Horst Gunkel: Die Jesus-Trilogie - Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96 - Kapitel 21 letztmals bearbeitet am 29.09.2025
Die
fett
und kursiv
gedruckten Begriffe sind am Ende der Seite erläutert.
Beachte auch die
Fußnoten, die kann man anklicken.
21
- Der Besuch Amanditas
Drei Monate später, es war inzwischen September, waren die drei Einfamilienhäuser fertig. In einem wohnte jetzt Teja zusammen mit seiner Frau Lalita und seiner Schwester Mohana.
Das zweite Haus gehört dem Ehepaar Dhiren und Naina, und das dritte bewohnte Aryan mit seiner hochschwangeren Frau Dahita. Inwischen bauten die Männer am Männerwohnheim, das unbedingt bis zum Winter bezugsfertig sein sollte.
Die vier Studiengruppen tagten jeweils einmal wöchentlich an verschiedenen Tagen, der eindeutige Höhepunkt der Woche aber war die Uposatha-Feier, die immer eine Meditation beinhaltete, einen kurzen Vortrag – man könnte es auch eine Predigt nennen, – die dann häufig Thema der Studiengruppen der nächsten Woche war, außerdem Mantras, eine Puja und auch Gesänge der von Kalenian komponierten Lieder.
Der Besuch des Theravada-Mönchs Ditthimitta war inzwischen nur noch eine ferne Erinnerung, während der mehrtägige Besuch von Śiva, der unbedingt bei einer Uposatha-Feier zugegen sein wollte, allen in frischer Erinnerung war, und zwar keineswegs in erster Linie, wegen der Güter, die Śivas Karawane brachte, sondern eher wegen des Gefühlsausbruchs des sonst so nüchternen Kaufmanns, der während der ergreifenden Uposatha-Feier vor Rührung lange weinte.
Doch auch in diesem Monat sollte es einen Besuch geben. Eines Mittags traf nämlich ein Reiter ein, er galoppierte bis vor den Gasthof, wo Anup dem durstigen und erschöpften Rappen frisches Wasser und Getreide gab. „Ich bin Rittmeister Prem, und stehe in Diensten von Jawaharlal von Kazal, ich möchte seinen Besuch und den seiner Ehefrau Anandita ankündigen, die in zwei bis drei Stunden eintreffen werden, wo finde ich die Herrschaften?”
„Die Herrschaften?” fragte Anup, „das ist etwas kompliziert, diese Bezeichnung verwenden wir hier nicht mehr.”
Der Rittmeister blickte etwas konsterniert, dann sagte er: „Anandita hat gesagt, ich solle zu ihren Eltern gehen, zu Sita und Jagan.”
Anup fiel auf, dass er Sita, die Frau, zuerst nannte, dann erst Jagan, ihm war also bekannt, das Sita die Herrin war und Jagan nur angeheiratet. Aber natürlich konnte der Fremde nicht wissen, was sich inzwischen hier alles getan hatte. In diesem Moment erblickte Anup Sunay, der aus dem Gasthof kam, er hatte wohl das Pferd kommen gehört. Anup stellte ihn vor: „Herr Rittmeister, das ist Sunay, Ananditas Bruder. Sunay würdest du bitte deiner Mutter ausrichten, dass Anandita mit Gemahl hierher unterwegs sind.”
Dann wandte er sich wieder an den Rittmeister: „Gedulden Sie sich bitte einen Moment. Können wir Ihnen inzwischen ein Getränk anbieten?”
„Ein Becher Wasser wäre gut.” Rojana, die junge Gehilfin im Gasthof, brachte einen Krug Wasser und einen Becher. Der Rittmeister war erstaunt über die prompte Bedienung. Rojana bot ihm außerdem an: „In einer halben Stunde ist Mittagspause, komm doch einfach hierher, und speise in unserem Gasthof.” Der Rittmeister lächelte etwas verlegen: „Mein Herr ist etwas knauserig, ich denke nicht, dass er mir das Mahl bezahlen wird.”
Rojana lachte: „Geld kennen wir hier nicht, außer in Außenhandelsgeschäften mit der Welt da draußen. Aber hier in der Metta-Sangha gibt jeder seine Arbeistkraft und jeder bekommt, was er braucht.”
„Klingt gut, dann komme ich gern!”, sagte er und dachte bei sich, dass sein Herr Jawaharlal davon sicher weniger begeistert sein würde, denn für ihn, einen Kṣatriya, war die Etikette das Wichtigste, und das bedeutete in der Regel: finanzielle Ausgaben.
In diesem Moment kam Sunay wieder aus dem Haus: „Sita ist jetzt bereit, euch zu empfangen.” Der Rittmeister folgte ihm ins Haus.
Als sie Sitas Zimmer betraten erschrak er, die Frau, die er für die Herrin hielt, im Bett liegend anzutreffen: „Hohe Frau, Sie sind unpässlich?”
Rita lachte: „Ich bin weder eine hohe Frau noch unpässlich. Ich heiße einfach Rita und bin gelähmt. Sie befinden sich im Heim der himmlischen Betreuung. Was führt Sie zu mir?”
Als er ihr eröffnete, dass ihre älteste Tochter samt Gemahl anreise, war sie einerseits hocherfreut, andererseits aber auch beunruhigt. Anandita war, wie es bei den Kṣatriyas üblich war, schon im Kindesalter einer anderen Adelsfamilie versprochen und dann mit vierzehn Jahren an ihren künftigen Gemahl übergeben worden. Daher wollte sie sich mit ihrem Mann beraten: „Sunay, bitte doch Jagan her und hole auch Raj. Danke Rittmeister, Sie können gehen, wenn wir Ihnen etwas mitzuteilen haben, werden wir es Sie wissen lassen, ich denke wir finden Sie im Gasthof.”
„Sehr wohl”, sagte dieser und war froh, wieder aus dem Krankenzimmer herauszukommen.
Als sich Raj, Jagan, Sunay und Shanti bei Sita versammelt hatten und Sita ihnen die Neuigkeit mitgeteilt hatte, sagte Raj: „Selbstverständlich müssen wir sie ordentlich empfangen, aber keineswegs standesgemäß, denn unseren Stand haben wir nicht mehr, den haben wir aufgegeben. In der Metta-Sangha gibt es keine Kasten. Es wird also kein Festbankett geben, sondern wir speisen im Gasthof, wie üblich. Die beiden brauchen eine Unterkunft. Wir haben in dieser Etage dein Zimmer, Sita, das von Jeevan, den Salon, das Zimmer, in dem derzeit Reena wohnt und den Abstellraum, in dem nicht besonders viel liegt, dieses Zeug können wir in den anderen Abstellraum im Erdgeschoss bringen und dann in diesem Zimmer hier oben eine Lagerstatt einrichten. Ich werde außerdem den Rittmeister fragen, ob noch Gesinde mitkommt. Shanti du gehst zu Ajala und sagst, dass es für uns und unsere Gäste heute noch eine Abendmahlzeit gibt. Habe ich etwas vergessen?”
Shanti ergänzte: „Ich teile den anderen die Neuigkeit beim Mittagsmahl im Gasthof mit.” Da sonst niemand eine Anmerkung oder Ergänzung zu den Erklärungen des Geschäftsführers Raj hatte, ging ein jeder seiner Wege, nur Jagan und Sunaj blieben bei Rita, um mit ihr zu besprechen, wie man sie am besten einbeziehen könne, denn Rita konnte ja ihr Bett nicht verlassen.
Im Gasthof wurde inzwischen das Mahl serviert und Shanti teilte die Neuigkeit mit, die natürlich das Tagesgespräch war. Yuz stand auf, er blickte sich um, sodass allmählich wieder Schweigen eintrat, denn man wollte wissen, was er zu sagen habe.
„Liebe Sangha, dies ist ein weltlicher Besuch, er betrifft eine Familie, die Familie von Raj. Das hat nichts mit unserer Sangha zu tun. Daraus folgt, dass alle spirituellen Verstaltungen, also Morgen- und Abendandacht, Studiengruppen und Uposatha-Feier wie üblich stattfinden. Auch an unserem Bauprojekt wird planmäßig weitergearbeitet, damit wir auch das Männerwohnheim in den nächsten vier Wochen bewohnbar machen. Wir wissen, dass uns dann einige über den Winter verlassen werden, bis dahin muss das Wohnheim für diejenigen Männer, die hierbleiben, fertig sein. Also für unsere Sangha gilt: alles läuft planmäßig weiter. Danke!”
Dann setzte sich Yuz zum Rittmeister und klärte ihn kurz darüber auf, was eine Sangha ist, und welche Projekte man hier verfolgte. Der Rittmeister blickte betreten: „Ich glaube nicht, dass mein Herr viel Verständnis dafür haben wird. Er ist ein Mann des Kampfes. Ich frage mich auch, ob es ratsam ist, ihm jetzt entgegenzureiten und ihn vorab zu informieren.”
„Warum fragt ihr nicht Raj, ob er mit euch reitet und als der neue Herr seine Schwester begrüßt?”
„Gute Idee, schlagt die doch Raj vor.” Sie setzen sich zu Raj und der sagte: “Genau so machen wir es.” Dann ging er und kam mit seinem Pferd zurück. Die beiden Männer ritten los.
Raj hatte seine Schwester seid mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen. Damals war die ganze Familie zur Brautübergabe und zur anschließenden Hochzeitsfeier nach Kazal gereist. Es war die einzige größere Reise, die Raj jemals gemacht hatte, über die Grenzen des Kaschmirtals hinaus. Sie waren damals eine Woche in Kazal gelieben und waren fast drei Monate von zuhause fort. Während dieser Zeit hatte Anup den Hof treuhänderisch verwaltet.
Als sie jetzt die drei anderen Reisenden sahen – neben Anandita und Jawaharlal war das noch Singha, die Zofe von Anandita – ritt Raj den Ankommenden entgegen: „Ich bin hocherfreut euch zu sehen. Welch gute Idee, uns zu besuchen.”
Auch Anandita freute sich: „Mensch Raj, du bist ja ein richtiger Mann geworden!”
Nur Jawaharlal wirkte distanziert: „Warum schicken deine Eltern dich, warum kommen sie nicht selbst.”
Raj erwiderte ebenso kühl: „Weil es sich so geziemt, dass der Herr den Besuch empfängt und nicht dessen Vorfahren!”
„Du hast die Macht am Hofe usurpiert?”
„Keineswegs. Ich wurde zum Geschäftsführer ernannt. Es hat sich einiges verändert.”
„Man hat damals schon gesagt, deine Mutter sei von Dämonen besessen und dein Vater ein alter Trottel.”
„Mein Vater ist ein ehrenwerter Mann. Und Yuz, ein heiliger Mann aus dem Römischen Reich, hat den Dämon, der in Sita gefahren war, gebannt. Leider hatte sie einen Unfall und kann ihr Bett nicht mehr verlassen.”
Auf dem Weg bis zu ihrem Anwesen erläuterte Raj in groben Zügen, was sich alles geändert hatte.
„Da sind ja drei neue Häuser und eine weitere Baustelle!” rief Anandita als sie dort ankamen.
„Die neuen Siedler bauen gerade unter Yuz´ Anleitung ein Männerwohnheim.”
Als sie sich ihrem Elternhaus näherten, erkärte Raj: „Da links das ist die Versammlunghalle, da finden die spirituellen Veranstaltungen der Metta-Sangha statt. Und rechts befindet sich der Gasthof.”
„Das ist unser Haus!” rief Anandita aus, „aber die große überdachte Terrasse mit den vielen Tischen und Bänken ist neu!”
„Wie gesagt, das ist unser Gasthof, wir werden dort in gut einer Stunde essen.”
„Wir essen nicht im Salon?” wunderte sich Anandita.
„Im Salon pflegen nur die Herrschaften zu dinieren. Seitdem wir das Kastensystem abgeschafft haben, essen wir im Gasthof.”
In diesem Moment traten aus dem Haus Jagan, Shanti und Sunay. „Wie schön euch zu sehen! Und wie die Zwillinge groß geworden sind!”, rief Anandita, die vom Pferd abgesprungen war und ihren Geschwistern entgegeneilte.
Jawaharlal ging auf Jagan zu: „Ich habe ja ganz merkwürdige Dinge über euren Hof gehört. Ist es richtig, dass Raj jetzt der Herr ist?”
„Raj ist der Geschäftsführer”, bestätigte Jagan, „aber Herrschaften gibt es hier keine mehr.” Dann wandte er sich seiner Tochter Anandita zu und bot ihr den Arm, in den sie sich gern einhängte. Als sie Arm in Arm die Treppe emporschritten, rief Jagan freudig aus: „Willkommen im Heim der himmlischen Betreuung!”
Jawaharlal, der hinter ihnen herging, schüttelte den Kopf, er dachte bei sich: `Das darf doch alles nicht wahr sein, wie die sich von einem dahergelaufenen Guru instrumentalisieren lassen!´
„Es ist das Zimmer hier rechts”, erläuterte Jagan.
„Und was ist in diesem Zimmer hier links?” wollte Jawaharlal wissen.
„Dort wird ein anderer Patient gepflegt.”
„Auch ein Familienmitglied?”
„Nein, das ist Jeevan, unser Nachbar. Nach seinem Unfall konnte er nicht mehr arbeiten. Seine Frau und er waren vom Hungertod bedroht, also haben wir ihn hierhergebracht.”
„Aha, und seine Frau pflegt ihn”, vermutete Jawaharlal.
„Nein, dafür haben wir eine jüngere Kraft eingestellt, Reena. Jagans Frau leitet jetzt den Gasthof.”
„Und wer bezahlt das alles?”
„In der Metta-Sangha gibt es kein Geld. Jeder arbeitet, so gut er kann, und erhält das, was er braucht.”
Sie betraten das Zimmer von Rita, die ihre Tochter begrüßte: „Wie herrlich dich zu sehen – und dich natürlich auch Jawaharlal. Wie geht es dir mein Kind, hast du Nachwuchs bekommen?”
Anandita nickte: „Einen Sohn, er heißt auch Raj, er ist jetzt knapp ein Jahr alt, wir haben ihn zuhause gelassen, er hat dort eine Amme. - Aber Mutter, du, du bist so anders, so freundlich, so verständnisvoll, so wie ich mir dich immer gewünscht habe, und das nach den Unfall!”
„Ach der blöde Unfall, darüber möchte ich gar nicht sprechen, daran bin ich selbst schuld. Nein, dass ich mich verändert habe liegt an den beiden besten Menschen auf der Welt: an Yuz und Amita – sie sind himmlisch!”
Jawaharlal griff sich an den Kopf und fragte sich, was denn in die hier alle gefahren sei.
Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann kam Rojana: „Die Chefin sagt, ihr könnt zum Essen kommen.”
Jawaharlal fragte misstrauisch: „Und wer ist jetzt diese sogenannte Chefin?”
„Natürlich Ajala, die Chefin des Gasthofs.”
Kopfschüttelnd folgte Jawaharlal dem zehnjährigen Mädchen, die anderen gingen hinterdrein. Am großen gedeckten Tisch nahmen Jawaharlal, Anandita, Jagan, Raj, und die Zwillinge Santi und Sunay Platz. Der Nebentisch war auch eingedeckt und dort standen die gleichen Gerichte – bis auf den Heilbutt – und an diesem nahmen Ajala, die Zofe Singha, Rojana und Sabitha Platz.
„Die Essen auch hier?” fragte Jawaharlal verächtlich.
„Na, sicher”, belehrte Raj, „diese wertvollen Mitarbeiterinnen haben bis eben in der Küche gearbeitet, da konnten sie ja vorher noch nicht essen.”
Jawaharlal sah sich auf dem Tisch um: „Wo ist denn das Fleisch?”
Vom Nebentisch rief die achtjährige Sabitha: „Du hast Glück, das Fleisch ist noch an deinem Arm dran, wir schlachten und essen hier keine fühlenden Wesen, du brauchst also keine Angst um deinen Arm zu haben.”
Das ging Ajala aber doch zu weit: „Du sollst nicht so vorlaut sein, Sabitha, das ist ein vornehmer Herr, der weiß so etwas nicht.” Und dann wandte sie sich an Jawaharlal: „Ich dachte mir schon, dass Sie nicht so viel Mitgefühl mit anderen fühlenden Wesen haben, daher habe ich bei einem der Männer hier im Dorf, der noch fischen geht, einen Heilbutt für Sie besorgt.”
Schweigend nahm sich Jawaharlal ein großes Stück von dem Fisch: „Soll ich dir auch ein Stück geben, meine Liebe?” Doch Anandita schüttelte den Kopf: „Lass mal, ich denke gerade über die Sache mit dem Mitgefühl und über meinen Arm nach. Es sind ja so viele andere leckere Speisen auf dem Tisch.” Dann wandte sie sich an den Nebentisch: „Herzlichen Dank für die Mühe, die Sie sich mit dem leckeren Essen gemacht haben, Sie Ajala, und Ihre Küchenmädchen.”
`Jetzt spinnt die auch schon! Man bedankt sich doch nicht bei Bediensteten!´ dachte Jawaharlal und ärgerte sich, diese Reise überhaupt angetreten zu haben. Er nahm sich vor, nie wieder an diesen verrückten Ort zurückzukehren, da könnte Anandita so viel betteln, wie sie wollte!
Anandita ihrerseits fragte sich, ob sie sich eben einfach nur angepasst hatte, ohne zu wissen warum, daher erkundigte sie sich beim ihr gegenüber sitzenden Jagan. „Ich nehme an, es hat religiöse Gründe, dass ihr hier kein Fleisch esst?”
Der nickte: „Yuz sagt immer: `Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.´” Amandita wunderte sich: „Dann betrachtet Yuz also die Tiere als seine Brüder?”
„Naja, dort wo er herkommt, gibt es einen Schöpfungsmythos, wonach ein mächtiger Gott Himmel und Erde in wenigen Tagen geschaffen habe, ganz zuletzt die Menschen und kurz davor die Tiere. Demnach sind die Tiere unsere älteren Brüder, und die sollte man doch wohl respektvoll betrachten, oder?”
„Und schon mal gar nicht aufessen, das ist verständlich.”
Jagan nickte: „Ob das mit diesem Mythos stimmt – dahingestellt. Auf jeden Fall empfinden Tiere Leid wie wir Menschen. Und sie wollen leben und nicht sterben, genau wie wir Menschen. In der Metta-Sangha respektieren wir alle fühlenden Wesen.” - „Das ist eine noble Einstellung”, bestätigte ihm Amandita.
Als sie das Mahl beendet hatten, bat sie dann ihren Mann: „Es ist heute noch mal ein so schön milder Abend, lass uns ein wenig am See spazieren gehen, von dort kann man die untergehende Sonne beobachten.” Sie wollte ihn milder stimmen, denn das schien ihm hier alles zu viel zu sein.
„Nein, Weib, heute abend keine Gefühlsduselei.”
Sie schaute betrübt zu Boden, doch Sunay sprang seiner Schwester bei: „Dann sollten wir zwei den Sonnenuntergang betrachten, ich gehe nur schnell hoch, sehe nach Sita und beauftrage Reena, mich gegebenenfalls zu vertreten.” Dann wandte er sich an seinen Schwager: „Ich zeige dir dann mal euer Zimmer, dann kannst du dich schon hinlegen oder dich noch etwas umsehen.” Jawaharlal folgte ihm, was sollte er auch anderes machen.
Dann ging Sunay mit seiner Schwester an den See. Jawaharlal aber, dem hier alles gegen den Strich ging, wollte sich in dieser merkwürdigen Siedlung noch ein wenig umsehen.
Anandita und Sunay setzten sich etwa 300 Schritte von der Versammlungshalle entfernt an den Strand und erzählten einander, wie es ihnen inzwischen ergangen sei. Anandita schilderte ihrem Bruder, wie froh sie war, als sie endlich verheiratet war: weg von ihrer Mutter, die in ihrer Wut und ihrer Besessenheit mitunter unerträglich war, einer Mutter, die sie auch schlug oder mit Gegenständen bewarf.
Als sie heiratete, dachte sie, das große Los gezogen zu haben, denn sie wohnte jetzt in der Stadt, wo es doch viel mehr Abwechslung gab, sie hatte einen mäßig verständnisvollen Ehemann, der drei Jahre älter war als sie und aufgrund seiner guten Herkunft aus einer der angesehensten Familien der Stadt schon in sehr jungen Jahren Führer einer fünfzig Mann starken berittenen militärischen Einheit war. Sie verkehrte in den besten Kreisen und hatten häufig Besuch, selbst der Raja war schon bei ihnen zu Besuch! Manchmal erschien ihr dieses Leben allerdings als ziemlich hohl, um so mehr hatte sie sich gefreut, als sie schwanger wurde und dann einen Sohn bekam. Mitunter wurde ihr Mann jedoch jähzornig und manchmal hatte sie Angst, er würde eines Tages so werden wie ihre Mutter.
Wenn etwas nicht so lief, wie er es wollte, konnte er sich in etwas hineinsteigern. Und der Ablauf des heutigen Tages war dazu angetan, genau das auszulösen, vermutete sie: „Weißt du, Sunay, er kennt nur das Leben in der Stadt. Das Auftreten der Kṣatriyas ist ausgesprochen borniert, und das ganz besonders in der Stadt, wo jeder sich dünkt, besser, vornehmer, reicher zu sein als die anderen. Das muss dann natürlich auch durch entsprechenden Luxus zur Schau gestellt werden, was dann wiederum bedeutet, dass das Geld knapp wird, obwohl man zu den wohlhabensten Familien gehört. Das, was ihr hier macht, eine egalitäre Gesellschaft ohne Geld, ist für ihn eine Provokation. Er sieht, dass es eine Alternative gibt, in der ein relativ stressfreies Leben möglich ist. Aber er will diese Alternative nicht wahrhaben, weil es die Illusion einer Welt, in der die Ellbogen wichtiger sind als die Ethik, ad absurdum führt. Und weil nicht sein kann, was seinem engstirnigen Dünkel widerspricht, wehrt er sich. Vielleicht wäre es leichter gewesen, ich wäre erst in zwei oder drei Jahren hierhergekommen – ohne ihn, aber mit dem Kind.” Sie machte eine Pause und ergänzte danach: „Aber dann hätte ich hinterher bestmmt nicht mehr weggewollt. So aber muss ich zurück, meinem Baby zuliebe.”
Jawaharlal hatte inzwischen festgestellt, dass die Leute im Dorf und an der Baustelle alle am Arbeiten waren, und das obwohl sie niemand zu beaufsichtigen schien. Er hatte gehofft mit Müßiggängern ein Gespräch zu beginnen, aber solche hatte er nicht gefunden, lediglich eine junge Mutter, die ihrem Kind das Laufen beibrachte, hatte er angesprochen, aber auch die schien mehr an ihrem Kleinen interessiert zu sein als an einem Gespräch mit ihm.
Er sah sich um: Die Läden der Versammlungshalle waren noch offen, aber die Sonne stand schon tief. Wenn er sich diesen Raum ansehen wollte, dann wäre jetzt wohl die letzte Gelegenheit vor Einbruch der Dunkelheit. Er betrat also die Halle. Zwei Personen saßen dort und meditierten, zwei ältere Leute. Aha, so dachte er, weil hier nichts weiter los ist, bleibt den Alten wohl nichts anderes übrig als hier herumzusitzen und vor sich hinzudösen.
Er ging auf den Schrein zu, einen sehr stabilen Tisch, bedeckt mit einem edlen Tuch, das bis fast auf den Boden ging. Auf dem Schrein befand sich eine Öllampe, die eine lebensgroße mit verschränkten Beinen sitzende Figur zeigte. Das Gesicht war fein modelliert, der Rest nur grob geschnitzt. Entweder war die Figur noch nicht fertig, oder die Arbeit war abgebrochen worden. Das Gesicht dieser Figur faszinierte ihn, es drückte so ungemein viel Ruhe und Gelassenheit aus, vermittelte aber auch eine Art Wärme, eine Zuneigung zu allem und jedem.
Jawaharlal starrte die Figur an, er vermochte nicht einmal zu sagen, ob das das Gesicht eines Mannes oder einer Frau war, es war jedenfalls bartlos, aber es hatte auch kein Kopfhaar, wie bei einem alten Mann, andererseits war die Haut völlig faltenfrei.
In diesem Moment erst bemerkte er, dass auf dem Boden rechts neben dem Schrein unterhalb des Fensters eine junge Frau saß und schnitzte, sicher um das letzte Tageslicht, das durchs Fenster fiel, auszunutzen. Er wollte sie gerade ansprechen, da sah sie auf, legte den Finger auf den Mund und gebot ihm zu schweigen. Wie zur Erklärung zeigte sie auf die beiden Personen, die mit geschlossenen Augen und verschränktem Beinen auf dem Boden saßen. Er nickte.
Als er sich umsah, sah er Jagan an der Seitenwand sitzen, er hatte einen Pinsel in der Hand und malte etwas auf die Seitenwand. Jawaharlal ging darauf zu. Jagan malte eine Parklandschaft mit Bäumen und sechs sitzenden Männern, einer hatte einen hellen Schein um den Kopf, die anderen schienen im zuzuhören.
Als sich Jawaharlal näherte, blickte Jagan auf. Er erkannte seinen Besucher. Daraufhin verwahrte er seine Malutensilien, stand auf und deutete an, dass sie nach draußen gehen könnten.
Dort sprach Jawaharlal Jagan an: „Es ist wohl nicht üblich in diesem Tempel zu sprechen. Ist das so, damit die im Sitzen Schlafenden nicht aufwachen?”
Jagan musste lachen: „Die beiden schlafen nicht, sie sind hellwach, sie meditieren und waren in Samādhi, es wäre ausgesprochen störend und unhöflich, dann ein Gespräch anzufangen. Aber in einer halben Stunde beginnt die Abendandacht, dann kommen viele Menschen zu Meditation und Gebet.”
Jawaharlal nickte, er wusste, dass es Menschen gab, die meditieren, vor allem manche Brahmanen machten das, aber auch einige andere Leute, meistens ältere. Er wollte Jagan etwas fragen, aber er wusste nicht wie er ihn anreden sollte, hier duzten sich alle, aber Jagan war wie er ein Kṣatriya – andererseits haben sich Besucher in der Fremde den dortigen Sitten anzupassen. Er sagte daher: „Aber was hast du eigentlich dort gemalt, es schien eine Szene aus einem Park zu sein?”
„Ganz richtig, Jawaharlal, das hast du gut bemerkt. Es ist eine Szene aus dem Leben des Buddha. Er hat kurz nach seinem Erwachen im Tierpark von Isipathana bei Benares fünf Asketen, die einst seine Jünger waren, den Dharma dargelegt. Sie wurden dann auch Erwachte und seine ersten Mönche. Ich habe vor, allmählich alle Wände unserer Versammlungshalle mit Szenen aus dem Leben des Buddha zu bemalen.”
Jawaharlal überlegte einen Augenblick, dann sagte er: „Das ist sicher eine sehr schöne Beschäftigung für einen älteren Mann, Jagan, aber so alt bist du doch gar nicht. Du könntest doch etwas anderes, etwas Bedeutenderes machen, in dir fließt das Blut eines Kṣatriya.”
Jagan schüttelte den Kopf: „Also wenn ich irgendwo Blut sehe, kann ich nicht unterscheiden, ob es das eines Kṣatriya ist oder eines Śūdra ist. Und was könnte wichtiger sein, als das Ambiente eines Raumes zu gestalten, der für uns alle der Höhepunkt der Woche ist? Wir arbeiten gerne dafür. Du hast gesehen wie Yuva an Figuren schnitzt, sie ist Bildhauerin, Kalenian schreibt Lieder für unsere Uposatha-Feier, singt sie und er spielt auf der Laute. Yuz und Amita predigen und beantworten unsere Fragen und ganz viele Männer haben daran gearbeitet, die Halle zu bauen. Weißt du Jawaharlal, es gibt nichts Schöneres, als einer großen Sache zu dienen.”
„Auch ich diene einer größeren Sache, Jagan, ich diene meinem Land, ich diene Kazal, ich bin bereit, dafür in den Krieg zu ziehen und notfalls zu sterben, kann man ein größeres Opfer bringen?”
Jagan schüttelte den Kopf: „Ist es wirklich wichtig, welcher Raja ein Land regiert? Klar es gibt gute und schlechte Rajas. Aber vermutlich glauben die Krieger aller Rajas, das Richtige zu tun. Und meiner Meinung nach tun sie das Falsche: sie töten, sie verstümmeln und sie schänden Frauen. Ich aber, Jawaharlal, ich habe mich entschieden, dem Wahren, Schönen, Guten zu dienen. Früher war ich ein unglücklicher Kṣatriya und habe vermutlich auch zum Unglück anderer beigetragen. Jetzt bin ich ein glücklicher Mensch und trage zum Glück anderer Menschen bei. Jetzt bin ich wirklich glücklich!”
In diesem Moment ertönte der große Gong. Jagan sagte: „Es ist Zeit für die Abendandacht, kommst du auch?”
Er sah sich um: „Ich sehe meine Frau nicht. Vielleicht sollte ich sie suchen.”
Jagan zeigte mit dem Finger nach vorn: „Dort ist Sunay, ich glaube er war mit Anandita am See.”
Jawaharlal ging auf Sunay zu: „Weißt du, wo Anandita ist?”
„Bis vor kurzem waren wir am See, dann ist sie zurück gegangen, sie hat gesagt, sie wolle sich hinlegen. Vielleicht ist sie erschöpft von der langen Reise.”
Jawaharlal ging in das Zimmer, das ihnen im Heim der himmlischen Betreuung zugewiesen worden war. Dort fand er Anandita im Bett liegend vor. Sie weinte.
„Was hast du, ist dir nicht gut, Anandita?”
„Ich bin so unglücklich!”
„Warum bist du unglücklich? Hast du dich mit Sunay gestritten?”
„Nein, keineswegs. Ich kann es nicht sagen. Lass mich einfach!”
Sie drehte ihm den Rücken zu. Na toll, überlegte er, hier scheint jeder glücklich zu sein, nur Anandita nicht. Dann dachte er einen Augenblick nach, und stellte fest, dass auch er nicht glücklich war. Inwischen hatte sich Anandita in den Schlaf geweint. Jawaharlal aber lag noch lange wach. Er fragte sich: Was ist das gute Leben? Warum sind wir beide nicht glücklich? Was ist es, das dieses Leute hier glücklich macht? Leute, die nicht einmal Fleisch esen!
Am nächsten Tag war Uposatha. Am Morgen klopfte Sunay an die Tür des Gästezimmeres. „Was gibt´s?” fragte Anandita während sich Jawaharlal, der zuvor lange wach gelegen hatte, jetzt den Schlaf aus den Augen rieb.
„Kommt runter zum Gasthof, das Frühstück wird serviert”, verriet Sunay.
Wenig später waren auch die Gäste auf der Terrasse, die sich inzwischen füllte. Es gab ein reichhaltiges, abwechslungsreiches Frühstück, auch wenn Jawaharlal Wurst vermisste. Andererseits war Rührei mit Lauch eine interessante Abwechslung, die er noch nicht kannte. Er fragte jetzt doch, was dieses unbekannte Wort bedeutete: „Ich habe hier bereits oftmals das Wort Uposatha gehört. Was ist das eigentlich, worauf sich jeder zu freuen scheint?” Und Anandita ging es genauso: „Als ich noch hier lebte, gab es das gar nicht: Uposatha.”
Shanti belehrte die beiden: „Früher war hier vieles anders. Seit Yuz und Amita da sind, ist nichts mehr wie früher. Also Uposatha ist einerseits ein arbeitsfreier Tag.”
„Wie heute arbeitet hier niemand?” staunte Jawaharlal.
„Das stimmt nicht ganz”, schränkte Jagan ein. „An unserem Tisch fehlt zum Beispiel Sunay, er frühstückt mit seiner Mutter.”
„Das kann man ja wohl kaum Arbeit nennen”, lachte Anandita.
„Ja, aber er musste vorher auch seiner Muter bei der Notdurft helfen, das ist schon weniger amüsant. Also die Leute in der Pflege müssen auch heute arbeiten, ebenso das Küchenteam, denn sonst hätten wir jetzt kein Frühstück und heute Mittag keine warme Mahlzeit. Aber sonst muss niemand arbeiten. Uposatha dient der Erholung und der Familie. Vor allem für diejenigen, die harte körperliche Arbeit verrichten, beim Holzfällen beispielsweise oder beim Bau, für die ist so ein arbeitsfreier Tag pro Woche ganz wichtig.”
Shanti ergänzte: „Das ist aber nur die eine Seite; der Uposatha dient auch dazu, dass wir unsere spirituellen Bedürfnisse besser pflegen können. Die Uposatha-Feier in der Halle ist unser eigentlicher Höhepunkt der Woche. Ihr solltet unbedingt daran teilnehmen.”
„Das ist ein Muss!” bekräftigte jetzt Anandita.
Aber Jagan schränkte ein: „Ich würde es nicht so nennen. Es ist eher ein Bedürfnis, das wir haben, jedenfalls die meisten von uns. Von den Landarbeiterfamilien, die früher schon da waren, kommen die meisten inzwischen auch. Von fünf Familien habe ich aber noch nie jemanden dort gesehen. Bei manchen anderen Alteingesessenen kommen einige Familienmitglieder, andere nicht.”
„Vielleicht weil sie dem Brahmanismus anhängen, oder weil sie keine spirituellen Bedürfnisse haben,” vermutete Shanti.
Da alle am Tisch inzwischen ihr Frühstück beendet hatten, nahm Anandita das letzte Stichort auf: „Ich habe jetzt ein spirituelles Bedürfnis, ich möchte endlich die beiden Leute kennenlernen, die hier alles verändert haben.” Sie stand auf.
„Ja, die beiden möchte ich auch gerne näher kennen lernen!” Jawaharlal erhob sich ebenfalls.
Sie gingen zu dem Tisch, an dem Yuz und Amita zusammen mit Anup, Yuva und Kalenian saßen. „Dürfen wie bei euch Platz nehmen?” fragte Anandita höflich.
„Aber selbstverständlich gerne, ich habe schon viel von dir gehört, Anandita.” Man konnte Amita die Freude über die neue Bekanntschaft förmlich ansehen.
„Ich habe so viele Jahre hier gelebt, und als wir hierher reisten, dachte ich, ich wüsste, was mich erwartet – aber nun ist plötzliches alles anders – und sehr viel besser – ihr beide müsst ja Wunder gewirkt haben!”
Amita musste über die Wortwahl lachen: „Wunder wirken ist Yuz Spezialität, er hat sich eine Zeitlang bei verschiedenen Gurus in Magie einführen lassen, dann ist er ins Römische Reich gegangen und hat mit seinen Wundern ein ganzes Land überzogen, bevor er hierher kam. Ich bemühe mich, einen mäßigenden Einfluss auf ihn auszuüben, damit er nicht wieder des Landes vertrieben wird.”
Jawaharlal nickte anerkennend: „Du scheinst ja ein regelrechter Revolutionär zu sein, ein Aufrührer!”
Jetzt musste Yuz aber wirklich einiges klarstellen: „Ich bin alles andere als ein Revolutionär, denn ein solcher möchte die weltliche Ordnung umstürzen, ich aber beschäftige mich ausschließlich mit geistigen Dingen, mit spirituellen Dingen. Ich bin absolut gewaltfrei, nicht nur im Handeln, sondern auch im Denken und Reden, jedenfalls bemühe ich mich darum. Ich lehre die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, unverblendet und frei von Hass und von Gier, ich lehre die Wahrheit, das Gesetz der Natur, ich lehre den Dharma.”
„Wieso warst du eigentlich im Römischen Reich?” wollte Jawaharlal wissen.
„Ja, das würde mich auch interessieren, allerdings frage ich mich auch, ob du nicht ganz und gar von dort kommst, deine Gesichtszüge wirken irgendwie abendländisch”, ergänzte Anandita.
Und Yuz begann zu erzählen. Nach kurzer Zeit entfernte sich Amita mit den Wort. „Das Kind wird unruhig, ich gehe mal ein bischen mit ihm”, was nur ein Teil der Wahrheit war, denn sie wusste, wenn Yuz erstmal anfing, seine Lebengeschichte zu erzählen...
Und – richtig vermutet – die Erzählung und natürlich auch die Fragen, die Anandita und Jawaharlal dazu hatten, und Yuz Antworten darauf zogen sich, bis das Mittagessen aufgetischt war.
Am Nachmittag dann fand wieder die Uposatha-Feier statt, in deren Verlauf auch ein weiterer Landarbeiter und seine Frau zu Dharmamittas wurden. Ihre beiden älteren Kinder, die diesen Schritt schon vor einigen Monaten getan hatten, hatten sie von der Wichtigkeit diess Schrittes überzeugt.
Amita hatte darauf bestanden, dass die Gäste einen Ehrenplatz bekamen, nämlich auf der Bank, die einst Sita dort hatte aufstellen lassen, außerdem hatte sie Shanti gebeten, dort auch Platz zu nehmen, falls die Gäste zu irgend etwas Fragen hätten.
Auf dem Schrein stand in der Mitte die große – noch nicht fertig bearbeitete – Buddha-Figur und links davon die etwas weniger als ein Fuß große Figur der Grünen Tara, sie zeigte die Geste der Wunschgewährung, des tätigen Mitgefühls. Rechts stand inzwischen eine Figur, die Abba darstellte, dessen rechte Hand die Geste der Furchtlosigkeit zeigte, die an den römischen Gruß erinnerte. Auch diese Figur war ganz grün, diese Farbe stand für Karma, für absichtliches und ethisch bewertbares Handeln.

An diesem Tag jedoch wurde die Predigt – oder der Vortrag – von Yuva gehalten, was eher selten vorkam. Yuz hatte zwar überlegt, ob er nicht, wegen des auswärtigen Besuchs diesen gewichtigen Teil der Uposatha-Feier selbst vornehmen sollte, um den Gästen die Grundzüge des Dharma darzulegen. Er hatte jedoch dann davon Abstand genommen, weil er Yuva bereits vor zwei Wochen zugesagt hatte, an diesem Tag ihren speziellen Zugang zum Dharma darzustellen. Alle waren gespannt, was das denn sein würde.
Yuva trat an den Schrein und sprach ein kurzes Gebet, dann drehte sie sich um und blickte ins Publikum: „Liebe Mitglieder der Metta-Sangha, liebe Gäste! Wir versammeln uns hier jede Woche, um das Höchste zu verehren, den Dharma, die gute Lehre, die der Wahrheit entspricht. Der Dharma, wurde verkündet vom Buddha, dessen Abbild hier auf dem Schrein steht. Der Buddha war ein Mensch, so wie wir Menschen sind. Was der Buddha überwunden hat, das können auch wir überwinden. Was der Buddha erreicht hat, das können auch wir erreichen. Und wenn wir die Buddha-Figur auf dem Schrein sehen, dann sollte wir darin den Dharma sehen, die Wahrheit. Der historische Buddha selbst, Buddha Śākyamuni, starb vor mehr als 500 Jahren.
Wenn wir beten, dann beten wir zu Kräften, die nicht tot sind, zu Kräften, die im Universum existieren. Yuz hat uns vor einiger Zeit erzählt, dass er sich diese Kraft als Abba vorstellt, als einen grundgütigen Vater, obwohl das Göttliche natürlich weder männlich noch weiblich ist. Für ihn ist aber diese Kraft, die ihn sein ganzes Leben lang begleitete, selbst in seinen schwersten Stunde, selbst als die Römer ihn kreuzigten, so etwas wie sein Übervater, daher nennt er ihn Abba, was in seiner Sprache, im Aramäischen, `Vater´ bedeutet. Zu ihm betet er in schweren Stunden, und er gibt Yuz Kraft. Daher haben wir diese Kraft hier symbolisch auf diesem Schrein dargestellt. Es ist diese grüne Figur hier rechts, die erhobene Hand ist die Geste der Furchtlosigkeit. Mit der Unterstützung Abbas ist es Yuz gelungen, dreimal zu entkommen, als ihm Priester unterschiedlicher Religionen verfolgten und töten wollten, einmal in Pataliputra, einmal als die Priester Zarathustras ihn durch wilde Tiere töten lassen wollte und schließlich in Galiläa, wo man ihn kreuzigte.
Ebenso wie Abba für Yuz das Tor zum Transzendenten ist, so hat uns auch Amita ihr spezielles Tor zum Transzendenten aufgezeigt, ihr Tor ist Karunā, ist mitfühlende Liebe. Und da dies so unpersönlich klingt und für uns schwer als Gesprächspartner im Gebet oder in der Meditation zu akzeptieren ist, hat auch sie der Karunā ein Bild gegeben, das Bild der Grünen Tara. Dass sie eine weiblich aussehende Figur verwendet, vereinfacht es für sie, sich damit zu identifizieren. Auch die Grüne Tara zeigt eine besondere Geste, es ist die Geste der Wunschgewährung, die geöffnete rechte Hand. Und wenn wir sie genau betrachten, sitzt sie noch halb in Meditationshaltung, aber ihr reches Bein ist schon so abgewinkelt, als würde sie gerade aufstehen, um einem bedürftgen Wesen zu helfen. Die Grüne Tara ist Amitas Tor zum Transzendenten, zu dem, was jenseits der Dingewelt ist.
Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe auch damit experimentiert, mit diesen beiden Figuren. Bei mir hat es leider nicht so gut geholfen, wie Yuz die Idee von Abba geholfen hat und Amita die von der Grünen Tara. Mich hat der Buddha selbst mehr beeindruckt. Ein Mann der seine Familie verlassen hat, der ein Prinz war und der nächste Raja von Śākya hätte werden sollen. Unerschütterlich hat er acht Jahre unter härtesten Bedingungen an sich gearbeitet, bis er dann in der Vollmondnacht des Monats Vesākha das Höchste erreichte, was ein Mensch erreichen kann: Bodhi, Erwachen. Und als ihm Zweifel aufkamen, ob er das erreichen könnte, hat er mit der rechten Hand den Boden berührt und hat Mutter Erde selbst als Zeugin gerufen, um zu bezeugen, dass er über unendlich lange Zeit ethisch gelebt hat. Dieser Buddha, genau in diesem Moment, der ist für mich das Tor zum Transzendenten, der Buddha, wie er in Meditationshaltung sitzt, die Erdberührungsgeste zeigt, um Mutter Erde als Zeugin zu rufen: Seht her!”
An dieser Stelle holte Yuva aus ihrer Tasche eine selbstgeschnitzt Figur, die einen sitzenden Buddha zeigt, dessen rechte Hand die Erde berührt. „Das liebe Leute von der Metta-Sangha ist für mich der Buddha, den ich mir in meiner Meditation darstelle, der für mich der Wegweiser ist, der unerschütterliche Buddha! Und wenn ihr diese große unfertige Buddha-Figur hier auf dem Schrein seht, von der bislang nur der Kopf wirklich zuende bearbeitet wurde, dann brauche ich viel Mut, um diese Figur, an der ich ein ganzes Jahr arbeiten muss, fertig zu stellen. Aber ich werde es schaffen, denn ich übernehme die Unerschütterlichkeit vom Buddha! Das gibt mir die Kraft, das durchzustehen! Und wenn diese große Buddha-Figur fertig ist, wird auch sie die Erdberührungsgeste zeigen, so wie der Buddha es damals in Bodh Gaya tat, unter dem Bodhi-Baum in der Vollmondnacht des Monats Vesākha!
Damit verbeugte sich Yuva und die Zuhörerinnen und Zuhörer spendeten Beifall. Als dieser sich gelegt hatte fragte Anup, ihr Vater: „Aber Yuva, diese kleine Buddha-Figur, warum hast du die denn ganz blau angemalt. Yuz und Amita haben ihre Figuren grün bemalt.”

„Das ist eine sehr berechtigte Frage. Für mein Tor zum Transzendenten passt das Grün nicht. Grün sind die Gräser, grün sind die Bäume, aber sind die unerschütterlich? Nein, sie werden vom Wind bewegt und schließlich fallen sie ab. Unerschütterlich ist für mich der Himalaya, die blauen Berge. Außerdem ist der blaue Buddha für mich das Tor zum Transzendenten, zum Himmlischen, daher habe ich ihm die Farbe des Himmels gegeben. Und wenn ich mich an ihn wende, so nenne ich ihn nicht `Buddha´ oder `Śākyamuni´, wie den historischen Buddha, sondern ich nenne ihn `Akṣobhya´, den Unerschütterlichen!”
Als nächstes meldete sich Anandita mit einer Frage. „Yuz hat mit Abba eine männliche Figur zu seinem Ansprechpartner genommen, Amita hat – als Frau – eine weibliche Figur gewählt, die Grüne Tara. Bei Akṣobhya scheint es sich um eine männliche Figur zu handeln, warum hast du das so gemacht?”
Yuva nickte verständnisvoll: „Eine sehr berechtigte Frage. Vielleicht kann sie dir dein Mann beantworten, er hat gestern darüber nachgedacht!”
Jawaharlal fiel aus allen Wolken, dass er die Frage beantworten solle, er errötete sogar. Da er es aber gewohnt war, selbstbewusst aufzutreten, konnte er jetzt nicht kneifen, er antwortete: „Yuva ist eine scharfe Beobachterin und eben, in diesem Moment, habe ich mir tatsächlich die Frage gestellt, ob sie Gedanken lesen kann. Obwohl sie von `dem Buddha´ gesprochen hat, hat sie dieser Figur einen anderen Namen gegeben. Sie hat `Akṣobhya´ gesagt, was sowohl `der Unerschütterliche´ heißen kann, aber auch `die Unerschütterliche´. Wenn wir diese Figur genau betrachten, erkennen wir keinerlei Geschlechtsmerkmale: keine Frisur, keinen Bart – diese Figur, so wie sie sich Yuva vorstellt, ist weder männlich noch weiblich, sie ist androgyn! Das wahrhaft Transzendente transzendiert alle Gegensätze, alle Dualitäten. Yuva verehrt in Akṣobhya die Nondualität, die unerschütterliche Macht jenseits jeden Dualismus´!”
Jetzt bekam Jawaharlal erneut einen roten Kopf. Er hatte Worte gesprochen, die ihm nie zuvor in den Sinn kamen – ob das die Magie des Ortes war, oder eine Weisheit, die von dem hl. Paar ausging, wusste er selbst nicht.
In diesem Moment stand Yuz auf und sagte: „Dieser Mann, Jawaharlal, hat ein großes spirituelles Potential. Würde er es nutzen und anfangen zu meditieren und zu beten, könnte aus ihm ein spiritueller Meister werden.” Und dann verbeugte sich Yuz vor Jawaharlal.
Es
gab
noch einige weitere Fragen, die Yuva
beantwortete, teilweise unterstützt von Amita,
diese Fragen hatten jedoch alle nicht mehr diese
Tiefe. Dann bat Yuva
Kalenian
nach vorne, dieser spielte eine selbstkomponierte
Melodie auf der Laute und Yuva
sang dazu einen Text, den die beiden gedichtet hatten1
mit dem Titel: `Verehrung für Akṣobhya´:
Deinen vollkommenen Augen,
die die Dunkelheit der Welt erhellen,
bringe ich unzählige Lichter dar.
Deinem vollkommenen Körper,
erlesen, doch unfassbar,
bringe ich Wasserfälle
und Blumenmeere dar.
Deinen vollkommenen Sinnen,
unbefleckt von greifendem Verlangen,
für die nichts je unrein ist,
bringe ich unzählige Düfte und Klänge dar.
Deinen vollkommenen Lippen,
die unaufhörlich den Dharma lehren,
ohne je ein Wort zu sagen,
bringe ich zahllose Speisen und Getränke dar.
Deinem vollkommenen Geist,
tiefer Ozean, strahlender Spiegel,
in unerschütterlicher Glückseligkeit ruhend,
bringe ich unaufhörlich meine Verehrung dar.
Diese poetische Uraufführung war einer der Höhepunkte dieser Uposatha-Feier, und vielen Anwesenden kamen dabei die Tränen des Glücks und der Hingabe in die Augen.
Für Anandita war es so, als hätte sich ihre ehemalige Heimat in ein Paradies verwandelt und sie wünschte sich sehnlichst hierher zurück, obwohl ihr klar war, dass das utopisch war, sie war verheiratet mit Jawaharlal und hatte ein Kind mit ihm. Dennoch wünschte sie sich irgendwann hierher zurückkommen zu können. Als sie schließlich die Dharmamitta-Zeremonie miterleben durfte, stieg in ihr der tiefe Wunsch auf, eines Tages auch eine Dharmamitta der Metta-Sangha werden zu dürfen.
Jawaharlal hatte diesen Wunsch nicht. Allerdings konnte auch er sich nicht der Faszination dieser Feier und des radikal anderen Lebensentwurfes, den die Metta-Sangha der restlichen Welt, der weltlichen Welt, entgegensetzte, entziehen.
In den nächsten Tagen war Anandita wie eine Sammlerin, die immer neue Eindrücke, immer neue Gespräche suchte, sie kam sich vor wie „Anandita im Wunderland”. Sie wusste, dass sie hier nur eine Woche hatte und wollte in dieser Zeit so viel wie möglich vom Wasser der Erkenntnis trinken.
Ganz anders ihr Mann. Er nahm auch all das war, bemerkte auch die Gänsehaut, die er während der Uposatha-Feier bekommen hatte. Aber er war doch mehr ein Produkt seiner Sozialisierung, er fühlte den Kṣatriya in sich. Und er hatte seinem Raja, in dessen Kriegsdiensten er stand, die Treue geschworen. Für ihn begann die schwierigste Zeit. Er hatte vom Licht des Lebens gekostet, doch er war ein Scherge des Fürsten der Finsternis, in dessen Diensten er stand.
Fußnoten
1 Dieser Text ist in Wirklichkeit von Vessantara, einem in der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna Ordinierten, und findet sich unter: http://www.triratna-buddhismus.de/fileadmin/user_upload/Texte/Puja_fuer Locana.pdf
Erläuterungen
Abba – Wenn Jesus Gott anbetete, verwendete er dieses aramäische Wort für „Vater“. Er nahm nicht die Anrede JHWH, die im Tenach verwendet wurde. Während JHWH den alttestamentarischen strengen Gott, der ursprünglich der Kriegsgott der Juden war, bezeichnet, interpretiert Jesus das Göttliche neu und sieht darin eine milde, verständnisvolle und unterstützende Vaterfigur.
Akṣobhya – einer der fünf Buddhas im Mandala der fünf Jinas (Buddhas), indem wir das, was Buddhaschaft ausmacht in ihren wichtigsten fünf Teilaspekten darstellen. Akṣobhya („Der Unerschütterliche“) wird dabei als blauer Buddha dargestellt, der für Unerschütterlichkeit steht. Er wird mit der Erdberührungsgeste dargestellt (die rechte Hand berührt die Erde), was daran erinnert, dass der spätere Buddha kurz vor seiner Erleuchtung Mutter Erde als Zeugin für seinen rechten Wandel berief.
Benares – (heute: Varanasi im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, die bis auf das 11. Jh. v.u.Z. Zurückgeht). Es ist die Stadt, wo der Buddha erstmals den Dharma darlegte. Sie gilt als spirituelle Hauptstadt Indiens und zieht noch heute unzählige Hindu-Pilger an, die hier im heiligen Wasser des Ganges baden und Bestattungsrituale vornehmen. In den gewundenen Straßen der Stadt liegen rund 2.000 Tempel.
Bodh-Gaya – Stelle, an der der Buddha seine Erleuchtung erreichte. Das Wort ist zusammengesetzt aus bodh- (Erwachen, Erleuchtung) und Gaya (Name der nahegelegenen Stadt)
Bodhi – siehe Erwachen
Brahmanen – eine der Kasten im Hinduismus, nur Brahmanen dürfen religiöse Rituale vollziehen
Dharma –
hier gewöhnlich die Bezeichnung für die Lehren des Buddha. Das
Wort bedeutet Wahrheit, (Natur-)Gesetz, Wissenschaft, Lehre.
Dharmamitta – in diesem Buch die Bezeichnung für eine Person der Metta-Sangha, die eine Zeremonie der Zufluchtnahme gemacht hat
Erleuchtung – Den Begriff gibt es in verschiedenen Religionen, ist jedoch dort meist nicht scharf definiert. Im Buddhismus ist er gleichbedeutend mit Erwachen, ein Zustand, in dem alle Triebe restlos erloschen sind.. Ein erleuchtetes Wesen sieht die Welt völlig unverblendet, das heißt, es hat den Dualismus (aus Subjekt und Objekt) überwunden, was bedeutet, dass es sich als nicht von der Umwelt getrennt sieht, dass der Glaube an ein „ich“ oder „Selbst“ überwunden ist. Dies ist keine rein intellektuelle Erkenntnis, sondern spiegelt sich im Denken, Fühlen und Handeln des/der Erleuchteten. In anderen Religionen wird Erleuchtung anders gesehen.
Erwachen – andere spirituelle Traditionen sprechen von Erleuchtung, im Buddhismus verwenden wir besser den Ausdruck „Erwachen“ für das, was der Buddha erreicht hat. Während unter „Erleuchtung“ jeder etwas anderes verstehen kann, beschreibt „Erwachen“ das spezifisch Buddhistische, die Tatsache, dass die erwachte Person die drei Wesensmerkmale Unvollkommenheit, Vergänglichkeit und Egolosigkeit völlig verwirklicht hat. Es ist für die erwachte Person so, als sei alles, was vorher war, so absurd und unlogisch wie ein Traum, daher der Ausdruck „Erwachen“.
Grüne Tārā – Bodhisattva, die für grenzenloses Mitgefühl zu allen Wesen steht. Sie wird immer sitzend dargestellt, im Begriff aufzustehen, um den leidenden Wesen aktiv zu helfen, ihre rechte Hand zeigt die Geste der Wunschgewährung. Sie hat grüne Haut, denn sie gehört zu einer Gruppe von grünen Wesen, genannt die Karmafamilie. Neben der Grünen Tārā gibt es noch 20 weitere Tārās, die Grüne Tārā ist aber die bekannteste davon. Ihr Bild ziert unseren Meditationsraum in Gelnhausen.
Guru – spiritueller Lehrer und/oder Anführer
Karma – im Buddhismus jede absichtlich ausgeführte Handlung. Es wird davon ausgegangen, dass Handlungen Folgen haben, die (auch) auf den Verursacher zurückwirken. Im Hinduismus hingegen wird meist davon ausgegangen, dass es karmisch heilsam sei, sich an die Regeln und Beschränkungen seiner Kaste
karunā = Mitgefühl
Kaste – die indische Gesellschaft
wird gemäß der hinduistischen Religion in streng voneinander
abgetrennte Kasten eingeteilt, die wichtigsten Kasten sind
die Brahmanen (Sanskrit: ब्राह्मण, brāhmaṇa
= Priester), kṣatriya (Sanskrit: क्षत्रिय, Adel, Krieger, Beamte) und die
vaiśya (Sanskrit: वैश्य
=
Kaufleute, Händler, Großgrundbesitzer) und śūdras (Sanskrit शूद्र, = Arbeiterklasse incl.
Handwerker), darunter stehen die Dalits (Kastenlose,
Unberührbare). Auf diese Art schuf der Hinduismus eine
Apartheidsgesellschaft mit einer arischen Mittel- und
Oberschicht, und einer indigenen Bevölkerung, die man nicht
einmal berühren durfte; so sollte eine Rassenvermischung
verhindern werden.
Kṣatriya (Sanskrit: क्षत्रिय) höchste indische Kaste, umfasst Adel, Krieger, Beamte
Mettā-Sangha – Bezeichnung für die von Yuz und Amita gestiftete Spirituelle Gemeinschaft
Mitgefühl – (karunā) ist das Gefühl, wenn mettā auf ein leidendes Wesen trifft. Es ist etymologisch verwandt mit caritas (lat.: Barmherzigkeit) und mit to care (engl.: sich kümmern um).zu halten und die Brahmanen (bezahlte) Opfer für einen bringen zu lassen.
pūjā - „Verehrung“, auch Bezeichnung für eine buddhistisches Verehrungsritual, das aus i.d.R. Gebeten, Opfergaben und Mantrarezitationen besteht, es kann auch Textlesungen enthalten
Rājā – Herrscher, mitunter als „König“ übersetzt. Die Rājās von Shakya, dem Kleinstaat aus dem der Buddha stammt, wurden aber beispielsweise vom Adel gewählt. Ähnliches galt damals in vielen dieser kleinen Staaten, es gab also teilweise monarchische, teilweise republikanische Verhältnisse – und auch Mischformen.
samādhi - „tiefe Meditation, Versenkung, spirituelle Absorbiertheit“
Sangha – spirituelle Gemeinschaft, hier besonders für die Gemeinschaft der Schülerinnen und Schüler des Buddha. Zur Sangha in engeren Sinn gehören nur Mönche und Nonnen, zur Sangha im engsten Sinn nur Erleuchtete.
Śākya – (sanskrit, auf Pāḷi: Sākiya) kleine Adelsrepublik in Nordostindien, in der der spätere Buddha geboren wurde
Śākyamuni – Bezeichnung für den historischen Buddha, wörtlich: „Weiser (muni) aus dem Lande Śākya“
Śūdras - (Sanskrit: शूद्र) = Arbeiterklasse incl. Handwerker, vierte (und niedigste) der Großkasten, darunter gab es sog. „Unberührbare“
Theravāda - eine der frühen Schulen des Buddhismus, die einzige Hinayana-Richtung, die noch existiert. Theravāda bedeutet „Schule der Älteren“, was darauf hinweisen soll, dass ihre Anhänger den Buddhismus so praktizieren, wie das der Buddha selbst gemacht hat. Bei ihnen stehen die Lehrereden des Pāḷi-Kanon, der ältesten buddh. Schriften im Mittelpunkt.
Uposatha – heißt wörtlich Fastentag. Alle sieben Tage ist Fastentag: bei Neumond, bei Vollond und bei Halbmond (es galt der Mondkalender). An diesen Tagen waren die Laienanhänger der Jains dazu aufgerufen zu leben wie die Mönche an den übrigen Tagen, die Mönche aber fasteten. Die Regeln bei den Buddhisten sind anders, dort sollen zwar die Laien auch enthaltsam leben und auf alle Unterhaltung (Musik, Gesang, Theater) verzichten. Die Mönche machen an diesem Tag das “Eingeständnis von Fehlern”, eine Art Beichte.
Vesakha
(Mai) erinnert an die Geburt und das Erwachen
des Buddha.
Es richtet sich nach dem Mondkalender und wird bei Vollmond
im Mondmonat Vesakh gefeiert, das ist im April oder Anfang
Juni.
Zarathustra – soll ein iranischer Priester, Philosoph und der Stifter des Zoroastrismus sein, der im 1. oder 2. Jahrtausend v.u.Z. gelebt haben soll. Heute geht man davon aus, er habe um 600 v.u.z. Gelebt, also in der Achsenzeit und soll somit ein Zeitgenosse von Buddha, Mahavira, Laotse und Konfuzius gewesen sein. Die älteste Biografie stammt aus dem 9. Jhd. unserer Zeitrechnung, also mindestens 1000 Jahre nach seiner Zeit und ist daher mit Vorsicht zu genießen.
Zurück zur Übersicht Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96
zur Seite Die Jesus-Trilogie
zur Heimatseite
© 2025 Copyright by Horst Gunkel, Vacha