ROBIN WOOD Magazin 66 / 3.2000

Aus lauter Lust am Leben...
... lautet das Motto der Rommelmühle bei Stuttgart, dem l. Öko-Kaufhaus in Deutschland. Dort wird den Kundinnen unter einem Dach eine breite Palette an ökologischen Produkten aber auch Dienstleistungen geboten. Öko-Einkauf als Erlebnis und ohne moralischen Zeigefinger ist ein Erfolgsrezept der Öko-Kaufhäuser, so Ute Zander vom Clearing-house nachhaltiges Wirtschaften (caf). Das caf hat von 1996 bis'99 das QUATRO-Projekt „Öko-Kaufhäuser" geleitet und berät Unternehmen, wie sie mit einem gemeinsamen Marktauftritt erfolgreicher wirtschaften und Öko-Produkte einer breiten Kundschaft anbieten können.
Mit Ute Zander sprach Christiane Weitzel.
? Wie ist das Projekt Öko-Kaufhaus entstanden?

! 1995 sollte im Zuge der Übernahme von Hertie durch Karstadt die Hertie-Filiale in Mannheim geschlossen werden. Der Betriebsrat schlug jedoch vor, diese Filiale als Öko-Kaufhaus neu zu profilieren. Vorangegangen war bereits eine jahrelange Kooperation mit dem BUND. So hat Hertie diverse Aktionen wie zum Beispiel der „ökologische Putzschrank" durchgeführt, um das eigene Sortiment umweltfreundlicher zu gestalten. Trotz der guten Ideen und engagierten Planungen konnte die Führungsetage nicht überzeugt werden und hat schließlich Ende 1999 den Standort geschlossen.

Doch die Idee eines Öko-Kaufhauses war einfach zu gut, um sie sterben zu lassen. Im Laufe der Planungen in Mannheim war bei einer Reihe von Unternehmen das Interesse geweckt worden. 1996 gründete sich eine Projektgruppe, die für drei Jahre vom Land Nordrhein-Westfalen und der EU gefördert wurde, um das Konzept weiterzuentwickeln und Unternehmen zu beraten. Mittlerweile wurden die Rommelmühle bei Bietigheim-Bissingen, das ÖCO in Oldenburg und das Ökologia in Weiden eröffnet und etwa acht bis zehn weitere Standorte stehen in den Startlöchem.

? Worin liegt die besondere Chance für ein Öko-Kaufhaus?

! In fast jeder Stadt gibt es mittlerweile Anbieter von ökologischen Waren, wie ein Blick in die alternativen oder grünen Branchenbücher zeigt. Nur liegen diese weit verstreut über das Stadtgebiet. Ein Öko-Kaufhaus bietet die Chance, die Öko-Anbieter unter einem Dach zusammenzufassen und den Kundinnen dort ein breites Angebot zu präsentieren. Denn bisher bedeutet ökologischer Einkauf, dass weite Wege zurückgelegt werden müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass ein Öko-Zentrum viel effektiver Marketing betreiben kann. Mit einem gemeinsamen Marketingetat lassen sich ganz andere Dinge umsetzen und mehr Aufmerksamkeit erreichen, als wenn jeder allein vor sich hin wurschtelt. Zu diesen Angeboten - und das ist besonders wichtig für arbeitende Singles und Familien - gehört dann z. B. auch ein Lieferservice oder längere Öffnungszeiten.

? Was verbirgt sieb hinter dem „Krefelder Modell"?

! In Krefeld wollen die Anbieter von Öko-Produkten sich vernetzen, aber nicht gemeinsam in ein zentrales Gebäude ziehen. Es sollen alle Vorteile eines gemeinsamen Marktauftritts genutzt werden, wie ein gemeinsamer Lieferservice, gemeinsame Aktionen und ein gemeinsamer Internetauftritt.

Die Palette der 28 Öko-Anbieter in Krefeld reicht von Naturkotläden, Öko-Bäcker über Architekten, Öko-Baumarkt, Spielzeugladen bis hin zu Fahrradkurieren und einem Tauschkreis. Ein guter Ansatz - im Moment allerdings noch Zukunftsmusik - wäre z. B., wenn der Architekt, der Tischler und der Baumarkt zusammenarbeiten und gemeinsam Produkte entwickeln und anbieten würden. Als Einstieg haben die Unternehmen zusammen einen kleinen Stadtplan herausgegeben, auf dem alle Ökoanbieter eingetragen sind. Eine gute Aktion!

? Hat das Krefelder-Modell schon Nachahmer gefunden?

! Nein, leider nicht. Dabei lohnt sich ein gemeinsamer, gut geplanter Marktauftritt gerade in kleinen oder mittleren Kommunen. Wird auf den Ansatz „alles unter einem Dach" verzichtet, ist zu Beginn keine große Investition nötig, das Vorhandene und die Vorteile einer abgestimmten, gemeinsamen Strategie können genutzt werden. Vielleicht auch mit der Perspektive irgendwann die Geschäfte unter einem Dach zu vereinen.

? Wie schätzen Sie ein, dass zunehmend konventionelle Supermärkte ökologische Produkte in ihr Sortiment aufnehmen?

! Dies ist neben dem Krefelder Modell oder einem Öko-Kaufhaus wie der Rommelmühle bei Stuttgart eine gute Möglichkeit, um ökologische Produkte marktfähig zu machen. Der Vorteil ist, dass in einem normalen Supermarkt ganz normale Durchschnittskundinnen angesprochen werden, ohne Schwellenangst nach dem Motto: „Ich geh nicht in einen Bioladen, weil ich nicht weiß, wie ich mich dort verhalten soll."

Die Warenhauskette Famila mit der Zentrale in Soest ist eine Kooperation mit der Marktgenossenschaft der Naturland-Bauem in Lippetal-Lippbog eingegangen. Unter der Marke „Gemeinschaft der Naturland-Bauern" bietet Famila in ihren Filialen eine ganze Palette Naturlandprodukte an, vor allem Frischgemüse aus der Region aber auch Tiefkühl-Gemüse, Molkereiprodukte, Eier und Brot. Allerdings müssen unbedingt noch mehr Bauern für die Umstellung auf biologische Landwirtschaft gewonnen werden, dehn durch die Nachfragt in den Supermärkten geraten die Naturland-Bauern an ihre Kapazitätsgrenzen.

? Welche Produkte werden denn in einem Öko-Kaufhaus angeboten? Nach welchen Kriterien wird ausgewählt, was wirklich öko ist?

! Innerhalb des QUATRO-Projekt „Öko-Kaufhaus" haben wir Kriterien entwickelt, die auf den Gedanken dem Nachhaltigkeit basieren, also Wirtschaft liehe, soziale und ökologische Kriterien gleichermaßen berücksichtigen. Erst einmal müssen die Unternehmen in Öko-Kaufhaus ökonomisch erfolgreich sein. Dann ist wichtig, dass die Produkte sozialverträglich gefertigt werden, zum Beispiel ohne Kinderarbeit und aus fairem Handel stammen. Es wird auch Wert auf regionale Produktion und Vermarktung gelegt. So ist zum Beispiel in Nürnberg ein Regional-Kaufhaus in Planung, das neben ökologischen Produkten auch konventionelle Erzeugnisse aus der Region anbieten wird.

Im ökologischen Bereich sollten die Produkte zunächst einmal nützlich um sinnvoll sein. Das heißt, sie müssen da vom Hersteller gegebene Versprechen auch erfüllen! Grundsätzlich kann man schließlich alles auf eine umweltschonende Art und Weise produzieren, ob es den Menschen einen echten Nutzen bringt, ist eine andere Frage. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Waren langlebig und gesundheitsverträglich sind und gut repariert werden können.

Neben solchen Mindestkriterien sind aber auch Verlaufskriterien möglich Das bedeutet, die Produzentinnen und die Händlerinnen einigen sich darauf, dass bei Produkten, von denen noch gar keine ökologische Variante existiert, wie zum Beispiel Fernseher, in drei Jahren ein bestimmter Öko-Standard erreicht werden soll.

? Viele Menschenmeinen, dass sie es sich finanziell nicht leisten können Ökowaren zu kaufen. Ist ein Öko-Kaufhaus nur für den Konsum der Besserverdienenden gedacht!

! Nein, bestimmt nicht. Die meisten Öko-Produkte zeichnen sich durch eine viel höhere Qualität oder durch Langlebigkeit aus. So können die Verbraucherinnen Kosten sparen, wenn sie sich das bewusst machen. Ein Bäcker hat mal ausgerechnet, dass seine Vollwertbrote zwar im Kilopreis teurer sind aber nicht im Nutzwert. Wer sonst drei, vier Scheiben essen muss, ist bei seinem Brot schon nach ein, zwei Scheiben satt und spart für die auch noch den Belag.

Öko-Kaufhäuser können wegen des höheren Umsatzes ihre Preise niedriger ansetzen. Auch die Öko-Supermärkte, die deutschlandweit zur Zeit entstehen, machen auf einer größeren Fläche mehr Umsatz und verkaufen ihre Ware oft zu geringeren Preisen. An den Mehrpreisen der Öko-Branche ist zu einem Großteil die bisher noch mangelhafte Logistik und nicht nur die aufwendigere Produktion Schuld. Da ist noch ein großes Einsparpotential vorhanden, das Öko-Kaufhäuser nutzen können.

? Ökologisch konsumieren - ist das nicht ein Widerspruch in sich?

! Nein. Es ist ja schon ein Fortschritt, wenn weniger umweltschädliche Produkte gekauft werden und so eine Wirtschaftsweise gefördert wird, die stärker im Einklang mit unserer Umwelt steht. Damit sich aber Projekte wie Öko-Kaufhäuser dauerhaft etablieren können, ist es wichtig, dass der Einkauf mit einem Erlebnis verknüpft ist, das zum Beispiel über das Angebot oder das Gebäude vermittelt wird. Die Leute erleben dann, dass ökologisch Einkaufen kein Verzicht oder den Rückfall in die Steinzeit bedeutet, sondern die Lebensqualität erhöht. Wir müssen den Leuten Alternativen bieten und aufklären und zwar ohne den moralischen Zeigefinger, Deshalb lautet das Motto der Rommelmühle „Aus lauter Lust am Leben".



Bio-Supermärkte

Die Idee einen Bio-Supermarkt zu gründen, findet seit dem letzten Jahr immer mehr Anhängerinnen. Neben einem umfangreichen Warenangebot gehört für Bio-Supermärkte eine Ladenfläche Zwischen 150 und 800 Quadratmetern, helle und großzügige Verkaufsräume mindestens zwei Kassen und durchgängige Ladenöffnungszeiten zum neuen Standard. In mindestens 10 bundesdeutschen Städten z. B. in Saarbrücken, Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart, Mainz, Berlin, Oldenburg und München wurden bisher Öko-Supermärkte eröffnet.

Neben einem täglich frischen Mittagsmenü bietet der „Grüne Markt" im Münchner Süden ein Bio-Allround-Angebot mit einer großen Auswahl an frischem Obst und Gemüse sowie ein umfangreiches Käsesortiment mit ca.. 200 verschiedenen Sorten. Die Eigenimporte aus Italien sind die Spezialität des 300 Quadratmeter großen Bio-Supernarktes. Die Produkte werden direkt von kleinen italienischen Kooperativen bezogen, die sich so auf einen sicheren Absatzmarkt stützen können. Im „Grünen Markt" werden die Produkte wie Teigwaren und Bio-Weine in großer Auswahl und zu günstigen Preisen angeboten. Die beiden Geschäftsführer Roberto Rossello und Konrad Holzner-Busch beschäftigen 50 Mitarbeiterinnen und versorgen dazu noch die Kantine von Siemens mit ökologischen Produkten. Die Nachbarschaft in der Münchener Lindwurmstraße, zu der Behörden, zahlreiche Büros und eine Fraueninitiative zählen, trägt wesentlich zum Erfolg des im vergangenen Herbst eröffneten Bio-Supermarktes bei.


Ökologisch einkaufen

Die Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart wurde im September 1998 eröffnet und bietet neben Wohnungen und Dienstleistungen vor allem im Bereich Bauen und Wohnen eine breite Palette ökologischer Produkte; Naturkost, Naturkosmetik, Spielzeug und Geschenkartikel gehören ebenfalls zum Sortiment. Zwei Versender von Ökomöbeln und -textilien testen in der Rommelmühle, wie sich ihre Produkte stationär in einem Laden verkaufen lassen.

Der denkmalgeschützte Bau mit seinem breiten ökologischen Angebot und einem gemeinsamen Werbeauftritt ist dafür besonders gut geeignet. Noch erfolgreicher wäre das Konzept nach Meinung des Geschäftsführers Hans Kahlau, wenn die Rommelmühle in direkter Nähe einer Großstadt läge und nicht in einer großen Kreisstadt, 310 Kilometer von Stuttgart entfernt.

Mit Aktionen, Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen versucht das Projekt mehr Menschen zu erreichen und den Besuch im Öko-Kaufhaus noch attraktiver zu gestalten.

Das ÖCO, Ökozentrum Oldenburg, hat im Juli 1999 seihe Pforten geöffnet. Hier werden in unmittelbarer Nähe zur Universität auf 4500 Quadratmetern gerade auf Studentinnen zugeschnittene Angebote gemacht: Naturkost, Ökotextilien, ein Bäcker und ein Bistro bieten ihre Produkte an. Auch ein Reisebüro hat sich angesiedelt, das neben dem ganz normalen Touristikangebot vor allem Reisen in die Region und Ökotourismus offeriert. Ein Schwerpunkt des Zentrums liegt auf ganzheitlicher Medizin Vier Praxen und eine Apotheke bieten mit Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Chiropraktik, Psychologie und Zahnarzt eine gute Versorgung gerade mit alternativen Heilverfahren an.

Seit dem 18. Mai 2000 bietet das Ökologia in Altenstadt bei Weiden auf knapp 2000 Quadratmetern Ökologisch produzierte Lebensmittel und ein breites Angebot im Bereich ökologisches Bauen: von der Vermittlung von Handwerkern bis zu den Möbeln. Es versteht sich als ländliches Versorgungszentrum mit Extraservice wie einem Lieferservice für Naturkost.



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