Horst Gunkel: Die Jesus-Trilogie - Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96 - Kapitel 15                                                  letztmals bearbeitet am 29.8.2025

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  15 -Anfänge der Lehrtätigkeit im Kaschmirtal


Als sie das Herrenhaus Jagans verließen, beauftragte der Hausherr Ravi, einen der Arbeiter, damit, Amita und Īsā zu begleiten, außerdem führten sie zwei mit Lebensmitteln bepackte Esel mit sich. Ravi entpuppte sich als ausgesprochen neugierig, er wollte alles darüber wissen, wie die Herrschaften geheilt worden waren, denn begreiflicherweise war die Neugier bei den Angestellten groß. Ravi freute sich daher, alles zu Hause zu berichten, was er in Erfahrung bringen konnte.

Amita und Īsā kamen diesem Informationsbedürfnis gern nach. (Nur die Sache mit Jagans intimem Problem blieb unerwähnt.) Ravi stellte viele Zusatzfragen und auch hier gaben die beiden gern Auskunft. Schließlich wollte Ravi auch noch etwas über die Herkunft von Īsā wissen, was dieser um kurze Episoden aus seiner Tätigkeit als Heiler, Totenerwecker und Dämonen­austreiber in Palästina ergänzte. Er wusste, dass diese Geschichten schnell unter der Landarbeiterschaft nicht nur bei Jagan, sondern auch in benachbarten Dörfern die Runde machen würden. Es gab hier zwar keine großen internationalen Handelsstraßen, aber doch Händler, die den Norden von Bhārat Gaṇarājya bereisten, und so war ihnen klar, dass ein Fundament dafür gelegt wurde, das sich ihnen früher oder später spirituell Suchende anschließen würden. Die Basis für ein gemeinsames Projekt war gelegt.

Als sie nach Hause kamen, war selbstverständlich die Freude bei Ajala und Jeevan groß: zwei voll bepackte Esel mit Lebens­mitteln! Und nicht nur das, Ravi sagte ihnen, dass seine Herrschaft ihn beauftragt habe, eine Bestandsaufnahme von den Restbeständen, die sie noch hatten, zu machen, um diese alsdann zu ergänzen. Künftig würde jede Woche er oder ein anderer Bediensteter herkommen, um Dinge zu liefern und sich zu erkundigen, was noch gebraucht würde: Jagan lässt euch ausrichten, dass ihr euch keine Sorgen mehr um Lebensmittel machen müsst. Die Versorgung für den ganzen Rest eures Lebens ist von jetzt an gesichert.”

Als sich Ravi für den Rückweg anschickte, ging Amita noch mit einem besonderen Anliegen zu ihm: „Du hast selbst gesehen, Jeevan ist verkrüppelt und seine Frau ist altersbedingt kaum noch in der Lage, ihn zu pflegen. Frage doch bitte deine Herrschaft, ob es eine Person gibt, die Ajala bei der Pflege helfen kann.”

Ich werd´s ausrichten, da lässt sich bestimmt was machen.”

Kaum war er gegangen, wandte sich Amita an ihren Mann: „Wir müssen einen Plan machen, wie es weitergehen soll.”

Ich denke, wir sollten nicht vorschnell zu viel planen, vieles ergibt sich von selbst. Und ich weiß, dass wir als erstes das Haus reparieren müssen. Es muss winterfest sein. Und wir müssen einen Kamin einbauen, der kleine Herd in der Küche wird die Temperatur sonst im Winter kaum über den Gefrierpunkt bringen.”

Ich dachte eher an die spirituellen Bedürfnisse der Menschen. Du hast mir vom Sabbath in deiner alten Heimat erzählt. Ich denke, es wäre gut etwas in dieser Richtung auch hier einzuführen, allerdings nicht so übertrieben wie bei den Juden, wo man praktisch keinen Handgriff am Sabbath machen darf; aber eben doch einen Tag frei von der üblichen Arbeit, einen Tag, an dem man sich der Meditation, dem Gebet, vielleicht auch dem Ritual widmet, ein Tag an dem die Eltern mehr Zeit für ihre Kinder haben. Wir buddhistischen Nonnen und Mönche hatten dafür den Uposatha, ich denke, den sollten wir hier auch einführen.”

Du bist ja schon eifrig am Schmieden von Plänen, Amita!”

Wenn man nicht weiß, wo man hin will, muss man sich nicht wundern, wenn man dann irgendwo ganz anders ankommt, als man sich das vorgestellt hatte. Ich denke, wir sollten uns klar sein, wo wir hinwollen, und daraus die entsprechenden Pläne ableiten.”

Ich bin nicht der große Planer, ich bin eher der große Macher!”

Vielleicht wäre ja deine Mission bei den Juden erfolgreicher gewesen, wenn du etwas genauere Vorstellungen von deinem Vorgehen gehabt hättest und dich nicht hättest von Stimmungen und Tagesmeinungen hinreißen lassen.”

Weißt du was? Ich beginne jetzt hier mit den Bauarbeiten. Verfolge du deine Pläne. Aber immer wenn du etwas Konkretes vorhast, sprich es bitte vorher mit mir ab.”

Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag, mein Lieber. Das erste, was ich vorhabe, ist das Momentum zu nutzen, in dem wir gerade sind: Jagan und Sita sind begeistert. Dieser Begeisterung muss eine Richtung gegeben werden. Ich denke, ich werde morgen zu den beiden gehen und mit ihnen besprechen, wie wir das Bestehende, also dieses Gehöft hier und das Anwesen von Sita, nutzen können, um etwas in die Wege zu leiten, was für alle hilfreich ist.”

Ja, so machen wir es”, sagte Īsā – auch um das Gespräch zu beenden. Wenn sie planen wollte, soll sie das ruhig machen; umgesetzt würde ja doch nur, wozu auch er bereit sei. Dachte er.

Während Īsā also am nächsten Tag mit den Arbeiten am Dach begann, ging Amita zum Herrenhaus, um Jagan und Sita zu besuchen. Schon als sie das Land der Nachbarn betrat, bemerkte sie eine andere Stimmung, als bei ihren früheren Besuchen: es war irgendwie unbeschwerter, die Leute hatte keine Angst mehr, dass Sita sie irgendwie drangsalieren würde. „Suchst du die gnädige Frau, Amita? Die sitzt mit ihrem Mann hinter dem Herrenhaus”, rief ihr eine der Frauen zu. Amita bedankte sich und ging an die angegebene Stelle. Tatsächlich fand sie dort die beiden; ein Dienstmädchen arbeitete im Hintergrund, räumte irgendetwas auf.

Sita freute sich, als sie den unverhofften Besuch erblickte: „Wie schön Amita, dass du uns besuchen kommst, hast du Īsā auch mitgebracht?”

Nein, der arbeitet am Haus, repariert das Dach. Ich wollte nur mal sehen, wie es bei euch so läuft.”

Das ist lieb von dir, magst du etwas zu trinken, vielleicht Mangosaft?” fragte Jagan, als er aufstand, sie zu begrüßen.

Mangosaft, wäre toll. Habt ihr euch schon etwas an die veränderte Situation gewöhnt?” Das Dienstmädchen eilte inzwischen davon, um Amita das gewünschte Getränk zu bringen.

Es ist einfach herrlich, Amita, stell dir vor, wir haben gerade von euch beiden gesprochen und wir haben da eine Idee. Īsā kennt sich doch in der alten Religion aus und du warst buddhistische Nonne. Das heißt, ihr könntet uns über diese beiden Relgionen näher informieren, das wäre bestimmt sehr hilfreich. Was hältst du davon?”

Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee, Sita! Mehr über die Religionen zu erfahren kann nie schaden. Außerdem gibt es ganz viele Verhaltensregeln, ethische Grundlagen beispiels­weise, die übereinstimmen und die sehr hilfreich sind. Ich könnte mir vorstellen, dass die auch hilfreich für eure Angestellten sind, das würde sich dann auch aufs Arbeitsklima auswirken und auf den Umgang miteinander. Selbst dort, wo die Religionen unterschiedlich sind, kann man sich diese Unterschiede ansehen und dann gemeinsam entscheiden, welche Regeln man hier übernehmen möchte.”

Du meinst jetzt, dass auch die Śūdras daran teilnehmen sollten?” fragte Jagan etwas überrascht.

Ja, warum denn nicht? In der alten Religion, wie du das Judentum nennst, gibt es keine Kasten. Und du, Sita, kommst aus einer buddhistischen Familie. Auch in der Lehre des Buddha gibt es keine Kasten. Das ist eine Erfindung der Brahmanen, die das deshalb sagen, damit sie – genau wie der Adel – als etwas Besonderes gelten, als angesehenere Leute. In keinem anderen Land der Welt gibt es Kasten, nur in Bhārat Gaṇarājya. Sicher, es gibt überall Reiche und Arme. Aber Leuten eine Lehre zu verbieten, oder vorzuenthalten, das gibt es nirgendwo sonst. Bei uns Anhängern des Buddha haben wir außerdem jede Woche einen Fastentag, den Uposatha, an dem auch die Laienanhänger und Laienanhängerinnen, sich mit dem Dharma befassen, auf ihre Weise teilnehmen. Und im Judentum gibt es etwas ganz Ähnliches, den Sabbath, einen Feiertag, an dem sich alle Juden der Arbeit enthalten und religiöse Veranstaltungen besuchen.”

Jede Woche einen Feiertag?” fragte Jagan.

Amita hörte da das Entsetzen des Arbeitsgebers heraus: „Also so machen es die Juden und die Buddha-Anhänger, man könnte ja testweise mal einem halben Feiertag einrichten und sehen, wie das läuft.”

Sita widersprach: „Wenn das bei den Juden und den Buddha-Anhängern funktioniert, warum sollte es dann hier anders sein? Vielleicht motiviert es die Leute sogar bei der Arbeit, Jagan. Aber das würde natürlich auch bedeuten, dass ihr beide da zur Verfügung stehen müsstet und uns unterrichten würdet, also irgendwie die Veranstaltung leitet, wäret ihr denn dazu bereit?”

Aber sicher, ich muss das zwar noch im Einzelnen mit Īsā abstimmen, aber ich kann euch schon einmal eine generelle Zusage geben. Wann wollen wir denn damit anfangen?”

Na, am besten gleich, momentan sind doch alle begeistert von dem Wunder, das ihr vollbracht habt. Wenn ich meinen Leuten sage, dass ihr ihnen mehr von diesen religiösen Dinge vermitteln wollt, und außerdem keine reguläre Arbeit anfällt, werden meine Männer begeistert sein!” freute sich Jagan.

Moment, Jagan, warum eigentlich nur die Männer? Frauen haben auch religiöse Bedürfnisse. Du weißt doch, wie sich Sita für die alte Religion interessiert hat!”

Allerdings!” pflichtete diese bei.

Ja, aber wer soll sich denn dann um die Kinder kümmern und das Essen zubereiten?” Das waren Jagans ganz realistische Bedenken.

Amita nahm sie auf: „Ich denke, das dürfte kein Problem sein. Es gibt bestimmt einige, die sich nicht zu solchen Veranstaltungen verpflichten lassen wollen, die können die Kinderbetreuung übernehmen. Und zumindest bei den Buddha-Anhängern war es so, dass nach der Mittagsstunde nichts mehr gegessen wurde. Das könnte man doch übernehmen, dann geht es nur um die Vorbereitung des Mittagsmahls.”

Gut, dann, lasst uns das einfach so machen, wann können wir anfangen?” fragte Sita.

Uposatha ist alle sieben Tage: Bei Vollmond, Halbmond und Neumond. Heute ist Halbmond. Legen wir also in sieben Tagen los, wenn wieder Uposatha ist! Ich bespreche das Programm mit Īsā und teile euch am vierten Tag dieser Woche mit, was wir vorschlagen. Dann könnt ihr es anschließend euren Leuten sagen. Wäre das so für euch in Ordnung?”

Das ist prima, so machen wir es!” verkündete Sita.

Ach, eins noch, etwas ganz anders”, meldete sich jetzt Jagan zu Wort, „wegen der Pflegekraft für Jeevan: ich habe hierfür eine junge Frau gefunden, sie heißt Reena und ist dreizehn Jahre alt, sie hatte zuvor ihren Großvater zwei Jahre lang gepflegt, er ist vor einem halben Jahr verstorben. Ich kann sie euch für jeweils drei Tage zur Verfügung stellen, danach soll sie wieder für einen Tag nach Hause, wäre das für euch in Ordnung? Wenn ja, kann sie gleich mit dir gehen.”

Das ist ausgezeichnet, ihr seid prima, da fällt mir ein ganz großer Stein vom Herzen!”

Eine Stunde später war Amita mit Reena, der jungen Pflegerin, auf dem Rückweg. Die beiden Frauen unterhielten sich, wobei Amita Reena erklärte, was sie erwartete. Dann kamen sie an Reenas neue Arbeitsstelle.

Das ist Reena, sie wird künftig die Pflege von Jeevan übernehmen, sie ist jung, kräftig und belastungsfähig. Die Arbeit ist für Ajala inzwischen zu anstrengend, allerdings steht Reena immer nur für drei Tage zur Verfügung, dann muss sie wieder einen Tag lang zurück.”

Das ist wunderbar!” freute sich Ajala. Allerdings schien Jeevan alles andere als begeistert: „Aber sie kann doch nicht...” sagte er ängstlich und sah an sich herunter.

Doch die junge Frau zerstreute seine Bedenken rasch: „Keine Angst, alter Mann, ich habe zwei Jahre lang meinen alten Großvater gepflegt, der hatte anfangs auch Bedenken, aber bald fand er es gar nicht mehr so unangenehm.”

Ajala sprang ihr bei: „Und in den ersten Tagen machen Reena und ich das zusammen, dann sieht sie, wie es bei deiner Behinderung am besten zu bewerkstelligen ist, und du brauchst dich nicht zu fürchten Jeevan, ich bin ja bei dir.”

Als Īsā sein Tagewerk vollbracht hatte, man zu Abend gegessen hatte und Jeevan für die Nacht fertig gemacht wurde, zogen sich Īsā und Amita nach draußen zurück. „Was ist denn jetzt bei deinem Gespräch mit der Herrschaft herausgekommen?” wollte Īsā wissen. Amita berichtete ihm alles.

Gut”, sagte Īsā, „dann sollten wir also jetzt einen inhaltlichen Plan machen, also zunächst entscheiden, was wir in den nächsten Wochen machen, außerdem einen Zeitplan für den Ablauf der Uposatha-Tage.

Ja, Īsā, es wird also nach dem Mittagessen beginnen, den Vormittag halten wir einstweilen frei. Wir müssen dann sehen, ob sich das bewährt, denn eigentlich ist ja nach dem Mittagsmahl mehr so eine träge Zeit. Der Vormittag wird aber gebraucht, um das Essen vorzubereiten, dazu sind aber längst nicht alle Leute nötig, eigentlich nur ein Teil der Frauen. Was hältst du denn davon, wenn du vormittags Bauarbeiten machst?”

Was für Bauarbeiten denn, du meinst, ich solle hier am Haus arbeiten?”

Nein, nicht hier, aber in wenigen Monaten wird es Winter, außerdem wird es Regentage geben. Was wir also brauchen, ist eine Versammlungshalle. Du könntest die ganze Woche über vorbereitende Arbeiten machen, und für alles, wofür du kräftige Hände als Hilfe brauchst, nimmst du den Uposatha-Vormittag, da erhältst du dann tatkräftige Unterstützung. Am besten du überlegst dir so ungefähr, wie das gehen könnte, und ich unterbreite dann in vier Tagen Sita den Vorschlag.”

Prima, so machen wir das. Ich kann aber nicht die ganze Woche für die Versammlungshalle arbeiten. Schließlich muss ich auch unser Haus winterfest bekommen, dafür brauche ich auf jeden Fall drei Tage pro Woche. Und jetzt zum inhaltlichen Programm für den Uposatha-Unterricht, ich denke wir müssten uns beschäftigen mit dem Gottesbegriff, mit Meditation und Ethik sowie mit Geschichten und Gleichnissen und natürlich mit den Glaubensgrundlagen.”

Ja, das denke ich auch so in etwa. Wir sollten noch ein Ritual einbauen, die meisten Menschen lieben so etwas. Vor allem muss aber die Meditation am Anfang sein, sonst sind die Leute im Geiste noch damit beschäftigt, was vorher besprochen wurde, genau das sollte aber in Meditation nicht geschehen.”

Dann haben wir aber wieder das Problem mit der Müdigkeit nach dem Essen, meine Liebe.”

Du hast recht, daher zunächst eine halbe Stunde Meditation, dann Essen, hinterher Vortrag, dann Fragen und Antworten dazu und zum Schluss ein Ritual. Pausen bauen wir nach Bedarf ein.”

Also dann zum Gottesbegriff...”, wollte Īsā weitermachen.

Vorsicht, mein Lieber, da könnte es Widerstände geben. Wir sollten uns erst vergewissern, wo die Leute stehen, also welchen Gottesbegriff sie bisher haben, ob sie einer Religion folgen, und wenn ja, welcher. Wir müssen sie schließlich da abholen, wo sie sind. Also in der ersten Woche fragen wir nur und hören, was sie sagen, danach besprechen wir gemeinsam, wie wir darauf aufbauen.”

Genau, wir sind ein Team, aber wir kommen beide auch aus unterschiedlichen Richtungen, schließlich bist du im Brahmanismus aufgewachsen, bevor du dich zum Buddha bekanntest und ich bin jüdisch sozialisiert worden.”

Weisst du Īsā, ich denke, diese Leute hier sind fast alles Arbeiterinnen und Arbeiter, einfache Leute, wir sollten mit ganz praktischen Dingen anfangen, mit ethischen Verhaltensregeln, ich würde da die fünf Vorsätze nehmen, die der Buddha formuliert hat, wäre das für dich in Ordnung?”

Stellen wir sie doch jetzt einmal den zehn Geboten gegenüber, die JHWH den Juden gab, dann können wir entscheiden.”

Diese Gebote kenne ich nicht, kannst du sie einmal benennen?”

Klar, hier also die zehn Gebote:1

  1. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
  2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

  3. Du sollst den Feiertag heiligen.

  4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

  5. Du sollst nicht töten.

  6. Du sollst nicht ehebrechen.

  7. Du sollst nicht stehlen.

  8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

  9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

  10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.”

Aha, da hört man schon durch die ersten Gebote und das ewige `du sollst´ den Gebieter ziemlich stark heraus, vergleichen wir die doch einmal mit den Handlungs­empfehlungen, die der Buddha den Laien2 gab:

  1. Ich nehme mir vor aufzuhören, Leben zu nehmen.

  2. Ich nehme mir vor aufzuhören, Nicht-Gegebenes zu nehmen.

  3. Ich nehme mir vor aufzuhören mit sexuellem Fehlverhalten.3

  4. Ich nehme mir vor aufzuhören die Unwahrheit zu sprechen.

  5. Ich nehme mir vor aufzuhören, bewussseinstrübende Mittel zu nehmen.”

Wie wollen wir also vorgehen, Amita, was schlägst du vor?”

Ich denke, wir gehen anhand der längeren Liste vor, vergleichen das mit den Empfehlungen des Buddha, und formulieren es neu, unserer Zielgruppe entsprechend, einverstanden?”

Das Problem ist: die ersten beiden jüdischen Gebote beziehen sich auf JHWH.

Wir sollten das erst einmal ausklammern, bis wir uns einige sind, ob und wenn ja, welchen Gottesbegriff wir verwenden.”

Einverstanden, dann kommt das Gebot, den Feiertag zu heiligen.”

Ich denke, das brauchen wir gar nicht explizit zu benennen, Īsā. Das bezieht sich doch auf Uposatha, und den heiligen wir, indem wir das machen, was wir gerade vorbereiten. Außerdem ist allen klar, dass für sie die Alternative die ist, sieben Tage in der Woche zu arbeiten, seien wir also pragmatisch und lassen das als Regel erst mal weg.”

Wenn wir alles streichen bleibt nicht mehr viel übrig, fürchte ich.”

„Doch, Īsā, das Entscheidende, die nächsten beiden Gebote der Juden sind schon wichtiger. Das Gebot „du sollst nicht töten” und der erste Vorsatz für die buddhistischen Laien sind praktisch gleich, aber zu eng gefasst, schließlich geht es darum nicht nur nicht zu töten, sondern auch nicht zu verletzen, in letzter Konsequenz darum, freundlich zu allen zu sein.”

Da hasst du recht, meine Liebe, aber du hast das vierte Gebot übersprungen...”

...weil es in die gleiche Richtung geht, aber es ist auch zu eng, es bezieht sich nur auf Vater und Mutter, diese Freundlichkeit, diese Dankbarkeit, diese Hilfsbereitschaft, um die es uns geht, sollte doch niemanden auszuschließen.”

Gut, Amita, dann brauchen wir die Freundlichkeit, sollten aber vielleicht das Nichtverletzen und Nichttöten doch mit aufnehmen.”

Einverstanden, was hältst du davon: Sei freundlich und hilfsbereit zu allen Wesen, verletze oder töte keines.

Prima, das ist wirklich umfassend! Da sind wir doch schon ein gutes Stück vorangekommen.”

Eigentlich haben wir nur die erste Empfehlung des Buddha neu formuliert und um eine positive Variante ergänzt, wir sagen nicht nur, was man nicht tun soll, sondern auch, wie richtiges Handeln aussieht. Ich denke, Īsā, wir sollten es mit der zweiten Empfehlung ähnlich machen, die in die gleiche Richtung geht, wie das siebte Gebot, das mit dem Stehlen.”

Gut, Amita, dann mache ich jetzte einmal einen Formulierungsvorschlag: Sei großzügig! Gib von dem, was du hast, an Bedürftige. Nimm nichts, was dir nicht gegeben wurde.”

Toll, Īsā, jetzt haben wir schon zwei Regeln und beide beginnen mit dem Positiven, erst danach folgt, was man lassen soll. Das sind richtig schöne Handlungsempfehlungen.”

Und jetzt, meine geliebte Amita, nehmen wir das, was mit Verlangen und Gier zu tun hat. Das Gegenteil davon ist ja wohl Gestilltheit, Bescheidenheit, Schlichtheit!”

Genau, da muss aber noch herein, dass wir das Gegenteil, also Gier, Hass und die Verblendung, also den irrigen Glaube, dass wir glücklich wären, wenn wir das hätten, was wir wollen und wenn das weg wäre, was wir nicht wollen, erkennen und vermeiden müssen.”

Ja, dass wir es dadurch vermeiden müssen, dass wir nicht wie das Kaninchen vor Angst auf die Schlange starren oder aus Heimtücke wie die Katze auf das Mauseloch.”

Was hältst du davon: Sei achtsam, worauf du deine Sinne richtest, vermeide alles, was Verlangen (Gier) und Abneigung (Hass) steigert, oder was den Geist verwirrt.

Klingt umfassend, ist aber erläuterungsbedürftig.”

Und genau diese Erläuterung ist wichtig, wir müssen das immer wieder besprechen, wir sollten auch Arbeitsgruppen bilden, wo die Leute das ganz konkret an Fällen. die ihnen passiert sind, besprechen.”

Ausgezeichnete Idee! Dann fehlt nur noch die Sache mit der Wahrheit, die wir sprechen sollten.”

Das müsste aber erweitert werden, wir wollen ja nicht nur nicht lügen, sondern auch mit Worten freundlich sein, darum schlage ich vor: Deine Rede sei wahrhaftig, freundlich, hilfreich und harmoniefördernd.

Das ist ganz ausgezeichnet, damit haben wir eigentlich alles abgehandelt.”

Die beiden sahen sich zufrieden an, dann fiel Amita noch etwas ein: „Wir haben zwar alles abgehandelt, aber es fehlt noch etwas ganz leicht zu Merkendes, etwas, dass das alles umfasst, eine goldene Regel.”

Hmm... der Buddha würde sagen: Sei achtsam!”

Ja, das ist richtig. Aber achtsam ist auch die Katze vor dem Mauseloch, die dann die Maus fängt und quält, bevor sie sie tötet. Was hältst du davon: Handle stets so, wie du möchtest, dass auch die Anderen Handeln?”

Ha, Amita, das ist super! Weißt du, dass das genau das ist, was mir meine liebe Großmutter Anna immer als kleiner Junge gesagt hat?”

Na, dann kann es ja nur richtig sein! Jetzt wissen wir, was wir wollen, jetzt kann´s losgehen!”


Im Laufe der Woche, am vierten Tag, ging Amita, wie es verabredet war, wieder zu Sita und Jagan. Nachdem man die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatte, legte Amita den inhaltlichen Plan vor. Dann kam Sita noch mit einem besonderen Anliegen: „Das klingt alles sehr gut, und hat meine volle Unterstützung. Ich habe mir aber auch vorgestellt, wie ich da zusammen mit meinen Arbeitern auf der Schulbank sitze. Da fühle ich mich klein gemacht. Nicht, dass ich das nicht unterstützen würde. Ich hätte aber gerne als Ergänzung noch etwas Exklusives, bei dem nur du, Īsā, Jagan und ich zugegen sind, möglicherweise gelegentlich noch auswärtige Freunde. Können wir das irgendwie hinbekommen?”

Sita, ich kann dich vollkommen verstehen, so etwas sollten wir unbedingt zusätzlich machen. Das könnte entweder am Abend des Uposatha stattfinden oder an einem anderen Wochentag. Wo dabei eure besonderen Interessen liegen, werden wir sicher dann herausfinden. Ich bin völlig sicher, dass das für euch sehr gewinnbringend sein kann.”

Gut, dann sagen wir doch, ihr kommt künftig immer so wie heute, also am vierten Tag der Woche, nachmittags zu uns. Dann haben wir ein philosophisches Kolloquium.”

Obwohl der Ausdruck und die dahinterstehende Intention Amita nicht ganz gefiel, nickte sie dennoch zustimmend und brachte ein anderes Anliegen vor, das ihr momentan wichtiger war: „Nachdem wir jetzt auch über das Kolloquium einig sind, ist da noch etwas. Es wird manchmal regnen, und auch der nächste Winter kommt bestimmt. Wir brauchen, wenn die Uposatha-Zusammenkünfte immer wöchentlich stattfinden sollen, eine Versammlungshalle. Īsā hat eine Lehre als Zimmermann absolviert, derzeit macht er unser Haus wetterfest. Er könnte dann mit dem Bau einer Halle beginnen, natürlich fällt dabei eine Menge Arbeit an, die er die Woche über erledigen würde. Da Uposatha in Zukunft kein normaler Arbeitstag ist, könnten die Männer, die vormittags freigestellt sind, vorübergehend an der Halle mitarbeiten. Das wäre keine normale Arbeit, sondern Arbeit an unserem spirituellen Projekt, am Uposatha-Projekt. Vielleicht könnten wir am Rande unseres Kollquiums nächste Woche auch besprechen, wie wir das hinbekommen?”

Das klingt gut. Wir werden also dann erstmal am Uposatha-Vormittag hier sein, eine Stunde vor der Essenszeit beginnen wir – wie besprochen – mit einer geleiteten Meditation.”

Jagan, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, gab jetzt seiner Zuversicht Ausdruck: „Ich bin so froh, dass ihr beide da seid! Ich bin sicher, dass das, was wir jetzt gemeinsam angehen, das Beste ist, was es jemals im Kaschmirtal gegeben hat. Und ich bin euch ja so dankbar, dass ihr uns beide geheilt habt.”

Ja”, pflichtete seine Frau bei: „Und richte bitte Īsā aus, dass auch das andere Problem, das Jagan neben dem Stottern noch hatte, inzwischen ebenfalls behoben ist.”

Das freut mich sehr! Und es freut mich insbesondere für euch beide.”

Sie verabschiedten sich und Sita brachte Amita noch bis zur Haustür. Dort, nunmehr ohne Jagan, ergänzte sie: „Jagan ist im Bett tatsächlich wieder fast wie früher, was mich sehr glücklich macht. Wie ist das eigentlich bei euch, du bist doch jetzt keine Nonne mehr?”

Liebe Sita, ich war gerne Nonne und bin sehr dankbar für diese Jahre. Sie haben aus mir das gemacht, was ich heute bin. - Aber ich muss sagen, es hat auch seine Vorteile, inzwischen keine Nonne mehr zu sein.”

Dann lachten beide zusammen und umarmten sich.

Ich glaube ich habe eine Freundin gewonnen”, rief Sita ihr nach.

Amita, die sich da noch nicht ganz so sicher war, antwortete daher: „Es ist immer gut Freundinnen zu haben! Ich freue mich auch, dass wir uns so gut verstehen.”



Am nächsten Uposatha, dem ersten Uposatha im Kaschmirtal, machten sich Ajala, Amita und Īsā auf zum Versammlungsplatz beim Herrenhaus. Reena blieb bei Jagan. Zuerst gingen sie bei Reenas Eltern vorbei und bedankten sich dafür, dass Reena Ajalas Mann pflegte. Sie erfuhr bei dieser Gelegenheit auch, dass diese Abmachung auslaufen müsste, wenn Reena in anderthalb Jahren verheiratet würde, aber bis dahin war glücklicherweise noch viel Zeit.

Alsdann trafen sich Amita und Īsā mit Jagan und Sita und besprachen, wie das mit dem Kolloquium laufen solle. Dann stellte Sita ihren Gästen einen Mann mit dem stolzen Namen Śiva vor. Er war ein Kaufmann, der im ganzen Kaschmirtal und bis nach Puruschapura Handel trieb. Ihm gehörten drei Karawanen, die das Tal durchreisten und die Versorgung sicherstellten. Sie lieferten Stoffe, Gewürze und Metallwaren und kauften landwirtschaftliche Produkte auf. Śiva selbst reiste gewöhnlich mit einer der Karawanen. Diese Karawanen verbreiteten auch die Neuigkeiten, denn sie stellten die Verbindung zwischen den Dörfern und den Städten her.

Jagan hatte tags zuvor Śiva, der gerade mit seiner Karawane hier Station machte, vom bevorstehenden ersten Upostha im Kaschmirtal erzählt. Śiva hatte daraufhin beschlossen, an der Versammlung teilzunehmen und auch die Männer seiner Karawane dazu aufgefordert. Er sagte: „Sollte mich das, was ihr hier macht, überzeugen, verkünde ich das gern im ganzen Kaschmirtal. Meine Angestellten der verschiendenen Karawanen tausche ich übrigens alle paar Wochen unter­einander aus, damit sich Neigkeiten mit allen Karawanen verbreiten, das bin ich als Nachrichtenagentur meinen Kunden schließlich schuldig. Ich bin gespannt, wie das heute hier abläuft.”

Und es lief so ab, dass am fortgeschrittenen Vormittag erst mal Anup den großen Gong dreimal schlug. Dann versammelten sich alle auf einer Weidefläche, nahmen Platz und Īsā begrüßte sie:

Liebe Männer und Frauen, ich freue mich, heute mit euch den ersten Uposatha im Kaschmirtal zu feiern. Ich bedanke mich bei Sita und Jagan, dass sie das möglich gemacht haben. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt für uns alle, und ich hoffe auch für das ganze Kaschmirtal! Ich bin mir sicher, ihr habt inzwischen alle von Amita und mir gehört, sodass ich uns nicht vorstellen muss. Der heutige Tagesablauf ist so vorgesehen, dass wir zunächst eine geleitete Meditation machen. Wie das geht, sage ich euch noch. Anschließend gibt es die Essenspause, an deren Ende Anup wieder den Gong schlägt.

Danach kommt etwas, das sich `spirituelle Standortbestimmung´ nennt. Auch dazu die Einzelheiten später. Anschließend gibt es einen Vortrag zu Thema: Wie sollte ich handeln? Danach gibt es eine Fragerunde, anschließend teilen wir uns in vier Gruppen auf und besprechen das Gehörte. Alsdann kommen wir zusammen und eine Person berichtet aus jeder der Arbeitsgruppen, was dort Thema war. Zum Schluss gibt es ein gemeinsames Ritual. So weit zum Programm. Und jetzt darf ich euch bitten, euch auf den Boden zu setzen.”

Nachdem alle saßen, begann Amita die Meditation zu leiten: „Sitze in Meditationshaltung, die Beine vor dir verschränkt, sodass die Knie aufliegen. - Du berührst die Erde jetzt mit dem Gesäß, mit den Füßen und den Knien. – Das sind deine Erdungspunkte. – Es ist wichtig, dass du stabil sitzt. – Die Wirbelsäule gerade aufgerichtet. – Der Kopf thront in entspannter Haltung auf deinem Hals – ohne jede Muskelanspannung ...”

Es herrschte wunderbare Ruhe während der Meditation, alle wussten, dass dies für sie ein kostbarer Moment war, etwas das selbst die Brahmanen normalerweise nicht machten. Sie aber konnten jetzt ihre Sorgen loslassen und ganz im Hier und Jetzt sein. Sie – einfache Arbeiter – Śūdras! meditierten, angeleitet von einer ehemaligen Nonne, einer Frau aus der Vaiśya-Kaste, in einer Versammlung, die eingeleitet wurde vom möglicherweise besten Dämonenaustreiber der Welt. An diesem Tag kamen sich diese sonst hart arbeitenden Menschen vor, als seien sie Edle. Von diesem Tag an bedeutete Uposatha für sie alle etwas Besonderes, etwas Heiliges.

Nach der Meditation versammelte man sich beim Mittagessen, es gab nur ein Gespächsthema: die Gefühle, die sie bei dieser ihrer ersten Meditation hatten. Selbstverständlich aßen Jagan und Sita nicht mit ihnen, sondern im Haus und wurden von einem Dienstmädchen bedient. Womit die Leute allerdings nicht gerechnet hatte: Īsā und Amita speisten hier, mit ihnen, mit ganz einfachen Menschen. Sie waren begeistert, dass ihnen eine solche Ehre zu Teil wurde!

Bald nach dem Mittagessen versammelten sie sich, als Anup den Gong schlug, wieder am Versammlungsplatz, auch Sita und Jagan waren jetzt wieder zugegen.

Diesmal begann Amita mit einer kleinen Ansprache. Sie bedankte sich bei der „Herrschaft” wie sie Jagan und Sita nannte, für die wunderbare Gelegenheit, hier von nun an Uposatha feiern zu dürfen und sie sprach auch an, dass eine Versammlungshalle errichtet würde: „Die Einzelheiten dazu werden wir noch mit der Herrschaft besprechen, aber ich freue mich schon jetzt, dass es damit auch möglich ist, nicht nur bei Regen, sondern auch im Winter die Uposatha-Tage feierlich zu begehen. Dann kam sie zum nächsten Programmpunkt:

Īsā hat heute Vormittag gesagt, dass wir eine spirituelle Standortbestimmung machen werden, und ihr habt euch bestimmt gefragt, was das denn sein soll.

Es ist letztlich die Frage: Woran glaubt ihr? Sind es Gottheiten, wie Brahma, Śiva, Viṣṇu, JHWH oder andere Götter? Glaubt ihr an Geister oder Dämonen? Gibt es unter euch welche, die dem Erwachten folgen, dem Buddha, oder sind hier Anhänger der Jains oder vielleicht der alten Religion, des Judentums. Oder glaubt ihr an etwas anderes, sagt es einfach frei heraus. Jeder ist aufge­fordert frei heraus zu sagen, was für ihn oder sie wichtig ist, niemand muss sich für irgend etwas schämen, alles ist in Ordnung! Zunächst möchte ich ein paar Leute, mit denen ich das abgesprochen habe, bitten zu beginnen. Śiva, du trägst den Namen eines sehr wichtigen Gottes, woran glaubst du?”

Ich bin ein Kaufmann, ich gehöre also der Kaste der Vaiśya an. Ich glaube an das, was mir die Brahmanen erzählt haben, wenn ich aber – wie heute – die Gelegenheit habe, etwas anderes zu hören, tue ich das auch. Die Weisheit hat viele Väter!”

Danke dir, Śiva! Sita, sagst du uns auch, woran du glaubst?”

Ich bin eine Kṣatriya, ich gehöre dem Adel an und ich wurde im Brahmanismus aufgezogen. Als Kind war ich sehr gläubig, dann kamen Zweifel in mir auf und ich habe einen Mann kennengelernt, meinen Jagan, der mir von der Religion seiner Vorväter erzählt, der alten Religion, die einen Gott namens JHWH verehrt, das fand ich interessant. Dann aber habe ich dadurch etwas anderes kennengelernt. Ja, ich glaube an Dämonen, und ich weiß, wie böse sie sind. Wie ihr alle wisst, war ich zehn Jahre lang von einem Dämon bessesen. Wir haben alle darunter gelitten, ihr genauso wie ich. Ja, ich glaube an Dämonen, aber ich glaube auch an diesen Mann hier, an Īsā, der stärker ist als alle Dämonen der Welt.”

Sita bekam dafür großen Beifall, dann erteilte Amita das Wort Jagan.

Ihr habt gehört, dass ich zwar unter Einflüssen des Brahmanismus stand, dass ich aber die Religion meiner Vorväter, die alte Religion, die man `das Judentum´ nennt, spannender fand. Allerdings habe ich vieles davon auch nicht richtig verstanden. Ich fand es nur gut, weil meine Großeltern mir sagten, es sei gut. Heute weiß ich, dass es vor wenigen Jahren im Römischen Reich einen Mann gab, der diese Religion reformieren wollte, es kam zu einem Aufstand und er wurde zum Tode verurteilt. Seine Jünger verbreiten jetzt seine Lehre im Römischen Reich. Er aber, der Reformator, ist entkommen, sie folterten ihn, aber er konnte fliehen und er ist heute hier, und obwohl er jetzt einen anderen Namen als im Römischen Reich hat, kennen wir ihn als Īsā!”

Jetzt brach ein richtiger Tumult los! Ein solch bedeutender Mann, ein Weltveränderer war unter ihnen! Sie waren durch die Dämonenaustreibung bereits völlig von Īsā überzeugt, aber dass da so etwas wie ein Revolutionsführer aus dem sagenhaften römischen Reich unter ihnen war, das war einfach sensationell!

Īsā versuchte die Leute zu beruhigen: „Ich bin einfach nur einer, der hier ist, um mit euch zu meditieren und mit euch zu sprechen.”

Aber zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, er fünf, sie höchstens zwei Jahre alt, gingen Hand in Hand auf den Gefeierten zu. Und der Junge fragte ihn: „Da hast du einen anderen Namen gehabt, wie heißt du denn richtig, wie hat denn deine Mama zu dir gesagt?” Und Īsā anwortete: „Meine Mama hat mich Jesus genannt”, und auf das fragende Gesicht hin beugte er sich herunter und wiederholte diesen fremdartig klingenden Namen nochmals ganz langsam: „J-e-s-u-s.”4

Da freute sich das kleine Schwesterchen und lief auf Īsā mit offenen Armen zu, sie strahlte übers ganze Gesicht: „Yuz!” Das war die Art, wie sie versuchte den fremden Namen nachzusprechen: „Yuz!” Nun bemächtigte sich eine großer Heiterkeit aller Menschen. Es war kaum Ruhe in die Versammlung zu bringen, das kleine Mädchen hatte so herzlich seine Zuneigung zu dem großen Anwesenden ausgedrückt, dass schließlich Sita aufstand und die Arme erhob, was die Menge dazu brachte sich wieder zu setzen und still zu werden.

Sita sagte: „Jesus, du hast versucht deinen alten Namen abzulegen und dich Īsā genannt. Ich fürchte ab heute hast du schon wieder einen neuen Namen: den Namen Yuz wirst du – glaube ich – nicht mehr los.”

Damit hatte sie recht. Von Stund´ an war der Name Īsā, den er als Deckname angenommen hatte, weil früher viele Leute in Bhārat Gaṇarājya seinen Namen so aussprachen, wie weggewischt. Für den Rest seines Lebens war er Yuz.

Als nächstes machte Yuz seine spirituelle Standortbestimmung, anschließend Ajala, mit der das auch so abgesprochen war, denn Amita wollte sie, eine einfache Frau, über ihren spirituellen Standort sprechen lassen, damit sich die anderen hernach auch trauten, sich zu äußern.

Ajala sagte: Ich gehöre zu den Anhängern des Buddha, so wie es auch meine Eltern waren. Ich muss sagen, ich weiß nicht allzu viel von ihm. Dann sind meine Kinder weggezogen, außer einer Tochter. Als mein Mann verunglückt und meine Tochter im See umgekommen war, ihr wisst alle davon, war ich am Ende. Ich habe ums Überleben gekämpft. Irgendwann habe ich in meiner Not zum Buddha gebetet, ich bat ihn um Hilfe. Am nächsten Tag kam dieser Mann”, sie zeigte auf Yuz, „er war die Hilfe, die mir der Buddha gesandt hat. Und noch einen Tag später traf eine buddhistische Nonnen ein, diese Frau hier”, sie zeigte auf Amita, „wie sollte ich da nicht an den Buddha glauben?”

Im weiteren Verlauf zeigte es sich, dass knapp die Hälfte der Menschen sich formal zum Buddha bekannten, obwohl sie fast nichts von ihm wussten, ein weiteres Drittel zum Brahma­nismus. Ausnahmslos alle glaubten aber an Dämonen – was allerdings nach ihrer Erfahrung mit Sitas Besessenheit nur allzu verständlich war. Danach wurde eine kurze Pause eingelegt, in der sich manche erleichterten, andere holten sich etwas zu trinken, denn es war sehr warm.

Als nächstes kam der Vortrag, den Yuz so begann: „Das Wichtigste, was einem eine Religion geben kann, geben sollte, ist eine Leitschnur dafür, wie man handeln sollte. Amita und ich sind die Regeln der großen Religionen durchgegangen und habe für euch die fünf wichtigsten Regeln zusammen­gestellt. Die erste Regel lautet: Sei freundlich und hilfsbereit zu allen Wesen, verletze oder töte keines.

Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind das Wichtigste, was man tun kann. Ihr habt von Ajala gehört, wie wichtig es für sie war, dass sie Hilfe bekam. Und was aus dieser Hilfe entstehen kann, habt ihr alle gesehen: Ajala hat jetzt genug zu essen und sie hat eine Pflegerin für ihren Mann. Hätte sie mich nicht angesprochen und gefragt, ob ich von Buddha geschickt wurde, wäre ich nicht hier. Ich wusste nichts davon, dass mich der Buddha geschickt haben sollte. Das war auch nicht wichtig, ich war einfach hilfsbereit. Und ihr profitiert alle davon. Und warum? Wäre ich nicht geblieben um Ajala zu helfen, wäre Sita noch immer von Dämonen besessen, ihr würdet alle darunter leiden, Jagan hat ganz besonders darunter gelitten, und es gäbe keinen Uposatha.

Amita und ich leben nach dieser ersten Regel, und ihr seht, dadurch ändert sich etwas, lebt also auch ihr nach dieser Regel, sie trägt dazu bei, dass sich die Welt verbessert. Sei auch du ein Multiplikator der Liebe!”

Dann kam Amita und sprach über die zweite Regel: „Liebe Leute, liebe Frauen, Männer, Mädchen und Jungen, die zweite Regel lautet: Sei großzügig! Gib von dem, was du hast, an Bedürftige. Nimm nichts, was dir nicht gegeben wurde. Ich glaube, euch ist allen klar, dass man nichts nehmen sollte, was einem nicht gegeben wurde, obwohl in dieser Regel viel mehr drin steckt, als es euch jetzt scheint, aber das werden wir im weiteren noch besprechen. Aber das Prinzip ist euch doch allen klar. Dass wir großzügig sein und geben sollten, ergibt sich schon aus der ersten Regel. Hier wird aber besonders deutlich: es geht nicht nur darum, in Gedanken freundlich zu sein, man muss dem auch Taten folgen lassen. Wenn einer mehr hat, dann kann er auch mehr geben. Aber wir alle können in Kleinigkeiten etwas geben, wir können einem Käfer, der auf dem Rücken liegt, ganz vorsichtig helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Ihr glaubt nicht, dass das Geben ist? Doch ist es! Ihr habt dem Käfer damit etwas vom eurer Zeit geschenkt. Ihr habt ein paar Augenblicke eures kostbaren Lebens verschenkt, um einem Käfer zu helfen. Das ist großartig! Wer mehr hat, kann mehr geben. Ihr wisst, wie geizig manche Herrschaft ist, vielleicht habt ihr es auch gespürt, als Sita noch vom Dämon besessen war. Befreit auch ihr euch von euren Dämonen, die euch engherzig machen. Was für eine wunderbare Frau ist Sita jetzt! Sie hat Ajala und Jeevan geholfen, sie hat gemeinsam mit Jagan uns allen geholfen, dass wir hier Uposatha feiern können. Wir werden demnächst hier sogar eine Versammlungs­halle haben! Statt euch sieben Tage die Woche für sie arbeiten zu lassen, hat sie euch nicht nur einen Tag geschenkt, sondern wird uns auch beim Bau der Halle helfen. Und ich bin sicher, es wird noch viel besser werden, wenn wir nicht nur an unser Ich denken, sondern wenn wir alle großzügig etwas geben, denn davon werden alle Vorteile haben.”

Und wieder trat Yuz an. „Unsere dritte Regel lautet: Sei achtsam, worauf du deine Sinne richtest; vermeide alles, was Verlangen (Gier) und Abneigung (Hass) steigert, oder was den Geist verwirrt. Wenn wir gierig darauf blicken, was ein anderer hat, sein Eigentum, seinen Ehepartner, oder was auch immer, dann werden wir uns nicht wohlfühlen. Oder nehmen wir den Hass. Ich bin ziemlich sicher, dass jede und jeder von euch eine zeitlang Hass auf Sita hatte, als sie eine Besessene war. Und sie hatte Hass auf euch. Dieser Hass hat euch nicht glücklich gemacht, sondern unglücklich. Darum schaut nicht auf das, was euch gierig macht und nicht auf das, was in euch Abneigung, vielleicht sogar Hass aufsteigen lässt. Wenn wir hassen, glauben wir fälschlicherweise, dass wir glücklich wären, wenn das verhasste Ding oder die verhasste Person weg wäre. Sind wir aber nicht, denn der hasserfüllte Typ schaut sofort nach dem nächsten ärgerlichen Ding oder der Nächsten verhassten Person – und auf diese Art führt Hass zu immer mehr Hass. Wenn wir aber gierig nach etwas suchen, zum Beispiel nach einem so schönen Kleidungssrück, wie es die Nachbarin hat, dann glauben wir, wir wären glücklich, wenn wir das hätten. - Und wenn wir es haben, was dann? Dann richtet der Giertyp seine Gier sofort auf das nächste Objekt, zum Beispiel auf den Partner der Nachbarin. Mit Gier kann man niemals Gier bekämpfen, nur Bescheidenheit kann Gier besiegen. Ebenso wenig kann Hass jemals durch Hass besiegt werden. Hass kann nur durch Liebe besiegt werden!”

Regel Vier wurde wieder von Amita vorgestellt:

Deine Rede sei wahrhaftig, freundlich, hilfreich und harmoniefördernd. Wer lügt, hat vielleicht einen kurzfristigen Vorteil, aber so macht man sich keine Freunde. Vertrauen aufzubauen geht nur, wenn wir als wahrhaftig wahrgenommen werden. Dem Lügner glaubt man nicht. Aber unsere Rede sollte nicht nur wahrhaftig sein, sonden auch freundlich. Über Freundlichkeit haben wir zuvor schon gesprochen. Seid aber auch freundlich mit Worten, das öffnet die Herzen und führt zu wechselseitiger Freude. Und dann ist da noch das Wort `hilfreich´ in der Regel. Hilfreich heißt hier, dass das, was wir sagen, für den anderen hilfreich ist, nicht etwa nur für mich. Klar es kann auch für mich hilfreich sein, aber wenn wir mit jemandem sprechen, müssen wir immer auch dessen Interessen wahrnehmen. Frage dich nach einem Gespräch mit jemandem: Habe ich ihm wirklich geholfen? Hätte ich ihm vielleicht noch besser helfen können? Wenn wir so reflektieren, werden wir es beim nächsten Mal ganz sicher noch besser machen.

Und schließlich sollte unsere Rede noch harmoniefördernd sein. Was heißt das?

Angenommen drei oder vier Personen haben oft miteinander zu tun, treffen sich oft, reden miteinander. Vielleicht hast du so ein paar Freunde, mit denen du häufig zusammen bist. Stell dir vor: einer von denen fehlt. Und ein anderer sagt über ihn jetzt etwas nicht so Schönes, er lästert über ihn. Viele Menschen reagieren jetzt so, dass sie mitlästern. Wenn ich mit einem Freund zusammen bin und der redet über einen Dritten, der nicht da ist, schlecht, dann sage ich aber nicht etwa auch etwas Schlechtes über den Abwesenden, sondern sage `Ja, der hat ein paar Fehler, wie alle von uns´ und dann erzähle ich, wie dieser Abwesende schon einmal etwas besonders Hilfreiches getan hat. Und jetzt beginnt mein Freund, der vorher über ihn gelästert hatte, nachzudenken. Ihm fällt auf, dass dieser durchaus auch gute Seiten hat. Das nennt man: `harmoniefördernd reden´.”

Schließlich stellte Yuz noch die letzte Regel vor: „Liebe Freundinnen und Freunde, die letzte Regel ist die schönste, weil sie so einfach ist. Ich kenne sie schon, seit ich ein kleines Kind war, seit ich so klein war, wie diese beiden reizenden Kinder.”

Er zeigte auf die Geschwister, die ihm den Namen Yuz gegeben hatten.

Als ich so klein war, sagte Anna, meine liebe Großmutter, immer zu mir: `Kind, handle stets so, wie du möchtest, dass auch die anderen handeln.´ Ja, liebe Freundinnen und Freunde, so einfach kann es sein, richtig zu handeln!

Allerdings war auch einiges von dem, was Amita und ich gesagt haben, komplizierter und wir können uns vorstellen, dass ihr noch einige Fragen dazu habt. Dazu ist jetzt Gelegenheit. Fragt, wenn euch etwas unklar an diesen Regeln für unser Handeln ist, oder wenn ihr etwas davon nicht in Ordnung findet. Habt keine Angst davor zu fragen. Es gibt grundsätzlich keine dummen Fragen. Alle Fragen sind berechtigt. Nur Antworten sind manchmal dumm, aber Amita und ich bemühen uns, keine dummen Antworten zu geben! Es gab wieder etwas Gelächter, das die Stimmung auflockerte und die Menschen dadurch wirklich ermutigte, Fragen zu stellen.

Etwa eine halbe Stunde später teilten Yuz und Amita die anderen in fünf Gruppen ein. In jeder Gruppe war eine etwas erfahrenere Person, es gab also eine Gruppe mit Yuz, eine mit Īsā, die anderen wurden moderiert von Jagan, Sita und Śiva.

Eine Stunde später trafen wieder alle zusammen und aus jeder Gruppe berichtete eine Person. So kam alles zur Sprache, was irgendwo als Problem betrachtet worden war. Danach wurde eine kurze Pause eingelegt. Anschließend versammelten sich alle wieder zu einer Puja, einer Ritualfeier. Hier wurde zunächst ein Mantra gemeinsam rezitiert, dann erzählte Amita eine kurze, aber amüsante Geschichte aus dem Leben des Buddha. Während eines weiteren Mantras gab es eine Lichtzeremonie, bei der jede und jeder die Gelegenheit hatte, einen Holzzspan an einer Öllampe zu entzünden und ihn in einen Sandkasten zu stecken.

Den feierlichen Abschluss bildete das Metta Sutta, ein Gedicht, das der Buddha selbst verfasst hatte, und das jetzt Amita vortrug, nein vorsang, ich möchte sogar sagen: engelsgleich vorsang:

Wem klar geworden, dass der Friede des Lebens

Das Ziel aller Wesen ist,

Der bemühe sich um folgende Gesinnung:

Er sei stark, aufrecht und gewissenhaft,

Freundlich, sanft und ohne Stolz

Genügsam sei er, leicht befriedigt, nicht viel geschäftig und bedürfnislos.

Die Sinne still, klar der Verstand,

Nicht dreist, nicht gierig sei sein Verhalten,

Wofür ihn andere, Verständige, tadeln könnten.


Mögen alle Wesen glücklich sein und Frieden finden:

Was es auch an Lebewesen gibt,

Ob stark, ob schwach,

Ob groß, ob klein,

Ob sichtbar oder unsichtbar,

Fern oder nah,

Ob sie geboren sind oder einer Geburt zustreben:

Mögen sie alle glücklich und sicher sein!

Niemand betrüge oder verachte einen anderen,

Aus Ärger oder Missgunst wünsche man Keinem irgendwelches Unheil.

Wie eine Mutter mit ihrem Leben

Ihr einzig Kind beschützt und hütet,

So möge man für alle Wesen und die ganze Welt

Ein unbegrenzt-gütiges Gemüt erwecken.

Ohne Hass, ohne Feindschaft,

Ohne Beschränkung

Nach oben, nach unten, nach allen Seiten –

Im Gehen oder Stehen, Sitzen oder Liegen

Entfalte man eifrig diese Gesinnung!

Das nennt man „Göttliches Verweilen".


Wer sich nicht an Meinungen verliert,

Tugend und Einsicht gewinnt,

Dem Sinnengenuss nicht verhaftet ist,

Der wahrlich geht nicht wieder

Einer neuen Geburt entgegen.


Yuz stand auf, erhob segnend die Hände und sprach: „Gehet hin in Frieden und tut Gutes!”

Alle waren in einer so feierlichen Stimmung, dass nicht wenigen die Freudentränen übers Gesicht rannten. Man war sich einige: das war der schönste, der feierlichste Moment im Leben aller.

Śiva kam auf Yuz zu und umarmte ihn, dann verbeugte er sich vor Amita: „Etwas so Ergreifendes, aber auch etwas so Tiefgründiges habe ich noch nie erlebt und ich bedaure zutiefst, weiterziehen zu müssen und nicht jeden Uposatha herkommen zu können. Ihr habt in mir einen Anhänger gewonnen, und wo immer ich sein werde, werde ich von euch zu rühmen wissen. Ich denke, dass zahlreiche Menschen im Laufe der Zeit hierher kommen, um bei euch zu lernen. Gesegnet ist dieses Tal mit dem wunderbaren heiligen Paar!”

Einige der Umstehenden hatten dies gehört, und so nimmt es nicht Wunder, dass die beiden seitdem oft als „Das heilige Paar5” bezeichnet wurden.


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Fußnoten

1 Diese Gebote sind im Judentum und Christentum im Prinzip gleich, jedoch etwas unterschiedlich formuliert, wir verwenden hier den Wortlaut der EKD (Evangelische Kirche Deutschlands).

2 Mit „Laien“ sind alle Anhängerinnen und Anhänger des Buddha gemeint, die nicht Mönche oder Nonnen waren (für die gab es mehr Regeln).

3 Das ist die übliche deutsche Übersetzung von Kāmesu micchācāra veramani sikkhapadam samādiyāmi“. „Micchācāra“ bedeutet aber „falsches Wandeln“ und „kāmesu ist das Adjektiv zukāma loka, der Welt des sinnlichen Verlangens.Es heißt also übersetzt: „Ich nehme mir vor aufzuhören mit dem falschen Wandeln in der Sinnenwelt“. Diese Handlungsempfehlung ist also deutlich weitergehend, als sich nur auf Sexualität zu beziehen, sie ist damit ähnlich wie das 9. und 10. Gebot des Dekalogs.

4 Der Name Īsā ibn Maryam (Īsā Sohn der Maria) für Jesus (den zweitwichtigsten Propheten des Islam) ist nur noch im Koran (und folglich bei Moslems) üblich. Allein die islamische Sekte, die seit 1900 Jahren und noch bis in die Gegenwart Jesu Grab in Kaschmir bewacht, nennt in Yuz Asaf. Das Grabhäuschen Roza Bal“ befindet sich in der Khanyar-Straße in der Altstadt von Srinagar (Kaschmir). Unter anderem laut dem Sufi (islamischen Mystiker) und Historiker Fida Hassnain sei Jesus dort bestattet. (Quelle: Wikipedia 14.5.2024)

5 Der besseren Lesbarkeit wegen wird auch in diesem Buch ab hier vom „heiligen Paar“ gesprochen, wenn Amita und Jesus/Yuz gemeint sind, das liest sich besser.


Erläuterungen

Bhārat Gaṇarājya – (Sprache: Hindi) indische Bezeichnung für Indien 

Brahmā – einer der Hauptgötter des Hinduismus, er gilt dort als der Schöpfer. Der Buddhismus kennt keinen Schöpfergott.

Brahmanen – eine der Kasten im Hinduismus, nur Brahmanen dürfen religiöse Rituale vollziehen

Brahmanismus – indische Religion, in der (u.a.) ein Brahman (Gott) verehrt wird. Der B. wird heute als Hinduismus bezeichnet.

Dharma – hier gewöhnlich die Bezeichnung für die Lehren des Buddha. Das Wort bedeutet Wahrheit, (Natur-)Gesetz, Wissenschaft, Lehre.

Erwachen – andere spirituelle Traditionen sprechen von Erleuchtung, im Buddhismus verwenden wir besser den Ausdruck „Erwachen“ für das, was der Buddha erreicht hat. Während unter „Erleuchtung“ jeder etwas anderes verstehen kann, beschreibt „Erwachen“ das spezifisch Buddhistische, die Tatsache, dass die erwachte Person die drei Wesensmerkmale Unvollkommenheit, Vergänglichkeit und Egolosigkeit völlig verwirklicht hat. Es ist für die erwachte Person so, als sei alles, was vorher war, so absurd und unlogisch wie ein Traum, daher der Ausdruck „Erwachen“.

Jainismus Der Jainismus ist eine indische Religion, die es seit etwa 3500 Jahren gibt (teilweise wir er auf noch älter geschätzt). Seine großen Lehrer werden als „Furtbereiter“ bezeichnet, weil sie die Furt aufgezeigt haben, durch die es an das andere Ufer (Nirwana) geht. Historisch belegt ist der letzte dieser Furtbereiter, Mahavira der zur gleichen Zeit lebte wie der Buddha. Er war radikaler als der Buddha und gewissermaßen sein Konkurrent auf dem Markt der neuen Religionen Indiens vor 2500 Jahren. Im Gegensatz zum Buddhismus ist der Jainismus in Indien niemals verschwunden. Heute bekennen sich in Indien mindestens fünf Millionen Menschen zum Jainismus. Der wohl weltweit berühmteste Inder bis heute – Mahatma Gandhi, ein gläubiger Hindu  – stand dieser Religion nahe, deren Anhänger eine radikale Gewaltlosigkeit zu leben versuchen.

Jains – Anhänger der Religion des Jainismus

JHWH – ist der Eigenname des Gottes im Tanach. Da es in der hebräischen Schrift keine Vokale gibt, enthält er nur Konsonanten. Ausgesprochen wird er Jahwe, oder auch Jehova.

Kaste – die indische Gesellschaft wird gemäß der hinduistischen Religion in streng voneinander abgetrennte Kasten eingeteilt, die wichtigsten Kasten sind die Brahmanen (Sanskrit: ब्राह्मण, Priester), katriya (Sanskrit: क्षत्रिय, Adel, Krieger, Beamte) und die vaiśya (Sanskrit: वैश्य = Kaufleute, Händler, Großgrundbesitzer) und śūdras (Sanskrit शूद्र, = Arbeiterklasse incl. Handwerker), darunter stehen die Dalits (Kastenlose, Unberührbare). Auf diese Art schuf der Hinduismus eine Apartheidsgesellschaft mit einer arischen Mittel- und Oberschicht, und einer indigenen Bevölkerung, die man nicht einmal berühren durfte; so sollte eine Rassenvermischung verhindern werden.

Katriya (Sanskrit: क्षत्रिय) -  höchste indische Kaste, umfasst Adel, Krieger, Beamte

Mantra – eine heilige Silbenfolge, die in Ritualen häufig wiederholt aufgesagt wird, das bekannteste Mantra ist OM MANI PADME HUM. Das Wort Mantra kann mit „Schutzgeist“ übersetzt werden.

Puruschapura - Heute heißt die Stadt am östlichen Ausgang des Chaiber-Passes Peschawar und hat 2 Mio. Einwohner; zu Jesu´ Zeiten war die Stadt erst vo rwenigen Jahrzehnten von den buddhistischen Königen Gandharas gegründet worden. 

pūjā - „Verehrung“, auch Bezeichnung für eine buddhistisches Verehrungsritual, das aus i.d.R. Gebeten, Opfergaben und                     Mantrarezitationen besteht, es kann auch Textlesungen enthalten

Sabbath - jiddisch Schabbes ist im Judentum der siebte Wochentag, ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Seine Einhaltung ist eines der Zehn Gebote. Er beginnt am Vorabend und dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag, denn im jüdischen Kalender dauert der Tag vom Vorabend bis zum Abend des Tages – nicht von 0 bis 24 Uhr. Dies ist abgeleitet aus dem Schöpfungsbericht, dort heißt es „und es war Abend und es war Morgen, ein Tag“.

Śiva – (sanskrit: Glückverheißender) ist einer der Hauptgötter des Hinduismus. Als Bestandteil der „hinduis­tischen Trinität“ (Trimurti) mit den drei Aspekten des Göttlichen, also mit Brahma, der als Schöpfer gilt, und Vishnu, dem Bewahrer, verkörpert Śiva das Prinzip der Zerstörung. Außerhalb dieser Trinität verkörpert er Schöpfung und Neubeginn ebenso wie Erhaltung und Zerstörung.

Uposatha – heißt wörtlich Fastentag. Alle sieben Tage ist Fastentag: bei Neumond, bei Vollond und bei Halbmond (es galt              der Mondkalender). An diesen Tagen waren die Laienanhänger der Jains dazu aufgerufen zu leben wie die Mönche an           den übrigen Tagen, die Mönche aber fasteten. Die Regeln bei den Buddhisten sind anders, dort sollen zwar die Laien               auch enthaltsam leben und auf alle Unterhaltung (Musik, Gesang, Theater) verzichten. Die Mönche machen an diesem           Tag das “Eingeständnis von Fehlern”, eine Art Beichte.

vaiśya (sanskr.) ist im indischen Kastensytem die Bezeichnung für die aus Kaufleuten, Händlern, Geldverleihern und Groß-­             gund­besitzern bestehende dritte Kaste der traditionellen vier Kasten des Hinduismus.

Viṣṇu - (sanskr.; sprich: Wischnu) ist eine der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus und kommt bereits in den Veden vor. Er gilt als das bewahrende Prinzip.


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