Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 20.1.2020

Szene 57 – Der Vier-Stufen-Plan – 2001



Eine meiner größten Erfolgsquellen ist das Planen. Eines meiner größten Probleme allerdings auch. Und kaum war ein neues Jahrhundert angebrochen, musste ein Plan her, wie das so meine Art ist. Wie ich an anderer Stelle bereits beschrieb (Szene 043 - Nachspielzeit), hatte ich früher geglaubt, das neue Jahrhundert nicht zu erleben. Das hatte sich inzwischen als Irrtum herausgestellt. Nun war ich keineswegs so vermessen, gleich Pläne für das ganze neue Jahrhundert zu machen, aber ein Zehn-Jahres-Plan sei schon angemessen, sagte ich mir.

Als erstes hatte ich um Ordination in der buddh. Gemeinschaft Triratna nachgefragt (siehe Szene 043) und mir vorgenommen, das meine dazu beizutragen, dass es bis zum Ende dieses Jahrzehnts ein Triratna-Zentrum im Rhein-Main-Gebiet gäbe. Mit moralischer Unterstützung meiner Freunde Shantipada und Dharmadipa hatte ich begonnen, Kurse über Meditation und Buddhismus an verschiedenen Volkshochschulen zu geben, insbesondere in meinem damaligen Wohnort Hanau und in Frankfurt.

Schon einmal, 30 Jahre zuvor, hatte ich an diesen Volkshochschulen unterrichtet – damals Stiefografie (vgl. Szene 13), ein neuartiges Kurzschiftsystem, und das hatte dazu geführt, dass ich mit einigen meiner SchülerInnen einen Verein für Stiefografie aufbaute. So wollte ich wieder tun! Diesmals allerdings mit Buddhismus statt mit Stiefografie. Und tatsächlich erhob sich nach einem Meditationskurs im Jahre 2002 die Frage in einem Kurs, ob man sich nicht gemeinsam zum Meditieren treffen könnte.

Ich lebte damals etwas beengt, in der Mansardenwohnung des Hauses, das Franz und Frieda, meine Großeltern, 1930 gebaut hatten und das inzwischen meiner Noch-Ehefrau gehörte. In der Mansarde gab es eine kleine Küche und zwei nicht allzu große Zimmerchen, alle mit schrägen Wänden, denn das Haus hat ein Walmdach. In einem dieser Zimmer war mein Arbeitszimmer und gleichzeitig ganz viele Sachen aus dem früheren ÖkoBüro, das nicht lange zuvor aufgelöst worden war. Das andere Zimmer war mein Schlafzimmer, gleichzeitig diente es als Sitzungszimmer der wenigen kleinen Gruppen, die nach Auflösung des ÖkoBüros übrig geblieben waren (VCD Main-Kinzig, EnergieWende, Bürgerliste Umwelt). In diesem Zimmer stand eine Kommode, darauf die Buddhafigur, die Truhe meiner Großmutter und ein Tisch sowie einige aufeinander gestapelte Stühle. Unter dem Fenster befand sich ein Bücherregal. Auf dem Boden lag eine Matratze, die mir als Bett diente. War eine Sitzung eines der verbliebenen Vereine, dann verstaute ich mein Bettzeug in der Truhe, stellte die Matratze hochkannt und schob sie hinter das Regal. Der Tisch kam in die Mitte des Raumes, und daran konnten bis zu acht Stühle platziert werden. Diesen Notbehelf nannte ich „das neue, kleine ÖkoBüro“.

graDieser Raum wurde nun auch zum Meditationsraum (Bild). Dazu wurde mein Bett ebenso verstaut wie bei den Sitzungen der Vereine, die Stühle wurden in der Küche abgestellt, der Tisch kam an die hintere Wand, dort wo die Decke schräg war. Ich hatte einige Decken gekauft sowie einige Sitzkissen, so dass bis zu acht Personen Platz nehmen konnten. Im Juni 2002 war unser erster Meditationsabend, wir waren zu siebt. Es fühlte sich gut an, ein Anfang war gemacht. Was ich nicht wusste war, dass wir in unserem kleinen Meditationsraum nie wieder so viele sein würden. Leider. (Details siehe Szene 062 „Dharma unterm Dach“)

Statt dessen plante ich, wie es weiter gehen sollte.

Stufe 1. Die Stufe 1 war der status quo. Ich wollte weiter Studienkurse und Meditationskurse an den Volkshochschulen geben und hoffte, dass sich die Gruppe stabilisieren würde. Wenn regelmäßig etwa sechs TeilnehmerInnen kämen, wäre Zeit für Stufe 2.

Stufe 2. Das wäre dann der Fall, wenn ca. sechs TeilnehmerInnen regelmäßig kämen und unser Raum an die Kapazitätsgrenze stoßen würde. Ich hoffte tatsächlich, dass einige meiner vhs-Kursteilnehmer aus Frankfurt nach Hanau-Großauheim kämen. Die Räumlichkeiten waren nur 200 m vom Bahnhof Großauheim entfernt, von wo es eine durchgehende Bahnverbindung nach Frankfurt gab (mit Haltepunkten in Frankfurt Hbf., Frankfurt Süd, Frankfurt Ost und Hanau Hbf.). Die Anfangs- und Endzeiten meiner Meditationsabende waren optimal auf die Bahnverbindungen abgestimmt. Die Bahn kam um 19.06 h an, die Abende begannen um 19.15 h. Die Bahn fuhr um 21.33 ab, die Abende endeten zwischen 21.20 h und 21.25 h. Wenn unsere Räumlichkeiten zu eng würden, so hatte ich vor, würden wir in das Bürgerhaus Alte Schule in Großauheim umziehen, 300 m vom Bahnhof entfernt. Als in Hanau-Großauheim ansässiger Verein hatte die Koordination EnergieWende e. V. Anspruch auf kostenlose Anmietung von Räumen für ihre Veranstaltungen. Mit den Leuten von diesem Verein war abgesprochen, dass wir die „Abteilung Dharma“ im Rahmen des Vereins aufbauen könnten. Irgendwie ist ja Dharma auch „EnergieWende“: wir werden uns unserer spirituellen Energien bewusst und wenden sie zum Besseren hin...

Ich wollte diese Räumlichkeiten nutzen, bis wir regelmäßig zu zweistelligen TeilnehmerInnen-Zahlen kommen würden, dann wäre es Zeit zum Übergang zu Stufe 3.

Stufe 3. Langfristig wird man eine Triratna-Einrichtung für das Rhein-Main-Gebiet nur in Frankfurt aufbauen können. Wenn regelmäßig genügend Menschen an unseren Veranstaltungen teilnähmen, also mehr als 10, so wäre es Zeit einen Raum in Frankfurt anzumieten, möglicherweise nur für ein oder zwei Abende in der Woche. Spätestens für diesen Zeitpunkt, den ich etwa im Jahr 2006 oder 2007 erwartete, würde ich auch ordiniert sein. Wenn wir erst in Frankfurt wären und einen festen Anlaufpunkt hätten, so mein Kalkül, müsste es möglich sein, mehr Leute anzuziehen, um so eher, wenn ich nicht mehr als Horst die Veranstaltungen leite, sondern vielleicht als Maha Micchaditthi oder so. Für diesen Zeitpunkt erwartete ich ein größeres Wachstum. Mein Kalkül war außerdem, dass weitere Ordensmitglieder nach Frankfurt zögen. Junge Ordensmitglieder, die berufstätig seien, so meine Überlegung, werden in Frankfurt vermutlich leichter eine Arbeit finden als im wirtschaftlich maroden Ruhrgebiet oder im armen Berlin. Und dann könnte Stufe 4 erfolgen.

Stufe 4: Gründung eines eigenen Zentrums in Frankfurt in einem vielleicht 100 bis 150 qm großen Lokal mit mehreren Räumen. Dies so war damals meine Auffassung, sei ein realistisches Ziel für die erste Dekade des 21. Jahrhunderts. Am Ende dieser Dekade, so hoffte ich, hätte ich meinen Beitrag dazu geleistet, dass es ein Triratna-Zentrum im Rhein-Main-Gebiet, in Frankfurt gäbe.


Zurück zu  Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum Wohl aller Wesen.
Zurück zur Heimatseite