konnten. Er verwendete dabei eine besondere Technik. Er erläuterte einen Sachverhalt zunächst theoretisch. Dann leitete er mit den Worten, „Ebenso wie...” ein Gleichnis ein, in dem er das theoretisch Dargelegte durch dieses Gleichnis verdeutlichte. Schließlich folgte Teil drei seines Vortrages, eingeleitet mit den Worten „So auch: ...” und dann wiederholte er seinen theoretische Erläuterung, die er eingangs gab, nochmals.
Durch diesen Ablauf wurde das Gleichnis nicht nur zur Verdeutlichung eingefügt, es erlaubte auch die theoretische Erläuterung beim nochmaligen Hören besser zu verstehen. Der Buddha bediente sich gern solch mnemotechnischer Hilfsmittel. Nur so konnte gewährleistet werden, dass das zunächst im Ultrakurzzeitgedächtnis vorübergehend Abgespreicherte ins Kurzzeitgedächnis überging und schließlich durch die nochmalige Wiederholung der theoretischen Abhandlung auch eine gute Chance bestand, es im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Außerdem pflegten die Zuhörer hinterher noch in Arbeitsgruppen den Gegenstand dieser Abhandlung zu vertiefen. Man kann also feststellen: der Buddha verfolgte ein ganz bestimmtes pädagogisches Konzept. Dies ist uns erhalten geblieben, da die Lehrreden des Buddha in ihrer Ursprungsfassung – oder nur leicht modifiziert – weitergegeben wurden.
Von Jesus haben wir solche genauen Wiedergaben leider nicht. Wir wissen nicht genau, welches pädagogische Konzept er verfolgte oder ob es überhaupt einen solchen Ansatz gab. Wir wissen aber, dass er gern mit Gleichnissen lehrte. Einige davon möchte ich hier wiedergeben respektive erläutern.
Zunächst einmal sollten natürlich Gleichnisse die Zielgruppe erreichen, für die sie gedacht sind. Auch der Buddha hat gesagt, dass ein verständiger Mensch durch Gleichnisse etwas eher versteht als durch ausschließlich theoretische Eläuterungen. Bei manchen Gleichnissen Jesu war es so, dass seine Jünger1 ihn verstanden, andere Leute aber nicht, manchmal verstanden ihn allerdings auch seine Jünger nicht.
Ein Beispiel für ein solches Gleichnis finden wir bei Matthäus. Jesus hatte an diesem Tag zuvor schon zu andern Menschen mit Gleichnissen gesprochen, hatte damit aber keinen Erfolg. Seine Jünger wollten ihn davon abhalten, aber er wies sie zurück. Sehen wir uns diesen Dialog an. „Und die Jünger traten hinzu und sprachen zu ihm: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen? Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist’s gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist’s nicht gegeben. Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht.”2
Das war sicher nicht eine wirklich hilfreiche Antwort auf die Frage der Jünger, aber es verdeutlicht auch, wie hilflos diese oft den Aussagen ihres Meisters gegenüberstanden. Vermutlich haben sie etwas ratlos dreingesehen, aber Jesus versucht das soeben von ihm Gesagte zurechtzurücken (falls der Dialog in etwa so verlaufen sein sollte, wie Matthäus ihn wiedergibt): „Denn das Herz dieses Volkes ist verfettet, und mit ihren Ohren hören sie schwer, und ihre Augen haben sie geschlossen, auf dass sie nicht mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, dass ich sie heile.3 Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören. Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, was ihr seht, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben’s nicht gehört.”4
Ein generelles Problem ist, dass die Evangelisten beständig versuchen, Zitate aus dem Tenach als Beleg für das anzuführen, was Jesus macht. Vermutlich wirken daher die Texte des Neuen Testaments so verdreht und widersprüchlich: Es geht darum, eine neue Religion zu gründen, aber beständig wird in der alten, als überholt geltenden Religion nach Texten gesucht, die das belegen könnten, was Jesus macht, bzw. um zu zeigen, dass er deren Prophezeihungen erfüllt. Das ist aber sicher nicht die Schuld Jesu, sondern die der Evangelisten, die noch tief im Judentum verhaftet waren.
Recht bekannt ist das „Gleichnis von guten Hirten”, zumindest dem Namen nach – kaum jemand kennt den genauen Inhalt. Jesus vergleicht sich mit einem guten Hirten, seine Jünger mit dessen Schafen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Räuber. Der aber zur Tür hineingeht, der ist der Hirte der Schafe. Dem macht der Türhüter auf, und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgelassen hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht.”5
Als nächstes stellt sich heraus, dass die Zuhörer, wohl zum großen Teil nicht seine Jünger, sondern Juden, ihn nicht verstanden. Also nimmt Jesus einen zweiten Anlauf: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir gekommen sind, die sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben ihnen nicht gehorcht. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden. Ein Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und umzubringen. Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und volle Genüge. Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
Zunächst einmal ist da wieder der Verweis, dass der gute Hirte sein Leben für die Schafe lässt, ein Hinweis auf seinen späteren Tod, den der Evangelist dort sicher eingeflochten hat, weil er einmal mehr zeigen wollte, das Jesus seinen eigenen Tod prohezeit. Wenn der Evangelist, der längst von Jesu Kreuzigung weiß, ihn das vorhersagen lässt, ist das natürlich kein großes Kunststück.
Die
nächste
Botschaft ist das, was Jesus an anderer Stelle mit „keiner
kommt
zum Vater denn durch mich”6 ausdrückt. An
dieser Stelle sagte er „Ich
bin
die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig
werden und wird ein und aus gehen und Weide finden”, was inhaltlich
gleichbedeutend ist, nämlich ein
Alleinvertretungs-anspruch auf dem Weg zur Erlösung. Das
kann den anwesenden gläubigen Juden nicht gefallen, zumal
er die Rabbiner offensichtlich mit den
„Mietlingen”7 vergleicht,
deren Herzblut nicht bei ihren Schafen ist.
Johannes teilt uns im weiteren mit, dass deswegen „Zwietracht unter den Juden” entstand. Schließlich eskaliert das Ganze als Jesus sagt: „Ich und der Vater sind eins.”8 Es kommt zur offenen Aggression: „Da hoben die Juden abermals Steine auf, um ihn zu steinigen. Jesus antwortete ihnen: Viele gute Werke habe ich euch erzeigt vom Vater; um welches dieser Werke willen wollt ihr mich steinigen? Die Juden antworteten ihm: Um eines guten Werkes willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen und weil du ein Mensch bist und machst dich selbst zu Gott.”9
Auf diese Art entstanden häufig Konflikte. Ganz oft wurde Jesus auch von Rabbinern beschuldigt, gegen das Arbeitsverbot am Sabbath verstoßen zu haben, insbesondere dann, wenn er am Sabbath wieder einmal Kranke geheilt oder Dämonen ausgetrieben hatte.
Ein letztes Gleichnis will ich noch anführen, das recht bekannt ist, das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, bei dem ein unterschiedliches Rechtsverständnis zum Tragen kommt.
Ich erzähle es hier mit meinen eigenen Worten.10 Ein Winzer brauchte Arbeiter für eine dringende Arbeit in seinem Weinberg, daher stellt er morgens Tagelöhner ein und vereinbart mit ihnen einen Tageslohn von einem Silbergroschen. Drei Stunden später geht er erneut zum Markt und stellt weitere Arbeiter für den Rest des Tages ein – ebenfalls für einen Silbergroschen. Als der Tag halb herum ist wiederholt sich das Ganze, drei Stunden später erneut und eine Stunde vor Dunkelheit stellt er nochmals Arbeiter ein – ebenfalls für einen Silbergroschen, den sie dann für nur eine Stunde Arbeit erhalten. Als es an die Entlohnung geht, murren diejenigen, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, weil sie nicht mehr bekamen als diejenigen, die nur eine Stunde gearbeitet hatten.
Ich habe diese Geschichte häufig meinen Schülern im Wirtschaftskundeunterricht erzählt, und diese fanden das fast ausnahmslos ungerecht. Ich habe ihnen aber daran das Prinzip der Vertragsfreiheit erläutert: Alle wären freiwillig einen entsprechenden Arbeitsvertrag eingegangen und beide Seiten hätten ihn vertragsgemäß erfüllt, also kein Grund sich zu beschwerden.
Jesus hat dieses Gleichnis allerdings aus einem anderen Grund erzählt. Der erste Satz dieses Gleichnis lautet nämlich: „Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg.” Im letzten Satz erläutert Jesus schließlich seine Moral von der Geschicht´: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.”
Damit soll ausgedrückt werden, dass die weltlichen Maßstäbe wie Wohlstand, Ehre, Sicherheit, Ansehen usw. im spirituellen Zusammenhang ungültig sind.
Fußnoten
1 Ich verwende das Wort „Jünger„ hier und im folgenden als generische Maskulinum.
2 Matt 13,10-13
3 Bis dahin ist der Text ein Zitat aus den Tenach (Jes 6,9-10)
4 Matt 13,15-17
5 Joh 10,1-5
6 Joh 14,6
7 lt. Duden ist ein Mietling eine männliche Person, die sich für entsprechende Vergünstigungen o. Ä. bereitfindet, eines anderen Ziele und Interessen zu vertreten.
8 Joh 10,30
9 Joh 10,31-22
10 Man kann es gerne nachlesen: Matt 20,1-16
Erläuterungen
Rabbiner - das ist ein Funktionsträger in der Jüdischen Religion. Seine Hauptaufgabe ist es, die Tora (ein Teil des Tenach) zu lehren. Die Grundform des Rabbiners entwickelte sich, als sich gelehrte Lehrer versammelten, um die schriftlichen und mündlichen Gesetze des Judentums zu kodifizieren.
Sabbath
- jiddisch Schabbes
ist im Judentum der siebte Wochentag, ein Ruhetag, an
dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Seine
Einhaltung ist eines der Zehn Gebote. Er beginnt am
Vorabend und dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis
zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag, denn
im jüdischen Kalender dauert der Tag vom Vorabend bis
zum Abend des Tages – nicht von 0 bis
24 Uhr. Dies ist abgeleitet aus dem
Schöpfungsbericht, dort heißt es „und es war Abend und
es war Morgen, ein Tag“.
Tanach - oder Tenach (hebr. תנ״ך TNK) ist eine von mehreren Bezeichnungen für die Hebräische Bibel, die Sammlung der heiligen Schriften des Judentums er enthält unter anderem die Tora (Weisung). Das Christentum hat alle Bücher des Tanach - etwas anders geordnet – übernommen. Sie sind das Alte Testament.
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