Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eineseuropäischen Buddhisten - Stand 23.4.2022

Szene 107 – Der Blick in die Zukunft (1979)


Es war in den ersten Januartagen nach den Schulferien und ich wollte – wie jeden Werktag – mit dem Auto von Großauheim ins 25 km entfernte Gelnhausen fahren, wo ich als Berufsschullehrer arbeitete. Bald kam ich auf die Bundesstraße, die zwischen Hanau und Erlensee autobahnartig ausgebaut war. An diesem Tag war ganz leichter Schneefall, die Straßen waren geräumt, der Altschnee lag rechts neben der Straße aufgetürmt, aber auf der Straße war praktisch kein Schnee zu sehen. Es war zu der Zeit, da ich glaubte, mir könne im Straßenverkehr praktisch nichts passieren, da mir solches ein Wahrsager vorausgesagt hatte (vgl. Szene....) und mein bislang alles andere als defensiver Fahrstil dies zu bestätigen schien.

Also fuhr ich am Anfang des vierspurigen Abschnitts auf die linke Fahrspur, beschleunigte auf 80 und machte dann eine scharfe Bremsprobe, das Auto bremste ohne ins Rutschen zu geraten, die Straße war griffig, von Fahrbahnglätte keine Spur. Also kein Grund zum Schleichen!

Und wie das so meine Art war, blieb ich links, um mit gesetztem linken Blinker an allen vorbeizurauschen, die auf der rechten Fahrspur entlang krochen. Das waren damals erstaunlich wenige Fahrzeuge, und auf der linken Fahrspur war ich der einzige. Als ich mit 160 Stundenkilometern links entlangraste, sah ich in einiger Entfernung auf der rechten Fahrspur einen sehr langsamen LKW und dahinter einen VW-Käfer, der diesem schon geraume Zeit folgte, ohne überholen zu wollen. Doch ganz kurz bevor ich die beiden passieren wollte, zog der Käfer plötzlich nach links - ohne zu blinken, und offensichtlich ohne dass der Fahrer in den Rückspiegel gesehen hatte.

Zum Bremsen war es zu spät, der Käfer zu dicht vor mir, also zog ich auf die rechte Fahrspur – wo bis zum LKW ein etwas längerer Weg als bis zum Käfer war, hier müsste eine Vollbremsung noch rechtzeitig wirken. Doch, oh Schreck, es war hier spiegelglatt! Offensichtlich war die Straße mit dem leichten Hauch von Schnee links noch griffig genug, aber rechts lag kein Schnee mehr, weil der von den warmen Fahrzeugen aufgetaut und dann wieder überfroren war. Ich hatte scheinbar keine Chance! In diesem Moment taten sich vor meinem geistigen Auge ungefähr acht parallele Zukünfte wie im Film auf, die im ultraschnellen Zeitraffer abliefen, am Ende von allen war ich tot oder schwerverletzt, nur in einem war ich neben meinem zertrümmerten Fahrzeug und ging auf den Käfer zu. Ich entschied mich, diese zu wählen und ließ den Film vor meinem geistigen Auge nochmals ganz langsam ablaufen, damit ich so handeln konnte wie in diesem Film: scharf rechts raus, in die Schneehaufen, der Wagen zog nach rechts donnerte auf einen Schneehaufen, flog ein Stück hoch, war jetzt rechts neben dem LKW, senkte sich wieder, ich riss - wie in dem Film - das Lenkrad nach links, so dass die Reifen nach links zeigten, als der Wagen wieder auf die Schneemassen kam, er zog nach links, vor dem LKW über beide Fahrspuren, knallte mit dem Kühler gegen die Mittelleitplanke und drehte sich infolge der Restgeschwindigkeit gegen den Uhrzeigersinn, sodass der überholende Käfer auf der Beifahrerseite in mein Fahrzeug knallte. Ich stand auf und ging auf den Käfer zu. Es war mit gelungen, nicht nur unverletzt zu überleben, sondern sogar den am Unfall schuldigen Käferfahrer zu stellen.

Das Gericht stellte später die Alleinschuld des Käferfahrers, eines US-Soldaten, fest. Der Unfall führte zu einem Gesamtschaden von 130.000 DM, denn dabei wurde auch eine in der Mittelleitplanke verankerte Schilderbrücke irreparabel geschädigt.

Was mich aber am meisten wunderte, war, dass ich in einer absoluten Gafahrensituation in die Zukunft - sogar in mehrere Parallelzukünfte - sehen konnte und so die optimale Strategie auswählen konnte. Und Ähnliches sollte später nochmals geschehen (vgl. Szene 108).


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