Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eineseuropäischen Buddhisten - Stand 23.4.2022

Szene 108 – Die zweite Warnung (1985-1989)


Dies ist wie schon die Abschnitte „Liebe, Verblendung und Amitabha“ und „Blick in die Zukunft“ ein Abschnitt, von dem mir immer klar war, dass ich ihn eines Tages aufschreiben müsste, vor dem ich mich aber bisher immer drückte, da sie mich in einem nicht wirklich positiven Licht erscheinen lassen. Und dieser Abschnitt ist von allen dreien der Schwärzeste. Er zeigt mich nämlich in einem Licht, das meine dunkelste Seite zeigte: ich habe früher oft zu viel getrunken und bin dann auch noch Auto gefahren. Offensichtlich fühlte ich mich noch immer von der Prophezeiung eines Wahrsagers (vgl. Szene....) geschützt, der mir 1970 vorhergesagt hatte, ich könnte ruhig schnell fahren, mir würde nichts passieren.

Es muss ungefähr 1985 gewesen sein, als ich zu einer Versammlung von ROBIN WOOD nach Darmstadt fuhr. Wir trafen uns in einer Kneipe und ich hatte wieder einmal zu viel getrunken. Auf dem Rückweg nickte ich beim Fahren an einem Autobahnabzweig ein, ein Ruck ließ mich aufwachen. Ich hatte mit dem linken Reifen den Beginn des Grünstreifens, genauer, den bürgersteigkanten-ähnlichen Absatz am Rande de Grünstreifens überfahren, vor mir die Leitplanke. Die war damals glücklicherweise am Anfang bereits in die Erde versenkt. Ihr ganz auszuweichen, war es zu spät, also fuhr ich mit dem linken Vorderreifen die Leitplanke hoch, gelangte mit den linken beiden Reifen auf die Leitplanhe und lenkte dann von dieser nach rechts zurück auf die Autobahn, das Fahrzeug war nur ganz leicht beschädigt und ich war um eine plötzliche Erkenntnis reicher.

Meine urplötzliche Erkenntnis – oder sollte ich besser sagen meine Eingebung von außen? - war: das war´s dann mit deiner Immunität gegen schwere Unfallfolgen. Dein gutes Karma, dem du das zu verdanken hast, ist aufgebraucht. Und mir war klar, das war eine ernste Warnung. Mir war auch klar, dass es maximal drei Warnungen geben würde, jede würde heftiger als die vorherige. Eine vierte Warnung würde es nicht mehr geben, die wäre mein Ende. Ich wusste, ich muss mich ändern, radikal ändern, keine Fahrten unter Alkohol mehr!

Von da an riss ich mich zusammen. Ein, zwei Bierchen ja, vielleicht auch ein oder zwei Glas Wein, aber bei mehr wird nicht mehr gefahren. Und ich muss sagen, ich habe mich an diesen Vorsatz gehalten bis...

Es war das Jahr 1989. Ich war inzwischen Fraktionsvorsitzender Grünen im Kreistag des Main-Kinzig-Kreises. Im März war ich als Spitzenkandidat in die Kreiswahl gegangen, allgemein wurde davon ausgegangen, dass es nach den Wahlen zu einer rot-grünen Koalition kommt und dass ich dann Erster Kreisbeigeordneter würde, stellvertretender Landrat. Und diese Zeit in der mein Wort zählte, in der die Presse regelmäßig über mich und meine Pläne berichtete und mein Ansehen auf einem Höhepunkt war, schmeichelte mir. Andererseits war mir klar, dass die SPD-Führung des Main-Kinzig-Kreises alles daran setzen würde, auf ein baldiges Scheitern dieser Koalition hinzuarbeiten, denn die SPD-Führung in diesem Landkreis stand der CDU wesentlich näher als uns.

Mir war somit klar: die SPD würde sich auf den grünen Dezernenten einschießen, bis sie ihn zum Rücktritt gezwungen hätten oder ihn mit der CDU abwählen würden. Und mein wunder Punkt war sicher mein damals noch immer zu hoher Akoholkonsum. Zwar nicht mehr beim Fahren, aber ansonsten. Ich wusste, dass es sehr schmerzhaft für mich würde und dass ich als gebrochener Mann daraus hervorgehen würde. Von daher fand ich es durchaus reizvoll, dass der grüne Kreisvorstand mich bereits Monate vor der Wahl gefragt hatte, ob ich denn wirklich das Amt als Vizelandrat anstrebe, oder ob man nach einem auswärtigen Experten suchen solle. Ich empfahl, diesen auswärtigen Experten zu suchen. Der Kreisvorstand teilte mir dann später mit, man habe einen solchen gefunden, einen Abfallexperten – Müllpolitik war im Wahlkampf das zentrale Thema gewesen – einen gewissen Dr. Friedrich. Ich war darüber sehr froh – einerseits. Andererseits war damit klar, dass ich dann in der Öffentlichkeit nicht mehr der Kopf der Main-Kinzig-Grünen wäre. Bedeutungsverlust drohte. Dieser Bedeutungsverlust war von zweierlei Art. Einerseits fürchtete ich zu Recht, dass dann viele Projekte, die mir am Herzen lagen, nicht weiter verfolgt würden. Andererseits würde mein damals ziemlich aufgeblasenes Ego darunter leiden. (Was spirituell allerdings positiv wäre. Aber das wusste ich damals noch nicht.)

Im Frühsommer war bei unserer damaligen Kreissprecherin eine Gartenparty in dem kleinen Dorf, in dem sie wohnte. Natürlich waren auch Dr. Friedrich und ich zugegen. Die Kreissprecherin fragte mich, ob sie nunmehr bekannt gaben könnte, dass Dr. Friedrich unser Kandidat für den Posten als Kreisbeigeordneter sei und ich zurückzöge. Ich sagte ihr das zu, wohl wissend, dass damit meine einflussreiche Zeit in der regionalen Politik beendet wäre. Ich griff zum Alkohol. Und ich war mit dem Auto da. Etwa gegen 1 Uhr nachts verließ ich die Party. Zu allem Überfluss sollte ich zunächst noch einen anderen grünen Würdenträger nach Hause fahren, was mir leidlich gelang. Allerdings wusste ich danach nicht mehr wo ich war, ich kannte mich in dieser ländlichen Gegend des Main-Kinzig-Kreises nicht aus – Navis gab es noch nicht und eine Landkarte hatte ich nicht dabei. Ich irrte herum, ich verfuhr mich, ich war betrunken und furchtbar müde. Und außerdem war ich wütend. Ich fuhr zu schnell – und war doch so müde und so fertig ---

Aus einem Sekundenschlaf schreckte ich hoch – ich war in einem Dorf, der Tacho bei 160, da vorne eine scharfe Linkskurve, das konnte nicht gut gehen. Mir war schlagartig klar: das müsste das Ende sein, entweder knalle ich gegen das Haus oder ich überschlage mich in der Kurve. Zu dem Totalschaden und schweren Verletzungen käme das Ende meiner Karriere, viel schlimmer noch als die Tatsache, nicht Kreisbeigeordneter zu werden. Ich wäre politisch erledigt. Ich, der verkehrspolitische Sprecher der Kreisgrünen, bei einer Alkoholfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit in einer geschlossenen Ortschaft verletzt. Kurz erschienen wieder Bilder, wie in meinem Bericht "Blick in die Zukunft" (vgl. Szene 107) aber ich konnte sie nicht sortieren. In diesem Moment war es, als dröhnten Behelfe in meinen Ohren:

Lenker geradeaus!“ (Das bedeutete, dass ich gegen das Haus fahren würde, aber es würde auch dazu führen, dass mein Auto beim Aufprall nicht schräg auftraf und somit ein Reifen blockiert war.) Ich gehorchte.

Vollbremsung!“ (Obwohl klar war, dass ich niemals den Aufprall auf das Haus würde verhindern können.) Ich gehorchte. Das Haus raste auf mich zu. Aber ich gehorchte

Rückwärtsgang rein!“ (Was sollte das?) Ich gehorchte blind. Meine beiden Füße traten noch das Kupplungs und Bremspedal durch.

Füße anwinkeln!“ Ich wusste sofort, dass ich den linken Fuß nach außen angewinkelt auf das Kupplungs- und den rechten ebenso angewinkelt auf das Bremspedal positionieren musste, das Haus war nur noch 2-3 m entfernt.) Ich gehorchte mit Kadavergehorsam.

Jetzt erfolgte der Frontalaufprall. Ich war nicht angeschnallt. Ich flog gegen die Windschutzscheibe, mein Nasenbein brach. Der Abdruck meiner Nase war hinterher noch in der zerborstenen Verbundglasscheibe zu sehen. Beim Nachvornefallen rutschte ich vom Kupplungs- und Gaspedal nach außen fort, der rechte Fuß geriet aufs Gaspedal, der Motor heulte auf, und tatsächlich fuhr das Auto im Rückwärtsgang von der Mauer weg.

Erster Gang rein und weg!“ Ich tat, wie mir befohlen. Erstaunlicherweise ließ sich das Auto noch lenken, wohl weil der Aufprall frontal erfolgte und nicht eine Radseite die Wucht das Aufpralls abbekommen hatte. Ohne zu halten, fuhr ich rasch weg, bevor die vom Aufprall erwachten Dorfbewohner nachschauen konnten, was los war. Blut floss in Strömen aus meiner Nase, ich versuchte es wegzupusten, Bluttropfen sprenkelten über die ganze Scheibe.

Am nächsten Morgen brachte ich das Auto zu meinem Freund Franz, der einen Karosseriebaubetrieb hatte. Erstellte fest: „Sauber, das Auto ist 20 cm kürzer, ein Wunder, dass es noch fahren konnte. Siccherlich weil du frontal auf etwas aufgefahren bist. Sag mal, Horst, wie schafft man solch einen Schaden, was ist passiert?“ „Ach Franz,“ sagte ich, „ein Haus ist mir ins Auto gelaufen.“ „Ja, ja,“ antwortete Franz, „die Häuser werden auch immer unvorsichtiger.“

Aber mir war eigentlich alles andere als zum Scherzen zumute. Das war die zweite Warnung, und diesmal war das Auto stärker beschädigt und ich erstmals verletzt. Maximal noch eine Warnung, und die würde für mich heftiger ausgehen. Ich beschloss, nur noch nüchtern Auto zu fahren. Ich versprach es meinem Beschützer, der mir diese Befehle gegeben hatte, wer auch immer es war, vielleicht mein Schutzengel, der allmählich die Geduld mit mir verlor.

Und ich fuhr nur noch nüchtern Auto, wie versprochen.

Vom Radfahren hatte ich nichts gesagt. Das hatte ich einfach nicht in Betracht gezogen. Leider!


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