Horst,
der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eines
europäischen Buddhisten - Stand
Szene 070 – Die Bodhisattvas von Spanien - 1977
Es war im August 1977: unsere erste Reise nach Spanien. Spanien, insbesondere Mallorca, war seit 15 Jahren ein Traumziel der Deutschen, nicht so für mich.
Denn Spanien war seit 40 Jahren eine Diktatur. Die faschistische Falange-Bewegung hatte 1936 gegen die gewählte Regierung Spaniens geputscht und in einem äußerst grausamen Bürgerkrieg dank der Luftunterstützung von Hitler, der hier seine Luftwaffe für den kommenden Weltkrieg testen konnte, die Verteidiger der Republik besiegt. Anders als die faschistischen Regierungen in Italien und Deutschland fegte der 2. Weltkrieg aber die rechtsradikale Diktatur in Spanien nicht hinweg. Der Generalissimus der Putschisten, Franco (Bild), blieb Diktator bis zu seinem Tode 1975. Für danach hatte Franco die Rückkehr zur Monarchie vorgesehen, wohl in der Hoffnung, der Thronfolger des Hauses der Bourbonen würde in seinem Sinne die Regierungsgeschäfte weiterführen. Doch unter dem neuen Monarchen Juan Carlos (rechts, neben Franco, 1975) kehrte Spanien zur Demokratie zurück. Das geschah 1975. Also war es soweit: 1977 konnte ich meinen Boykott der iberischen Halbinsel beenden.
Das Carstle, mein VW-Campingbus (hier mit Steffi auf der Hinfahrt in Piney, Frankreich), brachte uns nach Spanien. Ich hatte gerade meine Refrendarzeit an den Beruflichen Schulen in Hanau abgeschlossen und sollte nach den Sommerferien eine Stelle an den Beruflichen Schulen in Gelnhausen antreten, der erste Schultag war der 6. September. Ich war inzwischen mit Eleonore verheiratet, und wir hatten zwei kleine Töchter, Kohlrübchen, die in diesem Urlaub ihren zweiten Geburtstag feierte, und Steffi, die während des Urlaubs ihr erstes Lebensjahr vollendete. Wir fuhren mit dem Carstle quer durch Frankreich und dann über die Pyrenäen – durch Andorra – nach Spanien.
Wir hatten ein kleines Iglu-Zelt dabei, in dem im Normalfall ich mit dem Baby schlafen sollte, während Eli und Kohlrübchen im Carstle übernachten sollten. Doch schon in den Pyrenäen stieß das Konzept an seine Grenzen. Am Tag war es sehr heiß, und dann hatten wir in der Nacht ein heftiges Gewitter. Ich erwachte und stellte fest, dass das Baby, Steffi, mit dem Kopf zwischen die Luftmatratzen gerutscht war. Ich bemerkte, dass das Kind (wie ich annahm) infolge der Schwüle klatschnass geschwitzt war, sein Kopf war tropfnass.
Als
ich am Morgen wieder erwachte, sah ich, dass sich das Baby nach oben
und unten bewegte, obwohl es schlief – merkwürdig! Ich richtete
mich auf und ging der Sache auf den Grund. Nicht nur das Baby bewegte
sich auf und ab, sondern mit ihm die ganze Luftmatratze! Jetzt
verstand ich: infolge des Regens stand das Wasser 5 cm hoch im Zelt,
und die Luftmatratze, auf der das Baby schlief, schwamm hin und her.
Meine eigene Luftmatatze hingegen nicht, da ich sehr viel schwerer
war als das Baby. Und das bedeutete, dass das Kind in der Nacht nicht
nassgeschwitzt war, sondern dass es mit dem Kopf zwischen den
Luftmatratzen im Wasser lag. Es hätte glatt ertrinken können!
Damit war der Versuch mit dem Zelt beendet. Den Rest des Urlaubs schliefen wir zusammen im Carstle – auf einer gerade einmal 120 cm breiten Fläche. Aber es ging, die meisten Familien hatten die meiste Zeit in den vergangenen 10.000 Jahren auch nicht mehr Platz.
Die erste Großstadt, die wir erreichten, war Zaragoza. Hier wechselten wir Geld. Das klingt heute sehr normal, aber so war es damals, weit ab von touristischen Gefilden, keineswegs. Zunächst einmal: Es wurde wirklich Geld gewechselt. Man legte ausländische Banknoten (in diesem Falle Deutsche Mark) hin und erhielt inländische, hier also spanische Peseten. Für eine Mark bekam man etwa 40 Peseten. Ich betrat also die Bank, äußerte meine Wunsch – Eli, die gut französisch und etwas kastillisch sprach, übersetzte. Dann reichte ich dem Bankbeamten eine Banknote – nur eine, es war eine 500-DM-Note. Er holte seine Tabelle hervor, und rechnete – dann stutzte er, rechnete erneut, sah diese fremdländische Banknote mit völligem Befremden an. Er griff zum Telefon, um sich bei der Zentralbank zu erkundigen. Die telefonische Bestätigung: ja, tatsächlich, das gäbe es, es gäbe 500-Mark-Scheine. Es war für einen einfachen Bankangestellten in einer mittleren spanischen Großstadt damals einfach völlig unverständlich, dass es irgendwo Banknoten von so hohem Wert geben könnte. Damals zahlte man in einer Gaststätte im Landesineren – also nicht in Touristissinien, sondern im wirklichen Spanien – 20 Pfennig für ein Bier oder eine Cola. Und dazu bekam man noch kostenlose Tapas, kleine Leckerbissen, zum Dank für den Auftrag. Andererseits erscheint es uns heute für die Echtheitsprüfung von Banknoten doch sehr befremdlich, einfach einmal bei der vorgesetzten Behörde nachzufragen, ob es diese Stückelung gäbe – und das, ohne zu wissen, wie sie denn möglicherweise aussehen könnte. - Übrigens, so:
Wir waren die meiste Zeit auf dieser Reise im Landesinneren. Wir kamen durch Dörfer ohne fließend Wasser und ohne Strom, begegneten Eselskarawanen und sahen Berge, in denen die Menschen noch in Höhlen lebten. Der größte Teil des Landes war jedoch sehr trocken. Früher gab es hier reiche Landwirtschaft, überall waren terrassierte Berge, dort wurde früher Ackerbau betrieben. Jedoch waren für die spanische Armada alle Wälder abgeholzt worden, also sank die Verdunstung, dadurch gingen die Niederschläge zurück, infolge dessen rentierte sich die Landwirtschaft nicht mehr, und die Spanier mussten, nachdem sie auf diese Art ihr eigenes Land ruiniert hatten, nach Lateinamerika auswandern. Dort versucht man jetzt auszuprobieren, ob durch die Abholzung der Urwäldern der gleiche Effekt wieder eintritt – oder ob das Gesetz von Ursache und Wirkung vielleicht nicht mehr gültig ist. Ich halte den Ausgang dieses Versuchs für absehbar.
Eigentlich wollte ich jedoch mit diesem Artikel auf ein ganz anderes Thema heraus, und das spielte sich am Ende unserer Reise ab. Diese Sommertour war nämlich etwas anders angelegt, als unsere üblichen Reisen mit Campingbus und Wohnmobil. Normalerweise fuhren wir sechs Wochen durch eine europäische Region – z. B. die iberische Halb-insel – um diese zu erkunden. Diesmal jedoch hatten wir uns mit anderen Leuten verabredet, die letzten zwei Wochen gemeinsam einen recht konventionellen Urlaub zu machen. Daher hatten wir unser Rundfahrtprogramm gekürzt – Portugal wurde gestrichen – und zum Schluss hatten wir uns mit Elis Schwester Ernestine (Bild, in Begleitung von deren Sohn, der so alt war wie Kohlrübchen), ihrer Freundin Regine und deren Mann Berthold verabredet. Wir hatten zusammen ein Bungalow 100 km südlich von Barcelona an der Küste gemietet.
Das war eine recht konventionelle Urlaubszeit von jungen Familien am Strand. Allerdings wurde die Idylle von zwei Ereignissen überschattet, die unsere Familie – aber nicht die unserer Bekannten - direkt betrafen. Steffi, das Baby, das gerade ein Jahr alt geworden war, wurde sehr krank, sie hatte heftigen Durchfall. Nun ist Durchfall normalerweise nichts Tragisches, er kommt, er geht - und er ist ärgerlich. Diesmal war es aber anders, offensichtlich war das Magen–Darm-System des Babys heftig angegriffen: wenn Steffi (auf dem Bild links, neben Kohlrübchen) den Boden entlang krabbelte, blutete sie aus dem After und eine feine Blutspur folgte ihr. Ich war entsetzt. Wir überlegten, was zu tun sei. Spanien war damals auf einem Entwicklungsstandard wie heute afrikanische Länder. Hier eine kompetente medizinische Versorgung zu erwarten, schien höchst vermessen. Andererseits: wo dann? In Südfrankreich? Ich war skeptisch. Wir entschlossen uns, einen Versuch hier vor Ort zu starten, um medizinische Hilfe zu bekommen. Gleichzeitig bereiteten wir unseren Aufbruch vor – fast konnte man schon sagen: unsere Flucht. Wir wollten so schnell wie möglich zurück in die Zivilisation kommen. Nach den damaligen Verhältnissen – und unseren Ansichten – war die nächste verlässliche Gegend die Schweiz. Die war (auf Landstraßen) in 16 Stunden erreichbar.
Aber zunächst unternahmen wir einen Versuch im nahem Städtchen Calpe. Eli fragt auf der Straße Leute nach einem Arzt. Man empfiehlt ihr einen. Sie erkundigt sich: „Kinderarzt?“ Die Antwort: „Nix Kinderarzt – guter Arzt.“ Die Einrichtung eines speziellen Kinderarztes schien hier noch unbekannt zu sein. Die Praxis des Arztes war in einem Obergeschoss eines Wohnsblockes. Wir gehen dorthin, klingeln. Niemand öffnet. Andererseits: es ist noch Mittagszeit. Siesta. Wir warten. Irgendwann kommt noch jemand. Er riecht nach Bier und Tabak, unrassiert, trägt trotz des Sommers einen alten, fleckiger Mantel. Aha, ein Penner. Was will der hier? Dieser Arzt wird doch wohl nicht so eine Kundschaft haben?!
Nein, hat er nicht. Er ist der Arzt. Wir versuchen uns zu verständigen. Das ist nicht einfach. Der Arzt spricht kein Englisch, kein Französisch, natürlich nicht Deutsch, aber leider auch kein Kastillisch (Spanisch), sondern nur Catalan. Ich versuche es mit Latein. Leider auch Fehlanzeige. Inzwischen habe ich die beiden einzigen medizinische Bücher, die in einem Regal standen, inspiziert. Der Umschlag des einen ist so ausgebleicht, dass nichts mehr zu entziffern ist. Das andere ist eine Einführung in die Humanmedizin, erschienen 1917. Aha. Mein Vertrauen in den Arzt ist dadurch nicht gerade gewachsen. Er geht zu einer Untersuchungsliege, darauf liegt ein auseinander genommener Radioapparat. Er räumt ihn zur Seite, wischt mit dem Ellbogen einen Ölfleck ab. Die Kunstlederhülle der Auflage ist an zwei Stellen zerfetzt, fleckiges Schaumgummi quillt heraus. Steffi wird darauf gelegt. Er berührt ihren Bauch auf der rechten Seite und sagt etwas, das mit einer sichtbaren Verneinung endet. Ich verstehe: er hat gerade die Diagnose eines akuten oder geplatzten Blinddarms ausgeschlossen. Das beruhigt mich etwas; er scheint logisch vorzugehen.
Ernestine im Carstle mit Steffi und Kohlrübchen
Ich
versuche die anderen zu überzeugen, dass es nicht angeht, dass wir
essen, während das arme Kind, ausgehungert wie es ist, tagelang nur
Reis zu essen bekommt und sieht, wie wir leckere Sachen konsumieren
und sie davon nichts abbekommt. Leider gelingt es mir nicht, mich
damit durchzusetzen. Man stimmt mir zwar zunächst verbal zu, dann
jedoch wird anders gehandelt. Ein Muster, das sich wie einen roten
Faden durch meine Ehe zog.
Wir mussten nicht vorzeitig aus Spanien zurück. Noch nicht. Doch dann kam die zweite Schwierigkeit. Am 29. August, an meinem Geburtstag, geschah es. Für diesen Tag, so war es mit meiner Mutter verabredet, würden wir sie anrufen. Das war hier, in der touristisch besetzten Zone Spaniens, wesentlich leichter als im Rest des Landes.
Schon
einmal, drei Wochen vorher, hatte Eli ihren Eltern einen Anruf
versprochen. Wir hatten es von Madrid aus versucht. Von dort, so
dachten wir, müsste doch ein Anruf möglich sein. Weit gefehlt.
Weder im Hauptpostamt von Madrid noch im Postministerium war es
möglich, nach Deutschland anzurufen. Drei Tage später hatte Eli
dies in einer kleinen Gaststätte in einem Dorf ohne fließend Wasser
oder gepflasterter Straße erzählt. Die Wirtin wusste, dass es im
Ort ein Telefon gab. Die Besitzerin dieses Gerätes ließ von dort
alle Einwohner des Ortes telefonieren, d. h. sie vermittelte es,
Durchwahl gab es dort damals noch nicht, und diese Frau hatte wohl
eine Marktlücke entdeckt. Als wir ihr unser Problem erläuterten,
war sie begeistert. Ein Anruf nach Deutschland, welch eine
Herausforderung! Wie das geht, würde sie herausfinden! Wir sollten
zurück in die Wirtschaft gehen, sie würde uns informieren, wenn es
möglich sei. Nicht einmal zwei Stunden später schickte sie uns
eines ihrer Kinder vorbei: wir könnte jetzt kommen, sie hätte die
Freigabe einer Leitung für in 15 Minuten über die nationale
Postzentrale durchsetzen können. Das Foto
zeigt das Dorf der Telefonistin.
Also
mussten wir doch vorzeitig zurück. Eigentlich nur meine Familie und
ich, aber die anderen waren entschlossen, dann auch mit zurück zu
fahren. Also wurde für den nächsten Tag, den 30.8.77 ein Putz- und
Packtag angesetzt. Am 31.8. morgens um 5 h sollte die Abfahrt sein,
damit ich am 1. Sept. um 8 h in der Schule sein konnte.
Ich wusste gar nicht, was alles an Aufräum-, Putz- und Packarbeiten zu erledigen sein müsste, jedenfalls wenn drei Hausfrauen unterwegs sind. Wir waren alle den ganzen 30. August über damit beschäftigt. Auf dem Heimweg sollte ich dann – wie üblich - das Carstle fahren, während die anderen sich am Steuer des Käfers ablösten. Da mindestens ein Tag und eine Nacht Fahrt vor mir lagen – für Pausen war keine Zeit – entschloss ich mich am 30.8. früh ins Bett zu gehen. Alllerdings war an Schlaf nicht zu denken, im ganzen Haus wurde geräumt und gewerkelt.
Um
5 h sollte es losgehen, für 4.30 h war Wecken angesagt, um 1.30 h
floh ich aus dem Haus ins Carstle. Wie soll ich mehr als 24 Std.
hinterm Lenkrad sitzen, wenn ich nicht wenigstens ein paar Stunden
geschlafen hatte? Ich wälzte mich hin und her. Der Ärger übers
Nichtschlafenkönnen machte die Sache auch nicht besser. Es wurde 2
h, es wurde 3 h, mein Ärger, meine Verzweiflung, aber auch meine
Angst, einen Unfall zu bauen, wuchs minütlich.
Um
4.08 h kam mir eine Idee. Wenn ich nur noch 20 Min. Zeit habe, dann
bleibt nur eine einzige Möglichkeit. Ich weiß nicht an welche
Erfahrung ich dabei anknüpfte. Aber ich weiß, dass es keine
Erfahrung aus diesem Leben war. Ich setzte mich im Carstle aufrecht
hin, schob mir ein Kissen unters Gesäß, verschränkte meine Beine,
legte meine Hände auf die Knie, Daumen und Zeigefinger berührten
sich. Ich konzentrierte mich auf meinen Atem, nur zwei Atemzüge
lang, dann…
… es
war ein herrlicher Raum, wunderbar, ein unbegrenzter Raum. Himmlische
Sphärenmusik erklang. Vor mir eine Treppe: die 10 Stufen zur
Vollendung. Oben ein Thron, darauf eine Figur, die Vollkommenheit
symbolisierte. Sie sah aus wie eine Mischung zwischen dem Gottesbild,
das in der St.-Pauls-Kirche in Großauheim über dem Altar prangte
(ich hatte dort meine Erstkommunion), und einer Buddhafigur. Jede der
10 Treppenstufen war flankiert von einem wunderbaren, reich mit
Edelsteinen ausgestatteten Wesen. Engel? Möglicherweise, aber keine
geflügelten. Bodhisattvas? Das Wort kannte ich damals nicht, aber es
trifft es wohl am besten.
Der
Bodhisattva auf der linken Seite der untersten Stufe zwinkerte mir
zu, ermutigte mich. Es ging um den ersten Schritt, den ersten Schritt
auf der Leiter zur Vollkommenheit. Ich konzentrierte mich, wusste,
dass ich nicht durch die Kraft meiner Muskeln, sondern einzig durch
die meines Geistes weiter kommen würde. Und tatsächlich: meine Füße
standen still, aber durch die Kraft der meditativen Konzentration
wurde ich wie von Geisterhand – von der Hand meines konzentrierten
Geistes – dort hochgehoben. Ein beifälliges Raunen ging durch die
Versammlung der Bodhisattvas.
Ich
hatte den ersten Schritt geschafft, hatte Anerkennung bekommen. Die
Bodhisattvas raunten, ob ich denn auch den zweiten
Schritt schaffen würde…
Erneute Konzentration - und erstaunlich, ich bewegte mich aufwärts, erreichte die zweite Stufe, hielt die Konzentration, ich staunte selbst am meisten über das, was mir da gelang, musste aber die Konzentration halten, nur jetzt nicht nachlassen, die dritte Stufe, beifälliges Raunen, leise Rufe des Erstaunens, die mich nur noch mehr anfeuerten und ich stand auf der vierten Stufe des Bodhisattva-Pfades. Gleichzeitig mit meinem Vorrücken, leuchteten die Stufen, die ich erreicht hatte, hell auf und auch die Illumination des Raumes wurde noch heller, strahlendes Licht erhellte den Weltraum, und um mich auf den Stufen rechts und links strahlten alle diese wunderbaren Bodhisattvas in den faszinierendsten Farben. Sie schienen mich für meine Erfolge auf dem Pfad zu schätzen, zu bewundern, sie, die doch viel voll-kommener waren als ich wohl jemals sein werde.
Sie
sahen mich an, erwartungsvoll, gespannt. Ich konzentrierte mich, nahm
alle meine Kraft zusammen, richtete meine Augen auf den Buddha, der
auf dem Thron der 10. Ebene stand, und siehe da, es gelang mir weiter
zu kommen erneut hellere Lichter, das musste die fünfte Stufe sein.
Ich bemerkte, wie mir der Schweiß der höchsten Konzentration aus
den Poren trat, als ich die sechste Stufe erreichte. Ich war
verwundert, ob dessen, was ich erreicht hatte, und all diese
Bodhisattvas frohlockten und riefen mir Worte der Erreichung, der
Unterstützung, der Freude und der Kraft zu. Ob ich jetzt ein
Bodhisattva der sechsten Erreichung war?
Aller
Augen waren auf mich gerichtet. Ich hatte viel erreicht, aber ich
hatte auch gemerkt, wie es von Stufe zu Stufe schwerer wurde, wie
quasi übermenschliche Fähigkeiten nötig wurden. Doch nun schwiegen
alle Bodhisattvas, nur die himmlische Musik erklang weiter, aller
Augen waren auf mich gerichtet. Ich fasste alle meinem Mut zusammen,
konzentrierte mich. Nur ganz allmählich ging es vorwärts,
zentimeterweise. Ich setzte all mein Vertrauen auf die Bodhisattvas
und auf den Höchsten. Da spürte ich es unter meine Füßen. Ich
hatte Level 7 erreicht. Diesmal gab es keinen Applaus, kein
Frohlocken, nur diese Blicke, diese gespannten Blicke. Mir wurde
klar, ich kann jetzt nicht einfach aufhören und nach Hause gehen.
Man wollte wissen, wer ich bin, ob ich womöglich auch noch die achte
Erreichung schaffe.
Höchste Konzentration ich merke wie ich langsam vorankomme, eher milllimeterweise als zentimeterweise, Tausende Augen sind auf mich gerichtet, nicht nur die der Bodhisattvas der Stufen, sondern auch die von unzähligen Devas in den Weiten des Universums. Und in diesem Moment erreiche ich die achte Stufe. Freudiges Wohlgefallen, himmlische Spärenmusik, Licht, das mir heller als 1000 Sonnen erscheint. Und doch das Wissen: ich kann mich jetzt nicht einfach hinsetzen. Man erwartet von mir, dass ich mich so lange bemühe, mein Äußerstes gebe, bis ich meine Grenzen total ausgelotet habe. Also noch einmal, ich bemühe mich so, wie ich mich noch nie in meinem Leben bemüht habe – und ich merke ein Vorankommen, habe ein Viertel des Weges zur neunten Stufe erreicht, jetzt die Hälfte. Es ist ungemein schwer die Konzentration zu halten, es geht ein wenig weiter, dann bemerke ich Stagnation, bemühe mich nach besten Kräften. Aber da empfinde ich es ganz deutlich: es geht langsam abwärts. Ich komme wieder auf Stufe 8 zu stehen. - Aber es fühlt sich nicht wie ein Misserfolg an. Das Schweigen ist zu Ende, die Bodhisattvas reden, beglückwünschen mich, kaum ein Mensch würde es so weit bringen. Ich bin überglücklich.
Mein Gesicht strahlt, während die Bodhisattva-Welt verblasst. Ich sitze im Carstle, hellwach und überglücklich. In diesem Moment der Wecker, es ist 4.30 h. Eine halbe Stunde später bin ich unterwegs, fahre das übervoll beladene Carstle. Auf den 100 km bis Barcelona habe ich (Bild) auf der kurvenreichen, bergigen Küstenstraße bereits über 100 Autos überholt, wie Berthold, der den Käfer hinter mir fährt, hinterher fluchend erzählt. Ohne Stopp geht es nach Hause, 25 Stunden Fahrt. Ich habe sogar noch Zeit zum Duschen, bevor ich in der Schule meine neue Stelle antrete.